Psychologie der Massen (Gustave Le Bon). Gustave Le Bon

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Psychologie der Massen (Gustave Le Bon) - Gustave Le Bon

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3. Überschwang (Exagération und Einseitigkeit (Simplisme) der Massengefühle

      Alle Gefühle, gute und schlechte, die eine Masse äußert, haben zwei Eigentümlichkeiten; sie sind sehr einfach und sehr überschwenglich. Wie in so vielen andern, nähert sich auch in dieser Beziehung der einzelne, der einer Masse angehört, den primitiven Wesen. Gefühlsabstufungen nicht zugänglich, sieht er die Dinge grob und kennt keine Übergänge. Der Überschwang der Gefühle in der Masse wird noch dadurch verstärkt, dass er sich durch Suggestion und Übertragung sehr rasch ausbreitet und dass Anerkennung, die er erfährt, seinen Spannungsgrad erheblich steigert.

      Die Einseitigkeit und Überschwenglichkeit der Gefühle der Massen bewahren sie vor Zweifel und Ungewißheit. Den Frauen gleich gehen sie sofort bis zum Äußersten. Ein ausgesprochener Verdacht wird sogleich zu unumstößlicher Gewißheit. Ein Keim von Abneigung und Mißbilligung, den der einzelne kaum beachten würde, wächst beim Einzelwesen der Masse sofort zu wildem Haß.

      Die Heftigkeit der Gefühle der Massen wird besonders bei den ungleichartigen Massen durch das Fehlen jeder Verantwortlichkeit noch gesteigert. Die Gewißheit der Straflosigkeit, die mit der Größe der Menge zunimmt, und das Bewußtsein einer bedeutenden augenblicklichen Gewalt, bedingt durch die Masse, ermöglichen der Gesamtheit Gefühle und Handlungen, die dem einzelnen unmöglich sind. In den Massen verlieren die Dummen, Ungebildeten und Neidischen das Gefühl ihrer Nichtigkeit und Ohnmacht; an seine Stelle tritt das Bewußtsein einer rohen, zwar vergänglichen, aber ungeheuren Kraft.

      Unglücklicherweise ruft der Überschwang schlechter Gefühle bei den Massen den vererbten Rest der Instinkte des Urmenschen herauf, die beim alleinstehenden und verantwortlichen einzelnen durch die Furcht vor Strafe gezügelt werden. So erklärt sich die Neigung der Massen zu schlimmen Ausschreitungen.

      Wenn die Massen geschickt beeinflußt werden, können sie heldenhaft und opferwillig sein. Sie sind es sogar in viel höherem Maße als der einzelne. Wir werden beim Studium der Massenmoral bald Gelegenheit haben, auf diesen Punkt zurückzukommen.

      Da die Masse nur durch übermäßige Empfindungen erregt wird, muß der Redner, der sie hinreißen will, starke Ausdrücke gebrauchen. Zu den gewöhnlichen Beweismitteln der Redner in Volksversammlungen gehört Schreien, Beteuern, Wiederholen, und niemals darf er den Versuch machen, einen Beweis zu erbringen.

      Die gleiche Ubertreibung der Gefühle verlangt die Masse von ihren Helden. Ihre Eigenschaften und hervorragenden Tugenden müssen stets vergrößert werden. Im Theater fordert die Masse von dem Helden des Dramas Tugenden, einen Mut und eine Moral, wie sie im Leben niemals vorkommen.

      Man spricht mit Recht von der besonderen Optik des Theaters. Zweifellos ist sie vorhanden, aber ihre Gesetze haben nichts mit dem gesunden Menschenverstand und der Logik zu tun. Die Kunst, zur Masse zu sprechen, ist von untergeordnetem Rang, erfordert jedoch ganz besondere Fähigkeiten. Beim Lesen gewisser Stücke kann man sich ihren Erfolg oft nicht erklären. Im allgemeinen sind die Theaterdirektoren selbst über den Erfolg sehr im Ungewissen, wenn ihnen die Stücke eingereicht werden, denn um urteilen zu können, müßten sie sich in eine Masse verwandeln1. Wenn wir uns mit Einzelheiten befassen könnten, wäre es leicht, auch noch den bedeutenden Einfluß der Rasse aufzuzeigen. Das Drama, das in dem einen Lande die Masse begeistert, hat oft in einem andern keinen oder nur einen durchschnittlichen Achtungserfolg, weil es nicht die Kräfte spielen läßt, die das neue Publikum bewegen könnten.

      Ich brauche nicht besonders zu betonen, dass der Überschwang der Massen sich nur auf die Gefühle und in keiner Weise auf den Verstand erstreckt. Die Tatsache der bloßen Zugehörigkeit des einzelnen zur Masse bewirkt, wie ich bereits zeigte, eine beträchtliche Senkung der Voraussetzungen seines Verstandes. In seinen Untersuchungen über die Massenverbrechen hat Tarde das gleichfalls festgestellt.

      § 4. Unduldsamkeit, Herrschsucht (Autoritarisme) und Konservatismus der Massen

      Die Massen kennen nur einfache und übertriebene Gefühle. Meinungen, Ideen, Glaubenssätze, die man ihnen einflößt, werden daher nur in Bausch und Bogen von ihnen angenommen oder verworfen und als unbedingte Wahrheiten oder ebenso unbedingte Irrtümer betrachtet. So geht es stets mit Überzeugungen, die auf dem Wege der Beeinflussung, nicht durch Nachdenken erworben wurden. Jedermann weiß, wie unduldsam die religiösen Glaubenssätze sind und welche Gewaltherrschaft sie über die Seelen ausüben.

      Da die Masse in das, was sie für Wahrheit oder Irrtum hält, keinen Zweifel setzt, andererseits ein klares Bewußtsein ihrer Kraft besitzt, so ist sie ebenso eigenmächtig wie unduldsam. Der einzelne kann Widerspruch und Auseinandersetzung anerkennen, die Masse duldet sie niemals. In den öffentlichen Versammlungen wird der leiseste Widerspruch eines Redners sofort mit Wutgeschrei und groben Schmähungen beantwortet, und wenn der Redner beharrlich ist, folgen leicht Tätlichkeiten, und der Redner wird hinausgeworfen. Ohne die einschüchternde Anwesenheit der Sicherheitsbehörde würde man oft den Gegner lynchen. Herrschsucht und Unduldsamkeit finden sich bei allen Arten der Massen, aber in ganz verschiedenen Graden, und hier kommt wieder der Grundbegriff der Rasse zur Geltung, die alles Fühlen und Denken der Menschen beherrscht. Herrschsucht und Unduldsamkeit sind besonders bei den lateinischen Massen ausgebildet, und zwar in solchem Maße, dass es ihnen fast gelungen ist, das Gefühl der persönlichen Unabhängigkeit, das bei den Angelsachsen so mächtig ist, bei ihnen völlig zu vernichten. Die lateinischen Massen haben nur Gefühl für die Gesamt-Unabhängigkeit ihrer Sekte, und bezeichnend für diese Unabhängigkeit ist das Bedürfnis, alle Andersgläubigen sofort und gewaltsam für ihren eigenen Glauben zu gewinnen. Von der Inquisition angefangen, konnten sich bei den lateinischen Völkern die Jakobiner aller Zeiten niemals zu einem andern Freiheitsbegriff aufschwingen.

      Herrschsucht und Unduldsamkeit sind für die Massen sehr klare Gefühle, die sie ebenso leicht ertragen, wie sie sie in die Tat umsetzen. Die Massen erkennen die Macht an und werden durch Güte, die sie leicht für eine Art Schwäche halten, nur mäßig beeinflußt. Niemals galten ihre Sympathien den gütigen Herren, sondern den Tyrannen, von denen sie kraftvoll beherrscht wurden. Ihnen haben sie stets die größten Denkmäler errichtet. Wenn sie den gestürzten Despoten gern mit Füßen treten, so geschieht das, weil er seine Macht eingebüßt hat und in die Reihe der Schwachen eingereiht wird, die man verachtet und nicht fürchtet. Das Urbild des Massenhelden wird stets Cäsarencharakter zeigen. Sein Helmbusch verführt sie, seine Macht flößt ihnen Achtung ein, und sein Schwert fürchten sie. Stets bereit zur Auflehnung gegen die schwache Obrigkeit, beugt sich die Masse knechtisch vor einer starken Herrschaft. Ist die Haltung der Obrigkeit schwankend, so wendet sich die Masse, die stets ihren äußersten Gefühlen folgt, abwechselnd von der Anarchie zur Sklaverei, von der Sklaverei zur Anarchie.

      Übrigens würde man die Psychologie der Massen ganz mißverstehen, wenn man an die Vorherrschaft ihrer revolutionären Triebe glaubte. Nur ihre Gewalttaten täuschen uns über diesen Punkt. Die Ausbrüche der Empörung und Zerstörung sind immer nur von kurzer Dauer. Die Massen werden zu sehr vom Unbewußten geleitet und sind also dem Einfluß uralter Vererbung zu sehr unterworfen, als dass sie nicht äußerst beharrend sein müßten. Wenn sie sich selbst überlassen werden, erlebt man bald, dass sie, ihrer Zügellosigkeit überdrüssig, instinktiv der Knechtschaft zusteuern. Die kühnsten und schroffsten Jakobiner stimmten Bonaparte entschieden zu, als er alle Freiheiten aufhob und seine eiserne Hand schwer fühlen ließ.

      Die Geschichte der Völkerrevolutionen ist fast unverständlich, wenn man die von Grund aus beharrenden Triebkräfte der Massen verkennt. Sie wünschen zwar die Namen ihrer Einrichtungen zu wechseln, und um diesen Wechsel zu vollziehen, machen sie zuweilen sogar große Revolutionen durch, aber der Kern dieser Einrichtungen ist zu sehr Ausdruck der erblichen Bedürfnisse der Rasse, als dass sie nicht immer wiederkehren müßten. Die unaufhörliche Veränderlichkeit der Massen erstreckt sich nur auf ganz äußerliche Dinge. In Wahrheit haben sie nicht weiter erklärbare Beharrungsinstinkte, und wie alle Primitiven eine fetischistische Ehrfurcht vor den Überlieferungen, einen unbewußten Abscheu vor

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