Psychologie der Massen (Gustave Le Bon). Gustave Le Bon

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Psychologie der Massen (Gustave Le Bon) - Gustave Le Bon

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dass sich zwischen ihre Begierde und die Verwirklichung dieser Begierde ein Hindernis erhebt, um so weniger, als ihre Überzahl ihr das Gefühl unwiderstehlicher Macht gewährt. Für den einzelnen in der Masse schwindet der Begriff des Unmöglichen. Der alleinstehende einzelne ist sich klar darüber, dass er allein keinen Palast einäschern, keinen Laden plündern könnte, und die Versuchung dazu kommt ihm kaum in den Sinn. Als Glied einer Masse aber übernimmt er das Machtbe-wußtsein, das ihm die Menge verleiht, und wird der ersten Anregung zu Mord und Plünderung augenblicklich nachgeben. Ein unerwartetes Hindernis wird wütend zertrümmert. Wenn der menschliche Organismus dauernde Wut zuließe, so könnte man die Wut als den normalen Zustand der gehemmten Masse bezeichnen.

      Die Erregbarkeit, Triebhaftigkeit und Veränderlichkeit der Massen sowie das gesamte Empfinden des Volkes, das wir zu untersuchen haben, werden stets durch die grundlegenden Rasseeigenschaften abgewandelt. Sie bilden den festen Boden, in dem alle unsere Gefühle wurzeln. Ohne Zweifel sind die Massen reizbar und triebhaft, aber in den mannigfachsten Abstufungen. Der Unterschied zwischen einer lateinischen und einer angelsächsischen Masse z. B. ist auffallend. Die jüngsten Ereignisse unserer Geschichte geben ein sprechendes Bild davon. Im Jahre 1870 hat die Veröffentlichung eines einfachen Telegramms mit dem Bericht über eine angeblich einem Botschafter zugefügte Beleidigung genügt, einen Wutausbruch zu entfachen, der zur unmittelbaren Ursache eines furchtbaren Krieges wurde. Einige Jahre später erzeugte die telegraphische Anzeige einer unbedeutenden Schlappe bei Langson einen neuen Ausbruch, der den sofortigen Sturz der Regierung herbeiführte. Zu gleicher Zeit erregte die viel schwerere Niederlage einer englischen Expedition bei Khartum nur eine sehr schwache Bewegung in England, und kein Ministerium fiel. Überall sind die Massen weibisch, die weibischsten aber sind die lateinischen Massen. Wer sich auf sie stützt, kann sehr hoch und sehr schnell steigen, aber stets in der Nähe des tarpejischen Felsens und mit der Gewißheit, eines Tages hinuntergestürzt zu werden.

      § 2. Beeinflußbarkeit und Leichtgläubigkeit der Massen

      Als einen der allgemeinen Charakterzüge bezeichneten wir die übermäßige Beeinflußbarkeit und wiesen nach, wie ansteckend eine Beeinflussung in jeder Menschenansammlung ist; woraus sich die blitzschnelle Gerichtetheit der Gefühle in einem bestimmten Sinne erklärt. So parteilos man sich die Masse auch vorstellt, so befindet sie sich doch meistens in einem Zustand gespannter Erwartung, der die Beeinflussung begünstigt. Die erste klar zum Ausdruck gebrachte Beeinflussung teilt sich durch Übertragung augenblicklich allen Gehirnen mit und gibt sogleich die Gefühlsrichtung an. Bei allen Beeinflußten drängt die fixe Idee danach, sich in eine Tat umzuformen. Ob es sich darum handelt, einen Palast in Brand zu stecken oder sich zu opfern, die Masse ist mit der gleichen Leichtigkeit dazu bereit. Alles hängt von der Art des Anreizes ab, nicht mehr, wie beim alleinstehenden einzelnen, von den Beziehungen zwischen der eingegebenen Tat und dem Maß der Vernunft, das sich ihrer Verwirklichung widersetzen kann. So muß die Masse, die stets an den Grenzen des Unbewußten umherirrt, allen Einflüssen unterworfen ist, von der Heftigkeit ihrer Gefühle erregt wird, welche allen Wesen eigen ist, die sich nicht auf die Vernunft berufen können, alles kritischen Geistes bar, von einer übermäßigen Leichtgläubigkeit sein. Nichts erscheint ihr unwahrscheinlich, und das darf man nicht vergessen, wenn man begreifen will, wie leicht die unwahrscheinlichsten Legenden und Berichte zustande kommen und sich verbreiten.

      Die Entstehung von Legenden, die so leicht in den Massen umlaufen, ist nicht nur die Folge vollkommener Leichtgläubigkeit, sondern auch der ungeheuerlichen Entstellungen, welche die Ereignisse in der Phantasie der Menschenansammlungen erfahren. Der einfachste Vorfall, von der Masse gesehen, ist sofort ein entstelltes Geschehnis. Sie denkt in Bildern, und das hervorgerufene Bild löst eine Folge anderer Bilder aus, ohne jeden logischen Zusammenhang mit dem ersten. Diesen Zustand verstehen wir leicht, wenn wir bedenken, welche sonderbaren Vorstellungsreihen zuweilen ein Erlebnis in uns hervorruft. Die Vernunft beweist die Zusammenhanglosigkeit dieser Bilder, aber die Masse beachtet sie nicht und vermengt die Zusätze ihrer entstellenden Phantasie mit dem Ereignis. Die Masse ist unfähig, das Persönliche von dem Sachlichen zu unterscheiden. Sie nimmt die Bilder, die in ihrem Bewußtsein auftauchen und sehr oft nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der beobachteten Tatsache haben, für Wirklichkeit.

      Die Entstellungen, mit denen eine Masse ein Ereignis umformt, dessen Zeuge sie gewesen ist, scheinen unzählig und von verschiedener Art zu sein, da die Menschen, aus denen die Masse besteht, von sehr verschiedenem Temperament sind. Aber so ist es nicht. Infolge der Übertragung sind die Entstellungen durch die einzelnen einer Gemeinschaft alle von gleicher Art und gleichem Wesen. Die erste Entstellung, die ein Glied der Gesamtheit vorbringt, formt den Kern des ansteckenden Einflusses. Bevor der heilige Georg allen Kreuzfahrern auf den Mauern von Jerusalem erschien, war er sicher zuerst nur von einem von ihnen wahrgenommen worden. Durch Beeinflussung und Übertragung wurde das gemeldete Wunder sofort von allen angenommen.

      So vollzieht sich der Vorgang von Kollektivhalluzinationen, die in der Geschichte so häufig sind und alle klassischen Merkmale der Echtheit zu haben scheinen, da es sich hier um Erscheinungen handelt, die von Tausenden von Menschen festgestellt wurden.

      Die geistige Beschaffenheit der einzelnen, aus denen die Masse besteht, widerspricht nicht diesem Grundsatz. Denn diese Eigenschaften sind bedeutungslos. In dem Augenblick, da sie zu einer Masse gehören, werden der Ungebildete und der Gelehrte gleich unfähig zur Beobachtung.

      Diese Behauptung mag widersinnig klingen. Um sie zu beweisen, müßte man auf eine große Anzahl historischer Tatsachen zurückgreifen, und dazu würden mehrere Bände nicht genügen.

      Da ich aber den Leser doch nicht unter dem Eindruck unbewiesener Behauptungen lassen möchte, so will ich einige Beispiele anführen, die ich auf gut Glück aus der großen Anzahl, die man zitieren könnte, herausgreife.

      BEISPIELE VON KOLLEKTIVHALLUZINATIONEN

      Der folgende Fall wurde gewählt, weil er besonders allgemeingültig für Kollektivhalluzinationen ist. Er wirkte sich auf eine Menge aus, die aus den verschiedensten einzelnen — unwissenden und gebildeten — bestand. Er wird von dem Schiffsleutnant Julien Felix in seinem Buch über die Meeresströmungen nebenher berichtet und ist auch in die "Revue Scientifique" aufgenommen worden.

      Die Fregatte "La Belle-Poule" kreuzte auf See, um die Korvette "Le Berceau" wiederzufinden, von der sie durch einen heftigen Orkan getrennt worden war. Es war am hellen, lichten Tage. Plötzlich signalisiert die Wache ein Schiff in Seenot. Die Mannschaft richtet ihre Blicke auf die bezeichnete Stelle, und alle, Offiziere und Matrosen, sehen deutlich ein menschenbeladenes Wrack, welches von kleinen Fahrzeugen, auf denen Notsignale flatterten, geschleppt wurde. Admiral Desfossés ließ ein Boot bemannen, um den Schiffbrüchigen zu Hilfe zu eilen. Während sie sich näherten, sahen die im Boot befindlichen Matrosen und Offiziere "Massen von Menschen sich hin und her bewegen, die Hände ausstrecken und vernahmen den dumpfen und verworrenen Lärm einer großen Anzahl Stimmen." Als das Boot angekommen war, fand man nichts weiter vor als einige mit Blättern bedeckte Baumäste, die sich von der benachbarten Küste losgerissen hatten. Vor einem so handgreiflichen Beweis schwindet die Täuschung.

      Dies Beispiel enthüllt ganz klar den Verlauf der Kollektivtäuschungen, wie wir ihn beschrieben haben. Auf der einen Seite eine Masse im Zustand gespannter Aufmerksamkeit; auf der andern eine Suggestion, die von der Wache ausgeht, die ein schiffbrüchiges Fahrzeug auf dem Meer signalisiert, eine Suggestion, die durch Übertragung von allen Anwesenden, Offizieren wie Matrosen, aufgenommen wird.

      Eine Masse braucht nicht zahlreich zu sein, um die Fähigkeit richtigen Sehens zu verlieren und die wirklichen Tatsachen durch davon abweichende Täuschungen zu ersetzen. Die Versammlung einiger einzelner bildet eine Masse; und selbst wenn es hervorragende Gelehrte wären, so würden sie doch alle für die Dinge, die außerhalb ihres Faches liegen, die Massenkennzeichen annehmen. Das Beobachtungsvermögen und der kritische Geist eines jeden von ihnen schwinden sofort.

      Ein scharfsinniger Psychologe, Davey, liefert uns dafür ein

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