Erzählungen und Fragmente. Лев Толстой

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Erzählungen und Fragmente - Лев Толстой

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Schuster.

      Semjon nähte sich einen Papierstreifen, etwa eine halbe Elle lang, glättete ihn, kniete nieder, wischte die Hände ordentlich an seiner Schürze ab, um den Strumpf des Herrn nicht schmutzig zu machen, und begann Maß zu nehmen. Er maß erst die Sohle, dann das Blatt, dann wollte er die Wade messen, doch da reicht der Papierstreifen nicht aus. Der Fuß ist in der Wade so dick wie ein Balken.

      »Paß' auf, daß du den Stiefelschaft nicht zu eng machst.«

      Semjon näht noch ein Papier an den Streifen an. Der Herr sitzt unterdessen da, bewegt die Zehen im Strumpf und betrachtet die Leute im Zimmer. Da bemerkt er Michael.

      »Wer ist denn der da?«

      »Das ist ja mein Werkmeister, der wird auch die Stiefel nähen.«

      »Also paß' auf,« sagt der Herr zu Michael, »vergiß nicht, daß die Stiefel ein Jahr lang halten müssen.«

      Auch Semjon blickt Michael an; da sieht er, daß Michael den Herrn gar nicht anschaut, sondern den Blick in die Ecke hinter dem Herrn heftet, als wenn er dort jemand sehe. Er schaut und schaut und plötzlich – lächelt er und sein ganzes Gesicht erhellt sich.

      »Was grinst du denn, Dummkopf? Paß' lieber auf, daß die Stiefel zur Zeit fertig sind.«

      Und Michael antwortet: »Sie werden gerade zur Zeit fertig sein.«

      »Na also!«

      Der Herr zog seinen Stiefel und den Pelz wieder an, hüllte sich tüchtig ein und ging zur Tür. Er vergaß aber, sich zu bücken, und stieß mit dem Kopf an den Türbalken. Schimpfend rieb er sich den Kopf, stieg in den Schlitten und fuhr davon. Als er fort war, sagte Semjon:

      »Der ist hart wie Kieselstein. Hat mit dem Kopf fast den Balken krumm gebogen und merkt das kaum.«

      Matrjona aber spricht: »Bei solchem Leben, wie soll man da nicht kräftig sein! So einen Klotz wird auch der Tod nicht bezwingen.«

       VII.

      Und Semjon sagt zu Michael:

      »Übernommen haben wir die Arbeit, wenn's nur kein Malheur gibt. Das Leder ist teuer und der Herr böse, – wenn wir nur keinen Fehler machen. Weißt du, du hast ein schärferes Auge und auch mehr Geschicklichkeit in den Händen als ich; da hast du das Maß, schneide du das Leder zu, ich werde unterdessen an den Kappen weiter arbeiten.«

      Michael gehorchte, nahm das Leder, das der Herr gebracht hatte, breitete es auf dem Tisch aus, legte es doppelt zusammen, ergriff das Messer und begann zuzuschneiden. Matrjona kam herzu. Sie sieht, wie Michael schneidet, und wundert sich, was er da eigentlich macht. Sie kennt doch die Schusterarbeit schon, schaut hin und sieht, daß Michael das Leder nicht zu Stiefeln schneidet, sondern eher zu Pantoffeln.

      Matrjona wollte es sagen, dachte sich aber: »Wahrscheinlich habe ich nicht verstanden, was für Stiefel der Herr bestellt hat. Michael weiß es jedenfalls bester, ich werde mich nicht hineinmischen.«

      Michael schnitt das Paar zu, nahm das Ende und fing an zu nähen, aber nicht wie man Stiefel näht, mit zwei Fäden, sondern nur mit einem Faden, wie man Schuhe näht, die auf bloßem Fuß getragen werden. Wieder wunderte sich Matrjona, wollte sich aber nicht einmischen.

      Und Michael näht und näht. Die Vesperzeit kommt heran: Semjon steht auf und sieht, Michael hat aus dem Leder des Herrn statt der Stiefel – niedrige Schuhe genäht. Semjon stöhnt auf. »Wie,« denkt er, »ein ganzes Jahr lebt Michael schon bei mir und hat sich noch nie irgendwie geirrt, und jetzt richtet er mir so ein Unheil an! Der Herr hat Schaftstiefel mit Randsohlen bestellt, er aber näht Schuhe ohne Sohlen und hat das ganze Leder verdorben. Wie werde ich mich nun mit dem Herrn auseinandersetzen? Eine solche Ware finde ich ja nirgends.«

      Und er spricht zu Michael: »Aber lieber Freund, was hast du denn da gemacht? du bringst mich ja um! Der Herr hat doch Stiefel bestellt, und was hast du genäht?«

      Kaum hat er angefangen, Michael zu schelten, da klopft es an die Tür. Sie sehen zum Fenster hinaus: ein Reiter ist da, bindet gerade sein Pferd an. Sie öffnen. Derselbe Bursche tritt herein, der mit dem Herrn da war.

      Guten Tag.«

      »Guten Tag. Was gibt's?«

      »Die Herrin schickt mich her wegen der Stiefel.«

      »Was ist's mit den Stiefeln?«

      »Was es ist? Der Herr braucht keine Stiefel mehr, er wünscht euch ein langes Leben.«

      »Was sagst du?«

      »Er ist von euch gar nicht lebend nach Hause gekommen. Ist im Schlitten gestorben. Als wir zu Hause vorfuhren und ihm aus dem Schlitten helfen wollten, da lag er schon wie ein Sack; tot lag er da und war bereits erstarrt. Wir konnten ihn nur mit Mühe aus dem Schlitten heben. Daher schickt mich die Herrin her. Sage dem Schuster, so befahl sie mir, es ist eben ein Herr bei euch gewesen, hat Stiefel bestellt und Leder dagelassen. Sage, die Stiefel sind nicht mehr nötig, aber Leichenschuhe sollen schnell aus dem Leder genäht werden. Warte, bis sie fertig sind, und bring sie gleich mit. So bin ich denn hergeritten.«

      Michael nahm vom Tisch die Lederreste, rollte sie zusammen, nahm auch die fertigen Leichenschuhe, schlug einen an den andern, wischte sie mit der Schürze ab und reichte sie dem Burschen. Der Bursche nahm die Schuhe.

      »Lebt wohl, Meister.«

      »Guten Tag.«

       VIII.

      Es verging noch ein Jahr und auch ein zweites. Jetzt lebt Michael schon das sechste Jahr bei Semjon. Er lebt nach alter Art, geht nicht aus, spricht kein unnützes Wort und hat die ganze Zeit nur zweimal gelächelt: das erste Mal damals, als die Frau ihm das Nachtmahl reichte, das zweite Mal, als der Herr die Stiefel bestellte. Semjon kann sich nicht genug freuen über seinen Gesellen. Er fragt ihn auch nicht weiter, woher er sei. Er fürchtet nur das Eine, daß Michael am Ende von ihm fortgehen werde.

      Eines Tages sitzen sie daheim. Die Hausfrau stellt die eisernen Töpfe in den Ofen, die Kinder laufen auf der Wandbank herum und schauen zum Fenster hinaus. Semjon hämmert an dem einen Fenster, Michael sitzt an dem andern und befestigt gerade einen Absatz.

      Der Knabe lief über die Bank zu Michael hin, stützte sich auf seine Schulter und sah zum Fenster hinaus.

      »Onkel Michael, sieh' mal, die Kaufmannsfrau mit den Mädels da, kommt die nicht zu uns? Eines der Mädchen hinkt.«

      Kaum hatte der Knabe das gesagt, als Michael die Arbeit hinwarf, sich zum Fenster wandte und auf die Straße blickte.

      Semjon wunderte sich. Sonst schaut Michael doch niemals auf die Straße hinaus. Jetzt aber hat er das Gesicht an die Scheiben gedrückt und starrt auf etwas hin. Auch Semjon blickt hinaus und sieht, es kommt in der Tat eine Frau auf sein Haus zu, ist nett angezogen und führt an jeder Hand ein kleines Mädchen, in Pelzchen und gewirkte Tücher gehüllt. Die Mädchen gleichen sich wie ein Ei dem andern; man kann sie kaum unterscheiden. Das eine aber hinkt auf dem linken Fuß.

      Die Frau kam die Treppe herauf in den Flur, tastete nach der Tür, drückte auf die Klinke und öffnete. Die beiden Mädchen ließ sie vorangehen und betrat dann selbst die Stube.

      »Guten Tag, Meister und

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