Flarrow, der Chief – Teil 3. Lothar Rüdiger
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Am nächsten Tag kam die Reiseorder. Auslaufen nach Walvis Bay; Laden von deutschen Vollfrostern für Cuxhaven oder Bremerhaven auf eigene Rechnung; Bunkern in Dakar. Das war Beschäftigung für das Schiff für die nächsten zwei Monate. Der Arbeitsplan Flarrows sah nun weitere Instandsetzungen der Maschinenanlage vor, die sich an der Ankunftszeit in Deutschland orientierten. Weil dort die Klasse erneuert werden musste, hatten die Klassearbeiten erledigt zu sein.
An einem Freitag Ende Juni gingen sie mit dem leeren Schiff in See. Bis Dakar hielt sich das Sommerwetter, die See war angenehm, und deshalb kamen auch die Instandsetzungsarbeiten, die hauptsächlich von den Ingenieuren während ihrer Wachen ausgeführt wurden, gut voran. Flarrow werkelte in der Kühlmaschine, der Zweite hatte den Haupt- und Hilfsbetrieb, und der Dritte kümmerte sich um seine Dieselaggregate. Der E-Assistent arbeitete inzwischen selbständig. Kurz, das Betriebsklima hatte sich erheblich verbessert. Und das galt nicht nur für die Maschinencrew, sondern für die gesamte Besatzung.
In Dakar hatten sich die Verhältnisse nicht geändert, da sie aber möglichst viel bunkern wollten, um die Seeeigenschaften des leeren Schiffes zu verbessern, wurde es am Ende ziemlich kitzlig. Trotzdem ging alles gut, und danach begann wieder einmal der Kampf gegen Südostpassat und Benguela Strom. Nach Süden, vom Sommer also in den Frühling.
Nach einer störungsfreien Überfahrt ging „HILDEGARD“ an einem Vormittag an dem wartenden Hecktrawler „TÜBINGEN“ der NORDSEE DEUTSCHE HOCHSEEFISCHEREI GmbH längsseits. Der brandneue Vollfroster war sehr gut in Farbe, als ob er gerade seine erste Fangreise gemacht hätte, und auf seiner Brücke stand ein Mann, der eine blaue Uniform mit vier Streifen trug. „Ein Fischdampferkapitän in Uniform“, murmelte der staunende Flarrow, der beim Anlegen neuerdings auf der Brücke aushalf. Auch der Alte konnte das kaum fassen. Aber das, was sie da vor sich hatten, war eben kein Fischdampfer aus den fünfziger Jahren, sondern eher ein moderner Produktionsbetrieb. Und weil die Reederei Wert auf einen guten Eindruck ihrer Flotte im Ausland legte, trugen die Offiziere die gestellten Uniformen. Der Hamburg-Süd-Agent war von Kapstadt herüber gekommen und bestätigte als Zielhafen Bremerhaven. Flarrow brauchte einen Surveyor vom Germanischen Lloyd für die Hauptmaschine. Frischproviant und Frischwasser wurden geordert.
Dann kam die Einladung des Kapitäns von der „TÜBINGEN“. Die NORDSEE war eine „feine“ Reederei, der Lloyd unter den Reedereien der Hochseefischerei gewissermaßen, das war bekannt. Trotzdem staunte Flarrow über die komfortable moderne Ausstattung des Wohnbereichs. Dieses Schiff würde ja bis zu hundertfünfzig Tagen auf See bleiben, weil es eben seinen Fang vollständig verarbeiten konnte, und das hatte man offensichtlich beim Bau berücksichtigt. Außerdem war alles sehr geräumig, weil das Schiff immerhin fast siebzig Meter lang war, gab es ausreichend Raum.
„Sie haben ja wieder erwachsene Matrosen, offensichtlich werden die Zeiten wieder besser“, wurde der Alte auf der „TÜBINGEN“ begrüßt. Der zeigte aber auf Flarrow und sagte: „Wir lassen uns manchmal von der Maschine aushelfen, einfach zu wenig Leute.“ Darüber lachten zwar alle, aber der Alte hatte Recht. Beim Anlegen hatte er keinen Rudergänger auf der Brücke, weil die komplette Decksbesatzung beim Festmachen benötigt wurde.
Der Kollege von der „TÜBINGEN“ fragte Flarrow, ob der sich mal seinen Laden ansehen wollte, und so verschwanden sie in der Maschine, die einen voll gekapselten Fahrstand hatte und jede Menge Elektronik dazu. Interessant auch die Filetiermaschinen und die Schnellfrostanlage, die mühelos minus dreißig Grad schaffte. Im Fischraum lägen die Temperaturen dann so um minus siebenundzwanzig Grad.
Als sie zurück in die Offiziersmesse kamen, war auch der Surveyor eingetroffen und Flarrow konnte mit ihm die fälligen Inspektionen, die er in Walvis Bay erledigen wollte, absprechen. Der Erste vereinbarte mit dem Ersten Steuermann der „TÜBINGEN“ die Übernahme der Ladung. Es würde wenig Hilfe von Land geben, und die Winden müssten auf jeden Fall von den Besatzungen bedient werden. Rund sechshundert Tonnen Filet hatte die Tübingen abzugeben.
Irgendwann schweifte das Gespräch ab und man kam auf die Situation des Landes hinsichtlich der farbigen Bevölkerung zu sprechen. Der anwesende Metzger, der den Frischproviant liefern würde, meinte, dass in Europa niemand die Apartheid verstünde. „Sie werden sie veronanieren“, sagte er, aber hier hätte jeder seine Winchester im Schrank, da hätte man keine Bange vor den Schwarzen. Schließlich lud der Metzger zu einer Landpartie ins benachbarte ehemalige Deutsch-Südwest ein. Da der neue Zweite seinen Job verstand, sah Flarrow keinen Grund nicht mit zu fahren.
Walvis Bay gehörte nämlich 1967 zur Südafrikanischen Union. Der einzige Tiefwasserhafen an der Westküste, von Diaz 1478 entdeckt, und von der VOC genutzt, wurde aus strategischen Gründen bald von den Briten annektiert und 1910 Mitglied der Südafrikanischen Union.
Nach der Kapitulation der deutschen Schutztruppen übernahm Südafrika die Mandatschaft über Südwestafrika, der Walvis Bay angegliedert wurde. Erst 1994 wurde die Enklave an Namibia zurückgegeben.
Mit der Eisenbahn direkt am Strand entlang von Walvish Bay nach Swakopmund
Am nächsten Morgen versammelte sich die Herrenpartie. Mit der Eisenbahn, die zwischen Walvis Bay und Windhoek verkehrte, fuhr man ins vierzig Kilometer entfernte Swakopmund.
Die Stadt konnte die Herkunft ihrer Erbauer aus dem kaiserlichen Deutschland nicht leugnen. Nicht nur wegen der Kaiser-Wilhelm-Straße, der Bismarck- und der Woermannstraße. Alles hier war sprichwörtlich sauber wie zu Hause; es gab ein Gasthaus, den Krug zum Grünen Kranz und ein Marineehrenmal zum Gedenken an die Gefallenen des Marine-Expeditionskorps während der Herero- und Namaaufstände von 1904 bis 1907. Die Stadt schlummerte dahin. Die Reste eines eisernen Landungssteges, der dreihundert Meter ins Meer hinaus ragte, erinnerten an die Zeit als deutsche Kolonie. Er sollte einmal über sechshundert Meter lang werden, damit große Schiffe dort anlegen konnten; die Woermann-Linie versorgte ja bekanntlich die Kolonie mit allem was gebraucht wurde. Die Mündung des Swakop war eine seichte ungeschützte Bucht. 1862 vom kaiserlichen Kanonenboot „WOLF“ in Besitz genommen, wartete das Land bis 1892, ehe die ersten vierzig deutschen Siedler in Begleitung von einhundertzwanzig Soldaten der Schutztruppe an Land gingen.
Da Walvis Bay von den Briten besetzt war, wurde das für die Versorgung der Kolonie sehr ungünstig gelegene Swakopmund als Versorgungshafen dringend gebraucht. Nach der Kapitulation der deutschen Schutztruppen 1915, bauten die Südafrikaner Walvis Bay aus und schlossen Swakopmund, das in einen Dornröschenschlaf fiel.
Der Metzger führte die Gruppe durch die anheimelnde Stadt und erklärte dies und das. Beeindruckend die Gebäude: Altes Amtsgericht, Woermannhaus und das Kaiserliche Bezirksgericht. Im Gasthaus gab es am frühen Nachmittag deftige deutsche Küche, und als man dann Kaffee und Schwarzwälder Kirschtorte endlich hinter sich hatte, wurde es Zeit, sich die Beine zu vertreten