Flarrow, der Chief – Teil 3. Lothar Rüdiger

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Flarrow, der Chief – Teil 3 - Lothar Rüdiger

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schon tief stehende Sonne golden flimmern ließ.

      Dann wurde es Zeit, den Bahnhof anzusteuern, der 1901 gebaut, damals auch Sitz der Kaiserlichen Eisenbahnverwaltung war. Der Zug brachte sie alle wieder zurück zu den Schiffen und beendete einen eindrucksvollen Tag.

      Am nächsten Morgen inspizierte der Surveyor die Hauptmaschine. Über den guten Zustand der Anlage zeigte er Erstaunen und sagte das auch. Flarrow war stolz und froh, dass nun alle wichtigen Klassearbeiten am Hauptmotor erledigt waren. Laut GL war alles im Lot. „As fare as could be seen“, sagte der Zweite und zitierte damit einen berühmten Satz der Surveyor von Lloyds Register, London.

      Nach drei Tagen waren fast sechshundert Tonnen Fisch umgeschlagen, und die „TÜBINGEN“ lief zu einer neuen Fangreise aus. Ihr Kapitän hatte gesagt, es käme darauf an, wie lange die Besatzung das mitmachen würde. Also, noch eine oder zwei Fangreisen, ehe es zurück nach Bremerhaven ging, das war für die „TÜBINGEN“ die Frage.

      Nun galt es, auf das nächste Schiff zu warten, das erst am nächsten Abend einlaufen sollte. „HILDEGARD“ war inzwischen an die Pier gegangen, hatte Frischwasser und Proviant übernommen, der wirklich lobenswert war. Besonders die Frischwurst des Metzgers aus Swakopmund schmeckte wie zu Hause!

      Am nächsten Abend lief ein Seitenfänger der HANSEATISCHEN HOCHSEEFISCHEREI GmbH ein. Diese Reederei hatte wohl die Entwicklung zum Heckfänger verschlafen. Deshalb musste auf diesem Schiff das Netz immer noch Hand über Hand eingeholt werden. Es war auch nicht so groß, wie die „TÜBINGEN“, weshalb das Leben auf engem Raum bestimmt sehr stressig war. Ein rostiger Rumpf zeugte von langer Einsatzzeit und schweren Tagen auf den Fangplätzen. Der größte Unterschied zur „TÜBINGEN“ war jedoch die Besatzung. Während die Leute von der „TÜBINGEN“ sich sofort mit der Besatzung der „HILDEGARD“ verstand und sich gegenseitig besuchte, waren die Leute des Seitenfängers stumm und schweigsam. Auch die Schiffsleitungen wechselten nur die notwendigsten Worte. Es gab keine Einladungen, und die von der „HILDEGARD“ ausgesprochenen wurden nicht angenommen. Das war eben das Verhalten einer gestressten Besatzung, die reif war zur Ablösung. Die Arbeit auf einem Seitenfänger war eben um vieles härter als auf den viel effizienteren Heckfängern. Da deshalb auch die Fangergebnisse schlechter waren, wurde auch weniger verdient. Gute Leute waren natürlich rar und deshalb für solche Schiffe nicht zu bekommen.

      Walvis Bay war auch lange ein Stützpunkt der Walfänger gewesen, als der Walfang noch mit Segelschiffen betrieben wurde. Wenn man den geschäftigen Hafen, den auch viele japanische Thunfischer anliefen, hinter sich ließ, erreichte man eine Siedlung mit eher dörflichem Ambiente. Die ehemaligen Häuschen der Walfänger, die hier überwinterten oder sesshaft geworden waren, konnte man noch an den riesigen Kieferknochen von Blauwalen erkennen, die als Torbögen verwendet wurden. Viel war nicht los in diesem Städtchen. Ein kleines Museum, ein paar Pubs und die Wüste Namib. In Erinnerung blieb eine Holztafel, die im Museum hing und verkündete, dass alle weiblichen Personen, die nach acht Uhr p. m. auf der Straße angetroffen wurden, vergewaltigt werden durften. Das waren wirklich wilde Zeiten, damals, als segelnde Walfänger noch drei Jahre benötigten, um ihre Tranfässer zu füllen.

      Als „HILDEGARD“ an einem Nachmittag in See ging, war sie voll abgeladen. Man hatte bis in das Lukensüll hinein gestaut. In diesem Zustand benahm sich „Beulen-HILDE“ wie ein großer Frachter, der sich träge im Seegang wälzte. Während Walvis Bay hinter der Kimm versank, drehte der Westwind immer mehr nach Süden und fiel schließlich von achtern ein. Und „HILDEGARD“ lief locker ihre zwölf bis dreizehn Knoten über Grund. Trotzdem würde es noch fünfundzwanzig Tage dauern, bis sie den Leuchtturm Roter Sand in der Wesermündung sehen würden.

      Es lief gut, sogar in Dakar, wo Flarrow Schneepflüge aus dem Ural am Rand des Hafenbeckens entdeckte. War das vielleicht Wirtschaftshilfe á la UdSSR?

      Die Reise ging weiter, und alle freuten sich auf Deutschland, das sie nun über sechs Monate lang nicht gesehen hatten, der Alte besonders. Wenn es auch zu einem Besuch in Itzehoe nicht reichen würde, seine Frau und die Tochter würden sich an Bord sehen lassen.

      Die See spielte weiter mit, das Wetter war sommerlich. In der Biscaya nahm der Verkehr zu. Große Tanker, Erzfrachter, schnelle Bananenjäger beachteten den Kümo „HILDEGARD“ kaum, rauschten vorbei. Ein Autotransporter, der von der US-Ostküste kam, lief langsamer. Er hatte entweder Zeit oder Probleme mit seiner Maschine. Er konnte viertausend PKW laden, ein Riesenschiff, welches von allen an Bord entsprechend bestaunt wurde. Im Kanal begann ein gründliches Rein-Schiff, man musste doch mit einem sauberen Dampfer einlaufen.

      Texel Radio meldete sich, und Hamburg informierte über eine geplante Werftzeit, die für das Schiff völlig überraschend kam und in Bremerhaven durchgeführt werden sollte. Nun musste schnell noch eine Werftliste produziert werden, die bis zum Einlaufen fertig zu sein hatte.

      An einem Mittwochabend nahmen sie den Weserlotsen an, und es wurde Nacht, bis sie durch die Doppelschleuse gingen und im Fischereihafen I festmachten.

      Am Pier standen nicht nur die Familien, Verwandten, Freundinnen und Freunde, sondern auch die halbe Nautisch-Technische Abteilung aus Hamburg, die nach der Einklarierung sofort den Salon belegte und nur eine Frage hatte: „Wie kalt ist der Fisch?“ Flarrow konnte alle beruhigen, und gerade, als der Inspektor nach der Liste der Werftarbeiten fragte, wurde die Tür aufgerissen und der zuständige Veterinär, der die Einfuhrgenehmigung für die Ladung zu erteilen hatte, erschien im weißen Kittel und dröhnte los: „Was ist denn hier los? Ich kenne dieses Schiff doch. Immer gab es Schwierigkeiten mit den Temperaturen, und jetzt messen wir minus sechsundzwanzig Grad in den oberen Lagen und das im Sommer!“ – „Weiter unten werden es siebenundzwanzig bis achtundzwanzig Grad werden. Stört Sie das etwa?“, fragte Flarrow zurück und bemerkte die Erleichterung beim Chef der NTA und den Inspektoren.

      Während der Veterinär immer noch kopfschüttelnd die erforderlichen Papiere ausfüllte und abzeichnete, nahm der Technische Direktor Flarrow beiseite und sagte: „Gut gemacht haben Sie das, sehr gut gemacht. Bereiten Sie hier Ihre Übergabe vor, wir haben Sie für die „POLARSTERN“ vorgesehen, die Sie in gut einer Woche übernehmen sollen. Wir sehen uns dann noch auf dem Büro. Die „POLARSTERN“ liegt bei MAN Hamburg in der Werft.“

      Damit ließ er Flarrow stehen, denn nun hatten es alle eilig, zu ihrem Bus zu kommen, der sie nach Hamburg zurückbringen sollte.

      Als Ruhe eingekehrt war, ging Flarrow auf die Brücke. In der Nock begann er zu begreifen, was wirklich geschehen war. Heute Abend war es um die „HILDEGARD“ gegangen, konnte man sie weiter beschäftigen? Die Frachtabteilung hatte Druck gemacht, und deshalb hatte der gesamte Stab und nicht nur ein Inspektor, auf das Ergebnis der Reise gewartet!

      Die Stille lenkte ab und brachte ihn auf andere Gedanken. Vor ihm lag das Hafenbecken, wo sich nichts regte. Auf der anderen Seite des Beckens lagen ein paar Fischkutter und ein stillgelegter Fischdampfer, noch mit Dampfantrieb. Weiter hinten in Richtung Doppelschleuse zwei große Seitentrawler, die wohl morgen auslaufen würden. Hinter den Schuppen erhob sich die Helling der SEEBECK-WERFT, auf der keine Nachtschicht gefahren wurde. Lautlosigkeit um ihn herum und über ihm kein Stern.

      Aber er war zu Hause, in einem heimatlichen Hafen. Eine Reise war zu Ende gegangen. Sie war ein Erfolg, denn das Schiff würde weiter beschäftigt werden, und an diesem Erfolg hatte er den Löwenanteil. „Nicht schlecht“, sagte sich Flarrow und war sehr stolz auf sich, vor allem weil er nun die „POLARSTERN“ bekommen sollte, das Modernste und Schnellste, was die Reederei zu bieten hatte. Sein Einsatz hatte sich ausgezahlt, und er empfand das als eine überaus gerechtfertigte Anerkennung.

      Es wurde Zeit für die Koje. Da mit der Frühschicht Löschbeginn war, würde es nur eine kurze Bauernnacht werden.

      Am nächsten Tag war viel Betrieb. Jan war auf seiner Sauftour,

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