Der Agentenjäger. Peter Schmidt

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Der Agentenjäger - Peter Schmidt

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würden Sie wegen ihres blonden Haars für einen Russen gehalten.»

      «Ich wüsste nicht, dass meine Haarfarbe für Kommunisten besonders typisch wäre?»

      Sie schien einen Augenblick zu erstarren, seine harmlos gemeinte Antwort veränderte ihren Gesichtsausdruck so krass und unerwartet, dass Faber sich etwas vorbeugte, damit etwas mehr Licht von der Wandlampe auf ihr Gesicht fiel. Aber sie hatte sich schon wieder gefangen.

      «Diese einfachen Leute machen keinen Unterschied zwischen Skandinaviern und Russen. Es wäre wohl auch etwas zuviel verlangt, die meisten von ihnen haben noch nie eine Landkarte gesehen.»

      «Vielleicht sollte ich telefonieren», sagte Faber missmutig. «Mit dem Botschafter.»

      Sie aßen schweigend. Das einzig wirklich Genießbare, fand er, waren die heißen Pfirsiche mit Eis. Dosenpfirsiche, aber immerhin. Er beglückwünschte sich noch im Nachhinein, dass er nicht darauf verzichtet hatte. Seine Körpergröße verlangte nach ausreichend Kalorien.

      Darin glich er seinem übergelaufenen Kollegen Tiedge, der in keinen Anzug von der Stange passte. Angeblich fraß er bei festlichen Veranstaltungen regelrechte Schneisen ins kalte Büfett.

      «Weil Sie niemand in Ihrer Nähe dulden?», fragte sie. «Oder weil es Sie stört, dass Ihnen jemand nachläuft?»

      «So ungefähr.»

      «Sie werden noch froh über meine Begleitung sein.»

      «Kann ich mir schlecht vorstellen.»

      «Waren Sie jemals im Landesinnern?»

      «Das klingt ja, als gingen wir auf Expedition?»

      «Meiner Meinung nach sollten Sie Ihre Nachforschungen besser einstellen. Wie mir der Botschafter sagte, gehört es gar nicht zu Ihrem Auftrag. Ihre Vorgesetzten in Köln werden sehr ungehalten sein.»

      «Der Botschafter?»

      «Er gab mir den Auftrag. Er ist besorgt um Sie.»

      «Ich schlage mir nur die paar Tage bis zur Freigabe von Reubens Leiche um die Ohren. Und dabei versuche ich mir ein Bild über seine Arbeit hier in Guatemala zu machen, über seine wirklichen Absichten. Er kam wegen Goldstein her. Ich werde ihm einige Fragen dazu stellen. Das ist alles.»

      Sie schürzte die Lippen und betastete sie mit ihrem Zeigefinger, dessen Nagel perlmuttfarben lackiert war. «Wenn Sie nur auf die Freigabe seiner Leiche warten», sagte sie nachdenklich, «könnte ich das für Sie erledigen.»

      «Sieht ganz so aus, als wollten Sie mich loswerden?»

      «Und Sie mich ebenfalls!»

      «Na prächtig, dann sind wir uns ja einig. Ich schlage vor, dass wir uns bis zu meinem Rückflug aus dem Weg gehen.»

      Er stand auf, und sie folgte ihm in einigem Abstand zur Saaltür. Der Kellner kam eilig aus seinem Verschlag hinter den Lamellenwänden, die Rechnung mit ihren verschiedenartigen Durchschlägen wie einen welkenden Blumenstrauß in der Hand.

      «Geht alles zu Lasten des deutschen Botschafters», sagte Faber. «Einschließlich 15 Prozent Trinkgeld. Ich glaube, ich war von der Dame eingeladen.»

      Als er unmerklich den Kopf drehte, bemerkte er aus den Augenwinkeln, dass sie zahlte. Sie drückte dem Kellner eine größere Banknote in die Hand, ohne das Wechselgeld abzuwarten. Sie war Lea wirklich sehr ähnlich. «Nur noch etwas langbeiniger …», murmelte er mit einem Anflug von Selbstironie. «Ein Anblick, der mir bei der Arbeit gar nicht bekommt.»

      Selbst ihre Art, sich zu bewegen, war die gleiche. Manchmal hielt sie für Sekunden inne und legte den Kopf ein wenig schief, als erwarte sie irgendeine Lügengeschichte. Wie eine jüngere Schwester, genauso hartnäckig und verbissen!

      Wenn etwas an dieser Fluchthilfegeschichte dran war, wenn sie kein Vorwand war, um sie in Ostberliner Untersuchungshaft zu halten – Lea hätte eine ebenbürtige Helferin gefunden.

      Am Fuß der Treppe wandte er sich nach ihr um und versuchte seiner Stimme einen mürrischen Tonfall zu geben. «Verschwinden Sie …»

      «Wollen Sie mir den Weg verbieten?»

      Sie folgte ihm die Treppe hinauf.

      «Was werden Sie jetzt tun?», fragte sie an Fabers Zimmertür.

      «Mich betrinken. Ich werde mir eine Flasche aufs Zimmer bestellen und mich besaufen.»

      «Und massenweise Zigarillos rauchen?»

      «Sicher. Der Qualm würde Sie nur stören.»

      «Könnte ich Ihnen denn nicht … dabei helfen?»

      «Beim Trinken? Sind Sie dem Alkohol verfallen?»

      «Nein, Sie etwa?»

      «Wie man‘s nimmt. Die Jungs in den Diensten halten es alle mit dem Alkohol, heimlich oder ganz offen. Er ist wie ein verständnisvoller älterer Bruder für sie. Die Nerven, das unruhige Leben. Ohne Flasche sinkt ihre Leistung um ~o Prozent, deshalb achten sie immer auf Vorrat, auf ausreichenden Vorrat. Ausnahmslos alle, Tiedge, Reuben ... und auch ich», setzte er mit Nachdruck hinzu.

      «Tiedge …» Sie dachte nach. «War das nicht dieser Überläufer?

      Dieser große, kranke Agent mit den hohen Schulden, der nach Ost-

      Berlin ging, als er keinen Ausweg mehr sah? Einer der größten

      Spionageskandale seit dem Krieg? Und in Ihrer Abteilung?»

      «Kein Agent – Agentenjäger

      «Richtig. Das ist wohl ein ziemlich wichtiger Unterschied, nicht wahr?»

      Während der Blick ihrer etwas schräg stehenden Augen fragend auf seinem Gesicht ruhte, wurde ihm bewusst, dass er sich mit Tiedge und Reuben in eine Reihe gestellt hatte. Er hätte ebenso gut andere Namen nennen können. Es war ganz unbewusst passiert.

      Sie hatten wie er in der Abteilung IV für Spionageabwehr gearbeitet, und es machte ihn wütend, dass er diesen Umstand ohne zwingenden Grund preisgegeben hatte. Er schob ärgerlich über sich selbst die Tür auf, trat ein und drückte sie bis auf einen Spaltbreit zu.

      «Machen Sie, dass Sie wegkommen!»

      Corinna sah, überrascht von seinem barschen Ton, auf ihre Füße hinunter, die in Stöckelschuhen aus dünnen Wildlederriemen steckten. Sie schien ihren Fuß in den Türspalt schieben zu wollen; aber dann ließ sie es bleiben. Faber streckte das Schild DON‘T DISTURB hinaus und hängte es von außen an den Messingknauf. Er schloss die Tür.

      Am nächsten Morgen gab er sich zwar wie jemand, dem es nicht einmal eine Kopfbewegung wert war, um sie zwischen den wartenden Fahrgästen an der Busstation zu entdecken …

      Aber sein Blick wanderte von Zeit zu Zeit argwöhnisch – und aus alter Gewohnheit so gründlich, als versuche er sich jedes Gesicht für immer einzuprägen – über Körbe und Kisten und die Menge behuteter Köpfe. Zu seinen Füßen schlugen an den Beinen zusammengebundene

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