Der Agentenjäger. Peter Schmidt

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Der Agentenjäger - Peter Schmidt

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erinnerte mit seinen Baumwollshorts und unbehaarten rosigen Beinen, denen die starken UV-Strahlen anscheinend nichts anhaben konnten, eher an einen großen Jungen als an jenen so emsigen Gründer einer linksextremistischen westdeutschen Gruppe, der Anschluss an die internationale Bewegung der Antiimperialisten suchte …

      Wenn er Kontakt zu marxistischen Guerillagruppen knüpfen wollte, wie Reuben behauptet hatte, dann verstand er es glänzend, sich hinter der Maske des idealistischen Träumers zu verbergen.

      Er arbeitete seit fünf Monaten an einem Entwicklungshilfeplan, der sich Das vierte Brunnenprojekt nannte und fünf oder sechs wegen Trockenheit unfruchtbare Felder mit einem Viereck aus Röhren verband, von deren Ecken sternförmig Zuleitungen zu den Wasserspeichern liefen.

      Die Ingenieursleistung, wenn man es so nennen wollte, bestand hauptsächlich darin, den Höhenunterschied so auszunutzen, dass kaum Pumpen benötigt wurden.

      Je länger Faber sich mit Goldstein unterhielt, desto sicherer war er: Reuben mußte einer dummen Täuschung aufgesessen sein.

      Sie standen im Schatten eines Wellblechdachs, das auf vier krummen Ästen ruhte. Von ihrem erhöhten Standpunkt aus konnte man den Verlauf der Wasserröhren sehen. Goldstein war groß und hager, er ging etwas vorgebeugt, die knochigen Schultern nach innen geschoben, als drohe er jeden Moment wie ein Taschenmesser zusammenzuklappen.

      Er sagte: «Wir brauchen eine lange Zeit des Friedens – und viel Eingebung von oben, um das Projekt zu Ende zu führen.»

      Sein Gesicht war leicht gerötet. Faber konnte nicht unterscheiden, ob vor Eifer oder von der Sonne.

      «Von oben?»

      «Von Gott.»

      «Sie als Marxist glauben an Gott?» Er hatte sich Goldstein gegenüber als westdeutscher Journalist ausgegeben, der Entwicklungshilfeprojekte besuchte, um in den heimischen Zeitungen über ihre Effektivität zu berichten.

      «Als Marxist? Wie kommen Sie darauf, ich sei Marxist?»

      Faber zog ein zerknittertes Stück Papier mit Notizen aus der Innentasche seiner karierten Jacke. «Das hat man mir in der Redaktion zur Vorbereitung meines Artikels gegeben ... hier steht‘s: Harald Goldstein, Gründer der ‚Stuttgarter Initiative zur Überwindung imperialistischer Ausbeutung’. 1983 stiegen Sie aktiv in die Friedensbewegung ein …»

      «Ah – jetzt verstehe ich», sagte Goldstein, und sein Gesicht verklärte sich auf so nachsichtig lächelnde Weise, dass es Faber an einen vergeistigten Engel erinnerte.

      «Verstehen? Was meinen Sie?»

      «Diese leidige Namensverwechslung. Es gibt in Stuttgart einen zweiten Harald Goldstein. Besser gesagt: es gab ihn. Er kam bei einem Autounfall ums Leben. Eine Zeit lang schickte man mir immer seine Strafmandate. Ehrlich gesagt, habe ich sogar den Verdacht, dass er mich dafür missbrauchte. Er war nicht gemeldet und wohnte bei einer Freundin.»

      «Darauf sollten wir uns erst mal einen genehmigen. Das ist ja eine Neuigkeit für meine Zeitung, alle Achtung. Sie haben doch was zu trinken da?», fragte Faber und zog eine der Blechtonnen an den provisorischen Tisch.

      «Maisbier, wenn es Ihnen nicht zu warm ist.»

      «Und Ihre Aufgabe hier?»

      «Die Organisation, meinen Sie? Es ist kein staatliches Projekt, sondern ein christliches. Ingenieure, die von der Evangelischen Kirche beauftragt wurden, haben das Röhrensystem entworfen. Im Prinzip arbeitet es wie ein Ansaugrohr. Sie erinnern sich? Wenn man Benzin mit einem gebogenen Schlauch aus dem Tank holen will? Ist das Wasser erst einmal zum Fließen gebracht, dann überwindet es Höhenunterschiede von allein – natürlich in Grenzen», fügte er hinzu. «Und zum Ansaugen braucht man elektrische Pumpen.»

      «Natürlich.» Faber musterte ihn wie ein Wesen aus einer fremden Welt.

      «Der Energieverbrauch ist verschwindend gering.»

      «Sie arbeiten also für die Evangelische Kirche? »

      «Genaugenommen arbeiten wir für uns – indem wir für den anderen arbeiten.»

      Faber spürte förmlich, dass er das Wort Seelenheil herunterschluckte, weil es in den Ohren eines Zeitungsreporters fragwürdig klingen mußte.

      «Da ist noch etwas, das mich interessieren würde …»

      «Ja?»

      «Haben Sie in den vergangenen Wochen irgendwann den Besuch eines Deutschen namens Reuben erhalten?»

      «Reuben?» Er dachte nach. «Ich glaube nicht – nein, da bin ich ganz sicher.»

      «Oder von anderen Deutschen?»

      «Hierher verirren sich nur selten Ausländer.»

      «Hat sich jemand auffallend für Sie interessiert?»

      «Auffallend – nein, wieso? Einheimische?»

      «Wer auch immer.»

      «Könnte ich nicht sagen.» Er schüttelte den Kopf.

      Faber nickte und strich sich durch das hellblonde Haar. Ein Insekt mit durchscheinenden Flügeln taumelte betäubt vom Rand seines Bierglases auf. Aus der Ferne erklang der Ton eines hochtourigen Motors. Als Faber sich erhob, sah er eine Staubwolke über den in

      Serpentinen angelegten Sandweg des Hangs heraufkommen.

      Es war ein Moped; Corinna saß auf seinem Rücksitz und schlang ihre Arme um den Bauch des Fahrers. Trotz der Hitze trug er schwarze Lederkleidung mit roten Absetzungen, die in dieser Umgebung wie die schlechte Kopie aus einem amerikanischen Film über Motorradbanden wirkte. Corinna küsste ihn nachdrücklich auf die Wange, als sie abstieg.

      Der Junge legte verlegen grüßend seine Hand an den Helm, wendete und knatterte folgsam über den Hügelkamm zurück.

      «Verdammter Lügner …», sagte sie und stellte sich mit in die Hüften gestützten Fäusten vor Faber hin. «Sie haben gesagt, wir würden um neun zusammen frühstücken. Und dann haben Sie sich schon um acht klammheimlich davongemacht.»

      «Wenn wir verlobt wären», meinte Faber, «dann wär‘s jetzt wohl ein Grund, die Beziehung zu lösen?»

      «Sie lassen mich allein mit dem Wirt zurück, diesem Möchtegern-Playboy! Während des Frühstücks hat er mich dreimal in sein Hinterzimmer eingeladen …»

      «Seine Hängematten sind gar nicht so übel.»

      «Machen Sie sich nur über mich lustig!»

      «Dafür, dass es so früh am Morgen war, ist Baredo noch ganz gut in Form.»

      «Er ließ mich beim Essen keine Sekunde aus den Augen – wie ein hungriger Wolf.»

      «Betrachten Sie‘s einfach als Kompliment.»

      Goldstein war mit seinen Konstruktionszeichnungen zu den Indios hinuntergegangen, In den tief ausgehobenen Rinnen bewegten sich ihre Strohhüte, als schwebten sie über dem Boden. Zwei andere waren im Schatten eines Abzweigrohrs aus

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