Der Wüstensklave. J. D. Möckli
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Читать онлайн книгу Der Wüstensklave - J. D. Möckli страница 4
Poniz zieht mit verkniffener Miene eine weitere Spritze auf, ehe er sich wieder voll und ganz auf seinen Pharao konzentriert. »Was für eine Verschwendung des guten Mittels!«, brummt er, als er wieder den Puls an Jamons Handgelenk misst. »Er ist immer noch viel zu hoch. Ich betäube ihn, dann schläft er den Flug durch.«
»Ach, für den Pharao habt Ihr Medikamente, aber für eine verängstigte junge Frau, die für ihr Kind da sein muss, wollt Ihr nichts tun«, zischt Hazem mit blitzenden Augen.
»Hoheit, sie ist eine einfache Sklavin. Sie sind es nicht wert, dass man ihnen teure Medikamente gibt. Ich verstehe nicht, warum Ihr darauf besteht, dass sie hier sitzt und ein Beruhigungsmittel bekommt«, erwidert Poniz, während er ein Betäubungsmittel in Jamons Ader spritzt.
Mit jedem Wort, dass der Mediziner sagt, werden Hazems Augen schmaler. »Das Kind würde die Reise unten im Laderaum nicht überleben und ich habe keine Lust, stundenlang ein Baby von seiner Mutter zu trennen. Sie hat sich um ihr Kind zu kümmern und das kann sie nur, wenn sie voll da ist und nicht vor Angst erstarrt.« Mit jedem Wort wird seine Stimme schärfer und ist am Ende so schneidend, dass nicht nur Poniz erblasst, sondern auch die Prinzessin lieber schweigt, während sie ihn mit großen Augen ungläubig anstarrt. Kalt sieht Hazem erst den Mediziner und dann die Prinzessin an. »Starrt mich nicht so an. Das ist reine Kausalität. Manchmal ist es einfach sinnvoll, etwas in einen Sklaven zu investieren, statt sich zum Beispiel die Arbeit mit einem Kind zu machen, das noch nicht ohne seine Mutter klarkommt.«
Poniz wendet seine Aufmerksamkeit lieber wieder seinem hochwohlgeborenen Patienten zu. Er stellt erleichtert fest, dass das Sedativum gewirkt hat und der junge Mann nun nicht nur schläft, sondern sich auch der rasende Puls wieder beruhigt hat. »Er dürfte jetzt bis kurz vor der Landung schlafen. Er sollte aber so schnell wie möglich eine Therapie machen, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden.« Mit einem leisen Ächzen richtet sich Poniz auf, schließt seine Arzttasche, holt eine Decke unter dem Sitz hervor, die er sorgfältig über den Pharao legt, und begibt sich wieder auf seinen Platz.
Prinzessin Helena räuspert sich und wendet ihre volle Aufmerksamkeit nun Seimon zu. »Hohepriester Marukosu, Ihr habt mich darum gebeten, Euch und Eure Begleiter aus dem japanischen Großreich zu schmuggeln. Ich möchte nun eine Erklärung haben.« Fest sieht sie den alten Mann an, der den Blick lächelnd erwidert.
»Prinzessin, die politische Lage im ägyptischen Großreich hat uns leider zu diesem Schritt gezwungen. Wie mein junger Schützling schon sagte, ist das hier der totgeglaubte Pharao Nesut-anch-Ra. Der amtierende Pharao darf noch nicht erfahren, dass er lebt. Da der Tennoh jedoch ein Verbündeter des amtierenden Pharaos ist, hätte er bei einer regulären Abreise sofort erfahren, dass sein Neffe noch lebt.« Ihren weiterhin fragenden Blick ignorierend, wendet er sich dem Fenster zu und blickt in die Nacht hinaus, die langsam heller wird. Er ist müde und so schließt er nach einem kurzen Blick zu Hazem, Jamon und Anna die Augen und schläft nur Minuten später tief und fest.
Amüsiert schüttelt Hazem den Kopf über seinen alten Mentor. »Ihr könnt auch überall schlafen«, murmelt er und breitet fürsorglich eine Decke über dem alten Mann aus. Dann verlangt er vom Personal eine Flasche Milch für das Baby. Mit eiskaltem Blick sieht er die Diener an, als sich diese die Frechheit erlauben, zu zögern. Kreidebleich stolpern sie daraufhin in Richtung Bordküche davon.
Als man ihm ein improvisiertes Nuckelfläschchen mit handwarmer Milch bringt, reicht er es Anna und erlaubt es sich endlich, sich ein wenig zu entspannen. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass die letzten Tage und Wochen auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen sind. In Gedanken versunken blickt er an seinem Cousin vorbei aus dem Fenster. Die Nacht ist schon sichtbar heller geworden. Leise seufzt er auf. Ihm ist bewusst, dass er eigentlich auch schlafen sollte, um bei ihrer Ankunft fit zu sein, aber etwas sagt ihm, dass er kein Auge zumachen wird.
Als die kleine Toshi fertig getrunken und ihr Bäuerchen gemacht hat, steht Anna auf und geht mit ihr auf die Toilette, um sie zu wickeln. Ihr Meister hat für die Kleine noch vor ihrer Abreise Windeln besorgen lassen, die sich einfacher anlegen lassen und die empfindliche Haut nicht mehr so stark reizen.
Als sie sich wieder auf ihren Platz setzt, wickelt sie Toshi so in ein Tragetuch, dass sie beide Hände frei hat. Todmüde lehnt sie sich zurück und bemerkt schon nicht mehr, wie sie und ihre Tochter fürsorglich zugedeckt werden.
»Eine kranke Sklavin kann ich nicht gebrauchen«, murrt Hazem, als er die Blicke der anderen bemerkt und setzt sich mit unergründlicher Miene wieder hin. Er kann Helena nicht ausstehen. Obwohl sie so alt wie Prinzessin Ciana ist, benimmt sie sich seiner Meinung nach viel zu oft wie ein verzogenes Kind.
Hazem lehnt sich zurück und starrt auf den Bildschirm seines Handys, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Die Bediensteten versorgen die Prinzessin und Poniz mit Decken und Nackenkissen, dann wird das Licht gedimmt. Bald ist Hazem neben den Bediensteten die einzige wache Person an Bord. Schließlich fallen ihm aber doch die Augen zu und er fällt in einen unruhigen Schlaf. Dass er von einem Diener zugedeckt wird, nimmt er nicht mehr wahr.
In rasender Geschwindigkeit fliegt das kleine Flugzeug in Richtung des römischen Großreiches. Der Himmel, der zuerst wieder heller geworden ist, wird nun von Regenwolken verdunkelt, die sich über dem Meer zu Gebirgen auftürmen.
Kapitel 2: Letzter Aufschrei
»Du hast ihn verlassen! Einfach im Stich gelassen! Du hast ihn verraten! Und unsere Familie!« Vorwurfsvoll sieht Yari sein Gegenüber an. Er ist wütend und würde am liebsten auf Jamon einschlagen, aber obwohl er ihn sehen kann, kann er ihn nicht berühren. Dieser ist noch dazu völlig ruhig, was Yari noch mehr auf die Palme bringt. »Mir ist die Welt egal! Ich will zurück zu Kai! Ich will bei ihm sein! Bei unserer Familie! Aber du, du denkst nur an dich!« Er will jedes seiner Worte mit einem Stoß gegen Jamons Brust unterstreichen, doch seine Hand fährt durch ihn hindurch. »Nun sieh mich endlich an!«
Endlich bewegt sich sein Gegenüber und hebt den Kopf. Dumpfe Augen, in denen jeder Glanz fehlt, sehen ihn an und lassen ihn einen Schritt zurückweichen. »Ich wollte auch nicht gehen. Es zerreißt nicht nur dir das Herz, sondern auch mir. Aber ich hatte keine Wahl. Es droht ein Krieg und Kai müsste dann als Kanonenfutter mitkämpfen. Das kann ich nicht zulassen! Ich muss ihn und Großvater beschützen, indem ich die ganze Welt beschütze!«
»Die Welt ist mir egal!«, schreit Yari auf und holt mit der geballten Faust aus …
Keuchend schreckt Jamon hoch und sieht sich verwirrt um. Er hört das Dröhnen der Turbinen, spürt das leichte Vibrieren unter seinen Händen und Füßen. Schwer atmend fährt er sich mit beiden Händen übers Gesicht und durch die Haare. »Ein Traum. Es war nur ein Traum«, murmelt er vor sich hin und lehnt sich wieder zurück. Erst jetzt registriert er die Decke, die auf seinem Schoss liegt und das Gefühl der kühlen Luft auf seinem Körper, die man nur so deutlich wahrnimmt, wenn man zuvor zugedeckt gewesen ist. Fröstelnd zieht er die Decke hoch und schlingt sie um sich. Seine Finger tasten nach dem kleinen Bernsteinphönix, den er seit Kais Rückkehr aus Wladiwostok trägt. Er spürt den von der Haut warmen Stein unter seinen Fingern und schluckt. Erst jetzt fällt ihm der Korb wieder ein, der neben seinem Platz auf dem Boden steht. Leise, um die anderen nicht zu wecken, hebt er ihn hoch und sieht hinein. »Großvater«, murmelt er erstickt,