Stolz und Vorurteil. Jane Austen
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Читать онлайн книгу Stolz und Vorurteil - Jane Austen страница 11
»Nein, aber nüchtern gesehen, setzt es ihre Aussichten, einen auch nur einigermaßen annehmbaren Mann zu bekommen, erheblich herab«, erwiderte Darcy.
Bingley antwortete nicht darauf; doch seine Schwestern stimmten Darcy eifrig bei und spannen dann das erheiternde Thema der Bennetschen Verwandtschaft noch eine ganze Weile aus.
Sie vergaßen jedoch darüber nicht ihre zärtlich empfundene Freundschaft zu ihrem Gast und machten Jane kurz vor dem Tee wieder einen kleinen Besuch. Es ging ihr immer noch nicht gut, und Elisabeth blieb bei ihr, bis sie endlich spät abends in einen ruhigen Schlaf fiel; erst dann entschloß sich Elisabeth, allerdings mehr aus Höflichkeit, wieder nach unten zu gehen, denn irgendein Vergnügen versprach sie sich nicht davon. Ihre Gastgeber waren beim Kartenspiel, und sie wurde sogleich aufgefordert, sich zu beteiligen. Sie lehnte es indessen ab, da sie fürchtete, es könne zu hoch gespielt werden, und bat, sich für die kurze Zeit, die sie ihre Schwester allein lassen wollte, mit einem Buch beschäftigen zu dürfen. Mr. Hurst blickte sie mit unverhohlenem Erstaunen an.
»Ziehen Sie etwa ein Buch einem Kartenspiel vor?« fragte er. »Wie merkwürdig!«
»Miss Bennet«, sagte Caroline, »mag die Karten nicht. Sie ist eine große Bücherfreundin und hat an etwas anderem keinen Spaß.«
»Ich weiß nicht, ob das ein Lob oder ein Tadel sein soll«, antwortete Elisabeth, »aber ich verdiene beides nicht. Ich bin kein Bücherwurm, und es gibt noch viele andere Dinge, die mir Vergnügen machen!«
»Sie werden gewiß eine große Befriedigung darin finden, Ihre Schwester zu pflegen«, sagte Bingley freundlich. »Ich hoffe nur, daß Sie auch bald die Freude haben werden, sie wieder gesund und wohlauf zu sehen.«
Elisabeth lächelte ihm dankbar zu und wandte sich dann zu einem Tisch, auf dem ein paar Bücher lagen. Bingley erbot sich sogleich, ihr weitere zu holen, seine Bibliothek stehe ihr ganz zur Verfügung.
»Ich wünschte, meine Sammlung wäre vollständiger; aber ich bin so faul, daß ich nicht einmal die wenigen, die sie enthält, alle gelesen habe.«
Elisabeth versicherte ihm, daß sie sehr wohl mit den Bänden auf dem Tisch auskommen könne.
»Merkwürdig«, sagte Caroline, »daß unser Vater uns nicht eine größere Bibliothek hinterlassen hat, so eine wie Ihre, Mr. Darcy, auf Pemberley, das ist wirklich eine großartige Sammlung!«
»Kein Wunder!« erwiderte er, »da ja Generationen sich an dem Sammeln und Zusammentragen beteiligt haben.«
»Und Sie selbst setzen die Arbeit daran noch fort; Sie kaufen doch ständig neue Werke hinzu.«
»Man darf eben einen solchen Familienschatz nicht verkommen lassen.«
»Verkommen! Weiß Gott, daß Sie nichts unterlassen, was zur Vervollkommnung Ihres schönen alten Besitztums beitragen kann. Charles, wenn du dir erst dein Haus erbaust, kannst du froh sein, wenn es nur halb so großartig wird wie Pemberley.«
»Sicher würde ich froh sein!«
»Nein, wirklich, Charles, ich gebe dir den guten Rat, versuch dich in der Nähe von Pemberley anzukaufen und laß dein Haus nach diesem Muster bauen. Außerdem ist Derbyshire die schönste Landschaft in ganz England.«
»Natürlich will ich das tun, Caroline, vielleicht kann ich sogar Pemberley selbst kaufen!«
»Ich wollte dir doch nur einen möglichen Vorschlag machen!«
»Mir erscheint die Möglichkeit, Pemberley zu kaufen, weitaus größer als die, es nachzuahmen.«
Elisabeths Aufmerksamkeit wurde durch das lebhaft geführte Gespräch so stark in Anspruch genommen, daß für das Buch wenig übrig blieb. Sie legte es bald ganz aus der Hand und nahm zwischen Bingley und seiner älteren Schwester Platz, um dem Spiel zuzuschauen.
»Ist Ihre Schwester eigentlich seit dem letzten Frühjahr viel gewachsen?« fragte Caroline zu Darcy gewandt. »Ob sie schon so groß ist wie ich?«
»Ich glaube wohl. Sie wird jetzt etwa Miss Bennets Größe haben, vielleicht sogar noch ein wenig mehr.«
»Wie ich mich darauf freue, sie wiederzusehen! Ich bin noch nie einem Menschen begegnet, von dem ich gleich so eingenommen war. In ihrem Alter schon eine solche Haltung, ein so sicheres Auftreten zu haben – und dazu noch so viel zu können! Ihr Klavierspiel ist wirklich ein Genuß!«
»Mich wundert es immer wieder«, sagte Bingley, »daß die jungen Mädchen heutzutage die Zeit und die Geduld haben, so viel zu lernen.«
»So viel zu lernen? Mein lieber Charles, was meinst du damit?«
»Nun ja, alle können sie doch malen, Lampenschirme basteln und Stricksachen anfertigen. Und damit fängt es erst an – man trifft doch kein junges Mädchen mehr, ohne erfahren zu müssen, was sie alles kann und gelernt hat.«
»Und leider genügen schon die paar Beispiele, die du da eben aufzähltest, um für gebildet zu gelten«, meinte Darcy. »Nach allgemeiner Auffassung besteht Bildung für Frauen darin, eine Handtasche stricken zu können oder einen Lampenschirm zu beziehen. Aber ich schließe mich ganz entschieden von dieser allgemeinen Auffassung aus. Ich kenne nicht ein halbes Dutzend Damen in meiner ganzen Bekanntschaft, denen ich die Bezeichnung ›gebildet‹ zugestehen würde.«
»Weiß Gott, ich auch nicht«, bestätigte Caroline.
»Dann muß nach Ihrer Ansicht eine gebildete Frau über sehr viele Fähigkeiten verfügen«, fiel Elisabeth ein.
»Ganz richtig, über sehr viele.«
»Man kann doch niemanden wirklich mit Recht als gebildet bezeichnen«, erläuterte seine Sekundantin, »der nicht bedeutend über dem Durchschnitt steht. Eine Frau muß mindestens gut Klavier spielen, singen, zeichnen und tanzen können und dazu eine gründliche Kenntnis verschiedener Sprachen besitzen, bevor sie als gebildet gelten darf. Und außerdem gehört natürlich noch ein gewisses Etwas in ihrem ganzen Benehmen dazu, in der Art, wie sie geht, wie sie spricht, in der Wahl ihrer Ausdrücke, oh, noch sehr vieles gehört dazu – oder sie darf keinerlei Anspruch auf Bildung erheben!«
»Das alles gehört dazu«, fügte Darcy hinzu, »und dabei darf der Geist nicht vergessen werden, das Wissen, das durch mannigfaltige Lektüre eine ständige Erweiterung erfahren muß.«
»Jetzt wundere ich mich nicht mehr darüber, daß Sie kaum sechs gebildete Frauen kennen; eher, daß Sie überhaupt auch nur eine einzige kennen.«
»Beurteilen Sie Ihre Geschlechtsgenossinnen nicht allzu streng?«
»Mir ist noch nie eine solche Frau vor Augen gekommen. Ich habe noch nirgends solche Fähigkeiten und solchen Geschmack und Verstand mit einem solchen Talent, wie Sie es fordern, vereint gesehen.«
Mrs. Hurst und Caroline protestierten laut gegen Elisabeths unberechtigten Zweifel und erboten sich, eine Vielzahl von Bekannten zu nennen, die allen Forderungen entsprächen; aber Mr. Hurst unterbrach sie entrüstet und beklagte sich bitterlich über die Unaufmerksamkeit, die das Spiel aufhalte. Damit fand die Diskussion ihr Ende, und Elisabeth zog sich bald darauf zurück.
»Lizzy