Die vergessene Welt. Arthur Conan Doyle
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McArdle machte ein sehr ungläubiges Gesicht.
»Gut, Herr Malone«, sagte er schließlich. »Diese wissenschaftliche Versammlung heute abend berührt in keiner Weise Ihr privates Versprechen. Ich nehme nicht an, dass irgendeine Zeitung darüber berichten wird, denn über Waldron ist schon ein dutzendmal etwas gebracht worden, und niemand weiß, dass Challenger sprechen wird. Das wird einen Schlager geben, wenn wir Glück haben. Sie werden auf jeden Fall hingehen und uns einen ziemlich vollständigen Bericht bringen. Ich werde bis Mitternacht einen entsprechenden Raum frei lassen.«
Da ich noch viel zu tun hatte an diesem Tage, aß ich früh zu mittag im Savage-Club mit Tarp Henry, dem ich einen kurzen Bericht über meine Erlebnisse gab. Er hörte mir mit einem skeptischen Lächeln auf seinem dürren Gesicht zu und brach in ein schallendes Gelächter aus, als ich ihm sagte, dass der Professor mich überzeugt habe.
»Mein lieber Junge, so etwas gibt es im wirklichen Leben nicht. Man macht nicht zufälligerweise eine riesige Entdeckung und verliert dann das Beweismaterial. Überlassen Sie das den Romanschreibern. Der Bursche ist so voll von Tricks wie ein Affenhaus im Zoo. Das ist alles absoluter Schwindel.«
»Aber der amerikanische Poet?«
»Hat niemals existiert.«
»Ich habe sein Skizzenbuch gesehen.«
»Challengers Skizzenbuch.«
»Sie glauben, dass er das Tier gezeichnet hat?«
»Aber natürlich, wer denn sonst?«
»Und die Photographien?«
»Die Photographien enthalten ja nichts. Sie geben doch selber zu, dass Sie nur einen Vogel gesehen haben.«
»Einen Pterodactylus.«
»So sagt er. Den Pterodactylus hat er Ihnen in den Kopf gesetzt.«
»Gut, aber wie steht's mit den Knochen?«
»Der erste davon stammt aus einem Irish stew und der zweite ist eigens zum Zwecke der Beweisführung hergerichtet. Wenn Sie geschickt sind und Ihr Geschäft verstehen, können Sie mit einem Knochen ebensogut schwindeln wie mit einer Photographie.«
Ich fing an, mich etwas unbehaglich zu fühlen. Vielleicht hatte ich mich doch etwas vorschnell einfangen lassen. Dann kam mir plötzlich ein glücklicher Gedanke.
»Wollen Sie zum Vortrag gehen?«
Tarp Henry blickte gedankenvoll vor sich hin.
»Er erfreut sich nicht gerade allgemeiner Beliebtheit, dieser geniale Challenger«, sagte er. »Es gibt eine Reihe von Leuten, die mit ihm abzurechnen haben. Ich kann wohl sagen, er ist einer der bestgehassten Menschen in London. Wenn die Studenten der Medizin auf der Bildfläche erscheinen, gibt es einen heillosen Krach. Ich habe keine Lust, einen Bierabend mitzumachen.«
»Aber Sie könnten ihm schließlich soviel Gerechtigkeit erweisen, die Darlegung seines Falles anzuhören.«
»Ja, das könnte ich wohl. Das wäre nicht mehr wie anständig. Schön, ich werde also mitgehen.«
Als wir beim Institut ankamen, bemerkten wir, dass der Andrang noch größer war, als wir erwartet hatten. Eine Reihe von Autos, denen weißbärtige Professoren entstiegen, hielten vor dem Portal, während ein dunkler Strom von bescheidenen Fußgängern, der sich durch den überwölbten Torweg wälzte, bewies, dass die Zuhörerschaft sich nicht nur aus Wissenschaftlern, sondern auch aus dem allgemeinen Publikum rekrutierte. Und tatsächlich wurde uns, sobald wir Platz genommen hatten, klar, dass ein jugendlicher und sogar knabenhafter Geist sich auf der Galerie und im Hintergrund des Saales bemerkbar machte. Hinter mir erblickte ich eine Reihe von Gesichtern des bekannten Typus der Medizinstudenten. Offenbar hatte jedes große Krankenhaus eine Gruppe von ihnen hergesandt. Das Benehmen der Zuhörerschaft war zunächst noch etwas mutwillig. Man sang Strophen von Gassenhauern im Chor, und zwar mit einer Begeisterung, die eine etwas seltsame Einleitung zu einer wissenschaftlichen Vorlesung bildete, und schon machte sich eine Neigung zu persönlichen Neckereien geltend, die für viele die Aussicht auf einen fidelen Abend eröffnete, wenn sie auch die Empfänger dieser zweifelhaften Ehrungen etwas in Verlegenheit setzen mochten. So zum Beispiel erhob sich, als der alte Dr. Meldrum mit seinem wohlbekannten lockenverbrämten Opernhut auf der Rednerbühne erschien, die allgemeine Frage: »Wo haben Sie diesen Zylinderhut her?«, so dass er ihn schnell abnahm und ihn verstohlen unter seinem Stuhl verbarg. Als der rheumatische Professor Wadley zu seinem Sitzplatz humpelte, hagelte es allseits herzliche Erkundigungen nach dem Befinden seiner großen Zehe, was ihn begreiflicherweise in Verlegenheit setzte. Die stärkste Demonstration fand jedoch statt, als mein neuer Bekannter, Professor Challenger, eintrat und sich zu seinem Platz am äußersten Ende in der ersten Reihe auf der Rednertribüne begab. Es brach ein derartiges Willkommsgeheul aus, sobald nur sein schwarzer Bart sich um die Ecke schob, dass das Gefühl in mir aufstieg, Tarp Henry könnte mit seinem Argwohn recht haben, wenn er meinte, dass sich die Leute hier nicht nur wegen des Vortrages, sondern vor allem deswegen versammelt hätten, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, dass der berühmte Professor an der Diskussion teilnehmen würde. Auf den vordersten Bänken, auf denen die gutangezogenen Leute saßen, entstand ein allgemeines Gelächter bei seinem Eintritt, das den Eindruck machte, als ob ihnen die soeben stattfindende Demonstration der Studenten nicht unwillkommen war. Die Begrüßung bestand tatsächlich in einem furchtbaren Gebrüll, das dem Aufruhr in einem Raubtierkäfig zu vergleichen war, wenn der Schritt des futterbringenden Wärters hörbar wird. Es schwang vielleicht ein beleidigender Ton darin mit, doch hatte ich in der Hauptsache das Gefühl, dass die lauten Zurufe mehr der lärmende Empfang eines Menschen waren, der einen amüsiert und interessiert, als von jemand, der einem unangenehm oder lächerlich ist. Challenger lächelte mit dem Ausdruck milder und duldsamer Geringschätzung, etwa wie ein freundlicher Mann dem Geschrei einer Schar von Kindern begegnet. Er nahm ruhig Platz, stieß einen heftigen Atemzug aus, ließ die Hand zärtlich über seinen Bart gleiten und blickte mit halbgesenkten Lidern und hochmutigen Augen auf die vor ihm sitzende Menge. Kaum hatte der bei seinem Eintritt entstandene Aufruhr sich gelegt, als Professor Ronald Murray, der Vorsitzende, und Professor Waldron, der Redner, vorn auf der Bühne erschienen und die Versammlung ihren Anfang nahm.
Professor Murray wird, woran ich nicht zweifle, entschuldigen, wenn ich sage, dass er den gewöhnlichen Fehler der meisten Engländer hat, dass man ihn beim Reden nicht versteht. Warum Leute, die etwas zu sagen haben, was wert ist, angehört zu werden, sich nicht die Mühe geben, verständlich sprechen zu lernen, ist eines der Geheimnisse des modernen Lebens. Ihre Methode ist genau so vernünftig, als wenn man versuchen wollte, eine kostbare Flüssigkeit von der Quelle in ein Reservoir zu leiten durch eine geschlossene Röhre, die zu öffnen so leicht wäre. Professor Murray richtete, nicht ohne ein humorvolles Zwinkern zu dem rechts von ihm stehenden silbernen Leuchter, einige tiefsinnige Bemerkungen an seine weiße Halsbinde und an die auf dem Tisch stehende Wasserkaraffe. Darauf setzte er sich, und Professor Waldron, der berühmte und angesehene Gelehrte, erhob sich unter allgemeinem Beifallsgemurmel.
Er war ein langer und hagerer Mann mit einer harten Stimme und einer aggressiven Art zu sprechen, aber er beherrschte die Kunst, seinen Gedanken eine den Hörern angemessene Form zu geben und sich so auszudrücken, dass er das Verständnis und sogar das Interesse eines Laienpublikums fand. Und dabei behandelte er die schwierigsten Dinge mit einem Schuss von Humor, so dass das Vorrücken der Tag- und Nachtgleiche oder der Bau eines Wirbeltieres in seinem Vortrag sich in eine sehr vergnügliche Angelegenheit verwandelte.