Love Rules - Geheimnisse. Tanja Neise

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Das tat ich schon seit ewigen Zeiten. Aber sie hatte noch nie zu einem solchen Druckmittel gegriffen, um mich gefügig zu machen. Im Grunde genommen hätte ich sie auflaufen lassen können, schließlich waren die Papiere unterzeichnet. Aber ich schwieg, und versuchte zu verstehen, was in ihr vorging. Warum war es ihr so wichtig, dass ich am Abend zu dieser bescheuerten Party kam?

      Als ich sie danach fragte, schüttelte sie nur den Kopf. »Komm einfach und lass mich nicht Waffen benutzen, die dir nicht gefallen werden. Ich will, dass du nachher da bist und du wirst auf mich hören, ausnahmsweise mal. Ganz einfach. Nun sei ein lieber Junge und iss mit mir zu Mittag. Ich sollte dringend noch etwas essen, denn ich werde mich vor der Party noch ein wenig hinlegen müssen. Du weißt, ich bin nicht mehr die Jüngste und die ganze Aufregung lässt mich auch schläfrig werden.« Ihr Lächeln war nun wieder das der liebevollen älteren Frau.

      Mary Washington hatte Charakter, war durchsetzungsstark und in ihrer Jugend eine der schönsten Frauen, die ich je auf Bildern gesehen hatte. Sie stand einem Unternehmen vor, schrieb erfolgreiche Bücher und führte ihr Leben weiter, obwohl sie ihren Mann so sehr vermisste. Ich bewunderte diese Frau und wäre auch zu der Party gekommen, ohne dass sie mich unter Druck hätte setzen müssen. Eine kleine Bitte wäre ausreichend gewesen. Das wusste sie auch. Doch warum hatte sie überhaupt versucht mich zu erpressen? Ich wurde nicht schlau aus der Situation und das wurmte mich. In meinem Kopf spukten lauter Fragen herum. Aus Erfahrung wusste ich jedoch, dass ich von ihr in diesem Moment keine Antworten bekommen würde.

      »Verzeih mir, aber Mittagessen ist heute nicht mit inbegriffen. Ich muss noch mal die restlichen Papiere durchgehen und mich dann um eine weitere Kundin kümmern.« Bedauernd zuckte ich mit den Schultern und griff nach meiner Sonnenbrille. »Wir sehen uns heute Abend.«

      Wohlwollend nickte sie. »Unter diesen Umständen verzichte ich ausnahmsweise. Aber bilde dir nicht ein, dass das zur Routine wird. Nächstes Mal essen wir wieder zusammen, zumindest solange du noch in Chicago bist.«

      Ich zwinkerte Mary noch einmal zu. »Einverstanden.« Dann strebte ich zum Ausgang, während ich mir die Brille aufsetzte. Was Mary noch nicht wusste: Ich würde Chicago bereits in der kommenden Woche verlassen, von da an wären unsere Stelldichein zum Mittagessen hinfällig. Ich würde Mary vermissen, sie und ihren derben Humor. Doch ich wollte ihr nicht den Tag vermiesen und ihr das erzählen. Sie brauchte alle Kraft für den Abend. Eine solche Veranstaltung zehrte jedes Mal an Marys Kräften. In der nächsten Woche musste ich unbedingt mit ihr sprechen, denn ich benötigte jemanden als Ersatz, jemandem dem Mary vertrauen konnte, zumindest was das Geschäftliche betraf.

      Als ich aus dem Haus trat, blendete mich die Sonne, trotz der verdunkelten Brille, die ich trug. Der Kies knirschte unter meinen Schuhen, als ich auf den Audi R8 zutrat, den ich noch mein eigen nannte. Auch dieses Auto würde bald der Vergangenheit angehören, wie so vieles, was mir im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen war.

      Abigail

      Genervt von den Reichen und Schönen, die sich hier alle zur Schau stellten, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt, ging ich zur Bar. Bisher hatte ich mich lediglich an einem Glas Wasser festgehalten. Alkohol war schließlich während der Arbeit nicht förderlich, und ich sah meinen Besuch auf dieser Party als einen Teil meines Jobs an. Als ich näher an die Bar trat, entdeckte ich einen hammermäßig aussehenden Barkeeper, der mehr als eine gute Figur machte und im Begriff war, einen Drink zu mixen.

      Ich warf meine durchaus als motiviert zu bezeichnenden Vorsätze über Bord und setzte mein frechstes Grinsen auf. »Egal, was es ist, ich nehme einen davon.« Ich brauchte dringend einen Schluck Alkohol, ansonsten würde ich schreiend von dieser Party flüchten. Im Grunde genommen konnte ich dankbar sein. Denn wann wurde ich schon mal zu einem Event der oberen Zehntausend eingeladen? Bisher noch nie. Die Snyder war wahrscheinlich schon öfter auf einer solchen Veranstaltung gewesen. Mit ihrer unterkühlten Art passte sie hervorragend hierher. Ich jedoch fühlte mich völlig deplatziert und wurde mir mal wieder meiner Herkunft bewusst.

      Der dunkelhaarige Mann mit dem leichten Bartschatten sah mich provozierend an und hob den Shaker hoch. »Sex on the Beach.« Seine Augenbrauen wackelten verdächtig, während blaue Augen mich fixierten. Sie ließen mich augenblicklich an die wunderschönen Strandtage denken, die ich mal im Venice Beach hatte verbringen dürfen.

      Es war zwar ein flacher Witz, aber immer noch besser, als das ganze affektierte Getue der anderen Partygäste. Mary hatte mir eine liebevolle Begrüßung geschenkt und mich dann mir selbst überlassen, was ich ihr nicht verübeln konnte, schließlich waren mehr als zweihundert Gäste geladen. Von wegen kleiner Empfang! Ich hatte mich für das kurze Schwarze entschieden, darin fühlte ich mich wohl. Als mein Blick auf die anwesenden Damen gefallen war, hatte ich festgestellt, dass es auf jeden Fall kein Fehlgriff gewesen war und ich damit voll im Trend lag. Sollte ich aufgrund der Artikelreihe öfter zu solchen Anlässen gehen müssen, wäre eine Vergrößerung meiner Garderobe dennoch angebracht.

      Mit einem kessen Augenaufschlag, wie ich hoffte, setzte ich mich auf einen der Hocker und antwortete dem heißesten Typen auf dieser Party: »Darauf steh ich total. Aber bevor wir es so weit kommen lassen, möchte ich gern Ihren Namen wissen.«

      Dieses rauschende Fest musste mir irgendwie zu Kopf gestiegen sein, so einen idiotischen Anmach-Blödsinn hatte ich noch nie in meinem ganzen Leben von mir gegeben. Aber anstatt zurückzurudern, lächelte ich cool.

      Ich konnte sehen, wie sich die Pupillen des Barkeepers weiteten und er kurz innehielt, ehe er den Shaker umso heftiger schüttelte.

      Das fing an spannend zu werden. Vielleicht sollte ich öfter mal die frivole Dame von Welt mimen.

      »Ethan.« Seine Stimme war dunkel und versprach das, was er gerade mixte. Als er fertig war, goss er den Cocktail in ein langstieliges Glas, schob ihn über den Tresen und setzte sich anschließend frecherweise mit einem Glas Rotwein zu mir.

      »Alkohol während der Arbeitszeit?«, wollte ich wissen und beugte mich ein Stück zu ihm.

      Ein verschmitzter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Er zwinkerte mir frech zu und als er den Tadel in meiner Stimme erkannte, bahnte sich ein tiefes Lachen aus seinem Brustkorb nach oben.

      »Das kann man so nicht sagen.« Das Aufleuchten in seinen Augen gefiel mir und hinterließ ein Flattern in meinem Magen. »Und wie ist Ihr Name?«

      »Abigail.«

      Seine Hand legte sich auf meine, ehe er sagte: »Abigail, ich sollte Sie warnen, der Cocktail hat es in sich.« Seine Haut auf meiner ließ in mir heftige Fantasien aufkeimen, ohne dass ich einen Schluck von dem Drink genommen hatte. Fast erschien es mir, als sendete er elektrische Wellen durch mich hindurch.

      Ich zuckte mit den Schultern, blieb nach außen locker und stieß mein Glas vorsichtig an seins, bevor ich es an meine Lippen hob. Kaum hatte das Getränk meine Geschmacksknospen erreicht, explodierten die verschiedenen Aromen in meinem Mund. Automatisch schloss ich die Augen und genoss den Drink. Das war der beste Cocktail, den ich je getrunken hatte und das anschließende leise Stöhnen verließ ganz ohne mein Zutun meinen Körper. »Wow! Das ist zwar kein Sex on the Beach, aber der ist tausendmal leckerer!«, schwärmte ich.

      Als ich die Augen wieder öffnete, bemerkte ich, wie Ethan mich unter gesenkten Lidern hinweg ansah. Sein Blick ging mir durch und durch und ich war froh, dass ich bereits saß, denn das Zittern in meinen Knien spürte ich mehr als deutlich. Lag das an diesem Mann oder setzte etwa schon die Wirkung des Cocktails ein?

      »Das freut mich.« Allein seine Stimme brachte meinen Körper in einen Alarmzustand. Unfassbar, wie ich auf ihn reagierte. So etwas kannte ich nicht und dennoch

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