Kiss and Cook in Schottland. Tanja Neise
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So ein verdammter Bockmist! Der Koffer war so schwer, dass sie ihn kaum aus dem Bus herausbekam. Das monströse Teil ging ihr fast bis an die Rippen. Und der blöde Busfahrer beobachtete sie lediglich durch den kleinen Spiegel über dem Fenster.
Der Idiot könnte mir ruhig mal helfen!, dachte sich Fiona. Doch auch der hilflose Blick von ihr, ließ den Mann nicht aufspringen und zu ihr kommen. So musste sie notgedrungen alleine klarkommen.
Schweißgebadet stand sie kurz danach auf dem Bürgersteig, als der Bus wieder anfuhr. Nur mit Mühe und Not konnte sie sich beherrschen, ihm keine obszöne Geste hinterherzuschicken. Ihr Magen rebellierte ein wenig - die Busfahrt war nichts für Menschen, die unter Reiseübelkeit litten. Das Geschaukel hatte ihr ganz schön zugesetzt und die Aufregung, einen völlig neuen Lebensabschnitt zu beginnen, half auch nicht besonders. Den schönen Anblick Schottlands wilder Natur hatte Fiona dadurch leider nicht genießen können. Sie legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch. Der Himmel war wolkenverhangen und dunkle Vorboten eines Sturms zogen über sie hinweg. Hoffentlich würde sie es rechtzeitig schaffen, ins Trockene zu kommen.
Neugierig ließ Fiona ihren Blick umherschweifen und sah sich das hübsche Dörfchen genauer an. Kleine Cottages mit gepflegten Vorgärten, geputzte Fenster und die Straße war ebenfalls blitzblank. Die Bewohner versuchten, sich gegenseitig die Medaille für den schönsten Blumenkasten abzujagen. Überall waren Pflanzenarrangements zu entdecken, die in den buntesten Farben leuchteten. Nirgends lag Müll herum. Sehr malerisch und still lag das Dorf vor ihr. Niemand war zu sehen, die Dorfbewohner hielten offensichtlich alle ein Mittagsschläfchen. Vermutlich haben sie den ganzen Vormittag geackert, damit die Gärten so strahlen, dachte Fiona amüsiert. Das sollte also ihre neue Heimat sein? Die Szenerie hätte glatt einem Rosamunde Pilcher Roman entsprungen sein können. Was an sich ja nicht schlecht war, schließlich schillerte Schottland in den Romanen ebenfalls in den wunderschönsten Farben.
Fiona las schon immer sehr viel, unter anderem auch Bücher dieser Autorin, selbst wenn sie es nicht unbedingt jedem erzählte. Viele Menschen machten sich ein Bild von ihr und sortierten sie in eine Schublade ein, nur wenige machten sich die Mühe, hinter ihre Fassade zu blicken. Ihr war das Recht, so ließen die Leute sie in Ruhe.
Die Bäckerei, in der sie morgen anfangen sollte, musste hier ganz in der Nähe sein. In der richtigen Straße stand sie auf jeden Fall und die Hausnummer 28 war bestimmt irgendwo im Umkreis zu finden. Beherzt und mit enormen Tatendrang griff Fiona nach dem Koffer. Das Haus hinter ihr hatte die Nummer 20, dementsprechend konnte es nicht weit sein. Den kurzen Spaziergang genoss sie in vollen Zügen - endlich festen Boden unter den Füßen. Sie war praktisch vom Flugzeug direkt in den Bus gefallen und seit vielen Stunden unterwegs.
Der Frühling breitete seine wärmenden Schwingen aus, auch wenn es insgesamt noch recht kalt war. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen, die in den Himmel emporstiegen. Dennoch lag das Versprechen nach wärmeren Zeiten bereits in der Luft. Heute sollte die bekannte Ausnahme der Regel sein, laut Wetterbericht der kälteste Tag, der Woche - sogar der kälteste im Monat März. Fiona freute sich, die Gegend im Frühling erkunden zu können, dann, wenn der gelbe Ginster blühte und er die saftigen grünen Wiesen mit seinen Farbsprenkeln versah.
Schon nach wenigen Minuten wurde sie fündig. Vor einem weißen Steinhäuschen, an dessen linker Seite die passende Nummer in blauen Zahlen prangte, blieb sie stehen. Es war direkt an die Straße gebaut worden und hatte keinen Vorgarten, wie so viele andere in diesem Dorf, es wirkte jedoch leer und verlassen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in Fionas Magen breit, als sie ein Schild im Schaufenster entdeckte. Sie trat näher und las.
Ungläubig riss sie die Augen auf. Warum hatte sie auf ihren Dickkopf bestehen müssen? Ihre Freundin Melanie hatte ihr klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie von dem Umzug nichts hielt, aber Fiona war überzeugt gewesen, das Richtige zu tun. Mit einem Mal erschien ihr die Sache mit dem neuen Job in Schottland doch nicht die beste Lösung zu sein. Wie auch?
Wutschnaubend las sie noch einmal, was auf dem Schild hinter der Glastür stand:
Geschlossen!
Wir danken unserer Kundschaft für die langjährige Treue.
Ihre Bäckerei
Wilson
Morgen war der erste April, vielleicht sollte das ein vorgezogener Aprilscherz sein. Aber auch ein Blick ins Innere des Ladens, verhieß keine Erleichterung. Ein leergeräumter Raum - lediglich ein Tresen stand noch darin. Die kahlen Flecken an den Wänden verrieten, dass sogar die Wanddeko abgenommen worden war. Das wäre doch ein wenig übertrieben gewesen für einen Scherz.
Fiona hatte alle Zelte in Deutschland abgebrochen, nachdem die Zusage für den Job im Briefkasten gewesen war. Außer Melanie und deren Mutter, wusste niemand, wo sie sich im Moment aufhielt. Es war keine Flucht, nein, es sollte ein Neuanfang sein. Ihr gesamtes Leben lag wie ein Trümmerhaufen in Berlin. Sie hatte dort weggemusst, ganz weit weg, ansonsten wäre sie wahnsinnig geworden. Deshalb war ihr die Stellenanzeige in der Berliner Morgenpost wie ein Fingerzeig Gottes erschienen. In einem abgelegenen Dorf in Schottland hatte eine kleine Bäckerei einen Bäcker oder eine Bäckerin gesucht, die sich auf die deutsche Backkunst verstand. Na gut, eine Künstlerin war sie nicht unbedingt, aber sie konnte gut backen. In der Bloggerszene war sie sogar eine kleine Berühmtheit, ihre wöchentlichen Beiträge lasen mittlerweile Tausende und das Feedback, das sie bekam, war der Wahnsinn. Simply-baking hatte Klicks, von denen andere Blogs nur träumten und die Werbeeinnahmen waren nicht ohne. Es war nicht mit einem ordentlichen Gehalt zu vergleichen, aber es war ein guter Zuverdienst. Gerade war sie im Begriff einen YouTube Kanal aufzubauen und auch hier florierte das Ganze in ungeahntem Ausmaß.
Diese Mrs Wilson hatte ihr am Telefon versichert, dass sie keine abgeschlossene Ausbildung benötigte, und war regelrecht begeistert gewesen von den YouTube Videos, die Fiona ihr hatte zukommen lassen. Sie kam ursprünglich auch aus Deutschland und war vor über fünfzig Jahren, der Liebe wegen, ausgewandert. Wo war Mrs Wilson jetzt? Die würde etwas erleben, schließlich hatten sie einen Arbeitsvertrag!
Wütend riss Fiona an dem Koffer und wollte schon durch das kleine Dorf laufen. Nur wohin sollte sie nun gehen? Zuerst einmal musste sie sich eine Unterkunft suchen, denn die hatte ihr die gute Mrs Wilson auch zugesichert. Kost und Logis waren bei dem Job inbegriffen gewesen und zusätzlich hätte sie noch ein sehr gutes Gehalt bekommen. Hätte, hätte, Fahrradkette! Sie fühlte sich dermaßen aufs Korn genommen, dass sie am liebsten laut geschrien hätte.
Plötzlich erschien ihr das Dörfchen nicht mehr malerisch und still, sondern einsam und trostlos. Wo waren all die Bewohner? Lebte hier überhaupt noch ein Mensch? War die Bäckerei deshalb geschlossen worden, weil es niemanden gab, der dort einkaufte?
Sobald sie den Koffer irgendwo abgestellt hätte, würde Fiona auf die Suche gehen nach den Einwohnern dieses Kaffs und nach der guten Bäckerin, die sie hierher in die Pampa gelockt hatte. Und dann musste sie sich wohl oder übel eine Alternative für ihre Zukunft überlegen.
Noch einmal legte sie die Stirn an die kalte Glasscheibe und starrte ins Innere, doch auch beim zweiten Mal blieb der Anblick der gleiche. Trostlos und kaum erkennbar, dass es sich hierbei um eine Bäckerei gehandelt hatte.
»Suchen Sie jemanden?« Über ihr lehnte sich eine hübsche Frau aus dem Fenster und betrachtete Fiona skeptisch. Ihre langen blonden Locken verfingen sich in den Blüten der Pflanzen des Blumenkastens. Sie hatte ein wenig zu viel Make-up aufgetragen. Pinkfarbener Lipgloss und blauer Lidschatten waren Fiona ein Graus, aber sie war die Letzte, die jemanden verurteilen durfte, dachte sie sich.