Notwendige Unruhe: Über Kirche, Sexualität und Freiheit. Wolfgang Metz
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3.Weil über die Freiheit nachzudenken und in Freiheit zu denken, in Beziehung zu leben und letztendlich zu glauben ein Geschenk ist – Freiheit, die natürlich immer verantwortet und verantwortbar sein muss, die aber auch keine pauschalen Scheuklappen kennen sollte und ihre Grenzen immer wieder neu anschauen und definieren muss. Kardinal Martini soll einmal gesagt haben: Ich habe keine Angst vor Menschen, die nicht glauben, sondern vor Menschen, die nicht denken. Weiter meinte er, dass es bei dieser Aussage natürlich nicht um Bildung und Intellekt geht, sondern dass der Unterschied im Herzen liegt. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann liegt der Unterschied darin, wie frei und offen ein Herz ist, Menschen und Gedanken aufzunehmen und zu erwägen. Ich stimme Kardinal Martini voll und ganz zu: Auch ich habe keine Angst vor Menschen, die nicht glauben, sondern vor Menschen, die nicht denken und – hier würde ich gerne ergänzen – nicht lieben (können).
Viele der folgenden Texte sprechen nicht direkt von Kirche oder Sexualität oder Freiheit, aber sie möchten immer direkt dazu einladen, über vieles in Freiheit und mit freiem und offenem Herzen nachzudenken und darüber ins Gespräch zu kommen.
Ich habe keine Angst vor Menschen, die nicht glauben, sondern vor Menschen, die nicht denken.
Kardinal Carlo Maria Martini
Zur Form mancher Worte
Schreiben und Sprechen ist in den vergangenen Jahren in unserer Sprache nicht einfacher geworden. Ich glaube aber, Gott sei Dank, ein wenig sensibler.
Auch ich versuche mich darin zu üben.
An vielen Stellen werden Sie deshalb einen Gender-Doppelpunkt finden.
Nur an vielen?
Ich finde grundsätzlich, dass diese Schreibweise etwas Wichtiges ausdrückt. Nämlich, wie vielfältig Menschen sind. Aber manchmal kann das zugegebenermaßen auch echt ziemlich kompliziert klingen.
Deswegen habe ich versucht, möglichst oft mit »:« zu arbeiten, aber an der einen oder anderen Stelle einfach mit der männlichen und weiblichen Form abzuwechseln oder ganz bewusst nur das eine oder das andere zu setzen (z.B. bei »Priester« wäre die weibliche Form zwar wünschenswert, ist aber leider noch nicht Gegenwart).
Ich hoffe, dass die Worte durch Inhalt und Form zeigen, dass jede:r sich angesprochen fühlen darf.
I. Mensch werden
Wenn Gott Mensch geworden ist, dann schaffst du das auch!
Das Bild zu dem Text »Über die Menschwerdung oder die ganz schön vielen Schubladen in meinem Kopf« in den sozialen Netzwerken war ein Jesuskind, das in einer Besteckschublade liegt. Messer, Löffel, Gabel und mittendarin: Gott, der zur Welt gekommen ist, der mir in der Welt entgegenkommt.
Überall!
Jemand mochte dieses Bild gar nicht.
Wie kann man so was denn machen? So etwas Heiliges und Verehrungswürdiges wie das Jesuskind einfach in die Besteckschublade stecken!?
Ja, wie kann man das nur machen?
Eigentlich wirklich unerhört!
Genauso unerhört, wie dieser Gott, der Mensch geworden ist!
Heiligkeit und Profanität. Besonderheit und Banalität.
Sollte das nicht auseinandergehalten werden?
Wäre dann nicht vieles einfacher und klarer?
Wir versuchen Gott auf dem Altar in der Kirche anzubeten, und dabei ist er am Küchentisch und vielleicht sogar in der Besteckschublade nicht weniger präsent.
Menschwerdung heißt,
dass Gott sich auf die Banalität des Lebens eingelassen hat und einlässt,
dass er nicht auf einem Sockel in der Kirche wartet, bis er angebetet wird, oder wartet, bis wir zu ihm kommen,
Wenn jemand in diesem Zusammenhansondern dass er uns entgegenkommt, entgegenspringt mit offenen Armen und mit weitem Herzen, überraschend und unverhofft.
Ich glaube, wir selbst sind es, die versuchen, ihn immer wieder von manchen Dingen fern- und aus manchen Situationen rauszuhalten.
Wir selbst haben Bereiche, wo wir mit manchem nicht klarkommen und uns vielleicht schämen und ihn deshalb da nicht haben wollen.
Einer dieser Bereiche ist für einige Menschen ihre Sexualität. Manche Menschen denken sogar, sie müssten ihn da komplett raushalten, weil Gott nichts damit zu tun haben sollte, weil das doch oft in den Bereich Sünde fällt oder weil das doch schmutzig ist und nichts mit frommen Gebeten zu tun hat.
Dabei gibt es auch, Gott sei Dank, andere Menschen, für die gerade ihre Sexualität eine Quelle ihrer Gottesbeziehung ist.
Ich glaube, dass dieses Auseinanderhalten-Wollen zu einseitig gedacht ist, weil Menschsein und alles, was dazugehört, ein Geschenk ist, und ein Geschenk ist etwas Tolles und Wertvolles, mit dem man gut umgehen sollte, nicht irgendwie, sondern respektvoll, aber man sollte es.
Darüber hinaus bedeutet doch gerade das Menschwerdung, dass Gott alles kennengelernt hat, was »Mensch sein« ausmacht.
Fromme Seelen werden jetzt vielleicht sagen, es heiße doch im Credo: »war in allem uns gleich, außer der Sünde«.
Wenn jemand in diesem Zusammenhang an Sexualität denkt, dann sagt das eindeutig mehr über ihn selbst aus als über Gott und seine Menschwerdung.
Wenn Gott Mensch geworden ist,
dann schaffst du das auch!
Nicht nur in den Bereichen, die ich mir aussuche, sondern überall!
Wenn Gott Mensch geworden ist,
dann schaffst du das auch!
Beim Feiern der Messe auf dem Altar, beim Einräumen der Besteckschublade und in und durch den eigenen Körper.
Überall!
Ich denke, dies ist einen Versuch wert …
Ein Taufgespräch
Ich: Aber was ist, wenn ich nicht so bin, wie du