Tom Jones. Henry Fielding
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Hannchen ward nun vorgefordert, vor der Jungfer Deborah coram zu erscheinen, welcher Einladung sie denn augenblicklich gehorsamte. Jungfer Deborah setzte sich denn da in die feierliche Ernsthaftigkeit eines Richters und begann mit etwas mehr als gewöhnlicher Richterstrenge ihre Anrede mit folgenden Worten: »Ihr verwegenes Mensch«, womit sie denn viel eher ein Urteil über den Gefangenen zu sprechen, als seine Anklage vorzubringen schien.
Obgleich Jungfer Deborah, aus den Ursachen, die der Leser bereits oben gesehen hat, von dem Verbrechen der armen Hannah hinlänglich überzeugt war, so war's doch möglich, daß Herr Alwerth zu ihrer Ueberführung triftigere Beweise für nötig erachtet haben möchte; aber Hannchen ersparte ihren Anklägern alle dergleichen Mühe dadurch, daß sie die That, deren sie angeklagt ward, ganz freiwillig bekannte.
Dies Bekenntnis, obgleich es allem menschlichen Anscheine nach mit Ausdrücken der Reue gethan wurde, erweichte doch die Jungfer Wilkins nicht im geringsten; denn sie sprach ein zweites Urteil gegen sie in einer noch schimpflichern Rede als vorher; auch ging's dem armen Mädchen nicht besser mit allen Umherstehenden, deren Anzahl nach und nach sehr groß geworden war. Viele von ihnen riefen aus: »Sie hätten's wohl gedacht, worauf es mit dem seidenen Kleide der Dame hinauslaufen würde!« Andere sprachen sehr beißend über ihre Gelehrsamkeit. Nicht ein einziges weibliches Geschöpf war zugegen, das nicht auf eine oder die andere Art seinen Abscheu an der armen Hannah ausgedrückt hätte, welche alles ganz geduldig ertrug, ausgenommen die Bosheit eines Weibes, welche sich über ihre Person lustig machte und mit zurückgeworfener Nase sagte: »Nun wahrhaftig, den Mann mußte auch der Hunger sehr plagen, der für solch einen Bissen ein seidenes Kleid geben konnte.« Dieser antwortete Hannchen mit einer Bitterkeit, die eine kluge Person befremdet haben könnte, welche wahrgenommen hätte, mit welcher Gelassenheit Hannchen alle Beschimpfungen ihrer Keuschheit ertrug. Aber vielleicht hatte man ihre Geduld ermüdet, denn dies ist eine Tugend, die man durch Uebung leichter erschöpft als andere.
Nachdem Jungfer Deborah in ihren Verrichtungen glücklicher gewesen als sie hoffen konnte, kehrte sie mit vielem Triumph zurück und erstattete zu der bestimmten Stunde dem Herrn Alwerth einen getreuen Bericht, welcher dann über die Erzählung sehr verwundert ward; denn ihm waren die außerordentlichen Fähigkeiten und der ausgebildete Verstand des Mädchens bekannt geworden, die er deswegen willens gewesen an einen benachbarten Pfarrer zu verheiraten, indem er ihn mit einer besseren Stelle versorgt hätte. Sein Bedauern war also bei dieser Gelegenheit ebenso groß als das Vergnügen, welches Jungfer Wilkins bezeigte und das auch manchem Leser weit vernünftiger scheinen mag.
Fräulein Brigitta kreuzigte und segnete sich, indem sie sich vernehmen ließ: »hinfüro wollte sie von keiner Weibsperson mehr eine vorteilhafte Meinung hegen!« Denn Hannchen hatte gleichfalls das Glück gehabt, bei ihr sehr in Gnaden zu stehen.
Die kluge Hausjungfer ward abermals fortgeschickt, die unglückliche Sünderin dem Herrn Alwerth vorzuführen, um nicht sowohl wie einige hofften und alle erwarteten, nach einem Werk- oder Zuchthause geschickt zu werden, als um einige heilsame Verweise und Ermahnungen zu empfangen, welche diejenigen, die eine solche Art von lehrreichen schriftlichen Aufsätzen lieben, im nächsten Kapitel lesen können.
Voll solcher ernsthafter Materie, daß der Leser das ganze Kapitel hindurch nicht ein einziges Mal lachen kann, es sei denn, daß er über den Autor lachen wollte.
Als Hannchen vor Herrn Alwerth erschienen, nahm Herr Alwerth sie mit in seine Schreibstube und redete mit ihr folgendermaßen:
»Gutes Kind, Sie weiß es, als einer Magistratsperson steht es in meiner Macht, Sie für das was Sie gethan hat sehr strenge zu bestrafen, und Sie fürchtet vielleicht, daß ich mich dieser Gewalt um so eher bedienen werde, weil Sie gewissermaßen Ihre Sünde vor meine Thüre gelegt hat.
Doch das ist vielleicht eine von den Ursachen, die mich bewegen, mit Ihr auf eine mildere Art zu verfahren: denn da Privatrache niemals den geringsten Einfluß auf einen Richter haben soll, so will ich den Umstand, daß Sie ihr Kind in meinem Hause niedergelegt hat, so wenig als eine Vergrößerung Ihres Vergehens ansehen, daß ich vielmehr zu Ihrer Entschuldigung annehmen will, Sie habe dies aus natürlicher Liebe zu Ihrem Kinde gethan; weil Sie dabei einige Hoffnung haben konnte, es auf dieser Art besser versorgt zu sehen, als es Ihr selbst oder seinem gottlosen Vater möglich war. Ich würde in der That sehr auf Sie er zürnt gewesen sein, wenn Sie das kleine verlassene Geschöpf, nach Art der unnatürlichen Mütter, welche mit ihrer Keuschheit ihr mütterliches Gefühl zugleich verleugnet zu haben scheinen, weggelegt hätte. Dieserwegen will ich Ihr nur wegen des Teils Ihres Vergehens die nötigen Weisungen geben, welcher in der Verletzung Ihrer Keuschheit besteht. Ein Verbrechen, das so gering es auch von liederlichen Personen geachtet werden mag, schon an sich selbst sehr schändlich in seinen Folgen, aber sehr fürchterlich ist.
Die Schändlichkeit dieses Vergehens muß jedem Christen hinlänglich deutlich sein, um so mehr, da es den Gesetzen unserer Religion schnurstracks entgegen begangen wird und das ausdrückliche Gebot dessen übertritt, der diese Religion gründete. Und hier ist es nicht zu leugnen, daß seine Folgen mit Recht für fürchterlich angesehen werden können; denn was kann fürchterlicher sein, als durch Uebertretung eines göttlichen Gebots Gottes Ungnade auf sich zu ziehen und zwar in einem Fall, wo die strengste Strafe ausdrücklich an das Gebot geheftet ist.
Doch diese Betrachtungen, so sehr ich besorgen muß, daß man ihrer zu wenig achte, sind so natürlich und auffallend, daß sie keiner besonderen Einschärfung bedürfen. Mag es also mit dieser kurzen Erinnerung genug sein, um Ihr eigenes Nachdenken über diese Materie zu erwecken; denn meine Absicht ist, Sie zur Reue zu bringen, nicht aber zur Verzweiflung zu treiben.
Es ergeben sich noch andere Folgen, die freilich nicht so fürchterlich und schrecklich sind, als diese; und welche doch, wenn man sie genau betrachtet, nach meiner Meinung alle Menschen, wenigstens aber Personen Ihres Geschlechts, von Begehung dieses Lasters abschrecken sollten.
Denn Ihr werdet dadurch ehrlos gemacht und gleich den ehemaligen Aussätzigen unter den Juden aus der menschlichen Gesellschaft verbannt. Wenigstens könnet Ihr keinen andern Umgang haben, als mit bösen Menschen, weil ehrsame Personen Euch in ihrer Gesellschaft nicht dulden.
Wenn Ihr eigenes Vermögen habt, so werdet Ihr dadurch unfähig gemacht, desselben auf eine angenehme Weise zu genießen. Habt Ihr keins, so werdet Ihr dadurch verhindert, welches zu erwerben, ja nur Euch Euren Unterhalt zu verschaffen; denn niemand von unbescholtener Ehre will Euch in sein Haus aufnehmen und so werdet Ihr oft von der Not selbst in einen Stand von Schande und Elend hineingezwungen, der sich unvermeidlicherweise mit dem Verderben beides, Leibes und der Seele, endigen muß.
Kann man irgend ein Vergnügen als einen Ersatz für diese Uebel ansehen? kann irgend eine Versuchung mit aller ihrer Sophisterei und Täuschung beredt genug sein, Euch zu einem so einfältigen Tausche zu bewegen? oder kann irgend ein Gelüsten des Fleisches Eure Vernunft dergestalt überwältigen und so völlig übertäuben und dadurch verhindern, daß Ihr nicht mit Schrecken und Abscheu vor einem Laster fliehet, dem solche Strafen auf dem Fuße folgen.
Wie niedrig und kriechend muß das Frauenzimmer denken, welches jene Würde der Seele