Tödlicher Glitzer. Helga Henschel
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„Äußerlich sieht sie unauffällig aus“, gab Dr. Altevogt seine vorläufige Meinung ab.
„Keine ungewöhnlichen Druckstellen, Hämatome, Verfärbungen oder Wunden. Der makellose Körper einer Frau in den besten Jahren. Sie hat auf sich geachtet und musste keine schwere Arbeit verrichten. Schau, die Hände sind gepflegt.“
„Genau, aber mager. Die Rippen sind sichtbar. Findest du nicht?“, entgegnete Vente.
„Das stimmt. Sie war lange krank. Das geht nicht spurlos am Körper vorbei. Oder war sie dem Diätenwahn verfallen?“
„Wir müssen den Leichnam einer inneren Leichenschau unterziehen. Dann finden wir vielleicht den wirklichen Grund heraus“, antwortete Vente.
„Wir nehmen Gewebeproben insbesondere von Leber und Niere.“
„Wir lüften dein Geheimnis“, sagte Altevogt vergnügt zu Elvira.
„Ich bereite alles vor, dann können wir beginnen“, wandte sich Vente um.
„Elvira, es tut mir leid, deinen schönen Körper aufzuschneiden. Aber wir müssen. Wir nähen dich wieder zusammen. Dein Gesicht rühren wir nicht an, deine Schönheit bleibt“, behielt Vente das letzte Wort.
Mit viel Erfahrung machten sie sich an ihre Arbeit.
Anschließend schob Vente sie respektvoll zugedeckt in den Kühlschrank der Rechtsmedizin. Die Ärzte warteten auf die Ergebnisse der Blut- und Gewebeproben.
Georg passte das ganz und gar nicht. Er wollte seine verstorbene Ehefrau endlich beerdigen. Das Gespräch mit dem Bestatter war unkompliziert gewesen und die Formalitäten schnell erledigt. Die konventionellen Trauerkarten warteten beim Drucker, obwohl der Beerdigungstermin noch gar nicht feststand. Der Bestatter und Georg hofften auf die baldige Freigabe des Leichnams.
Ihm ging es inzwischen wesentlich besser und die Gewöhnung an das Witwerdasein setzte ein. Georg hing auf dem Rückweg seinen Gedanken nach:
Weshalb behalten sie den Leichnam so lange? Was fand die Rechtsmedizin? Warum informieren sie mich nicht?
Das zwecklose Kopfzerbrechen führte zu Nichts und Georg stand vor einem Rätsel. Er wusste kein bisschen und bislang hatte sich niemand bei ihm gemeldet. Wenn er ehrlich war, dann fühlte Georg sich gar nicht gut bei der langwierigen Angelegenheit. Ein Schlussstrich wäre ihm lieber gewesen. Er wollte unbelastet in sein neues verheißungsvolles Leben gehen und sich nicht länger mit der lästigen Vergangenheit abgeben.
Als er die Haustür aufschloss, schnupperte er den Duft von Essen. Amelie hatte etwas aus den Vorräten gezaubert. Er ging in die Küche, wo sie noch am Herd stand und in den Töpfen rührte.
„Hallo Amelie, schick sehen Sie mit der Schürze aus. Wo haben Sie die gefunden, habe ich noch nie gesehen“, begrüßte er sie.
„Hallo Georg. Das Essen ist gleich fertig. Es gibt Kartoffeln mit Gemüse und hart gekochte Eier. Mehr war nicht aufzutreiben.“
„Geht schon, Hauptsache etwas Warmes“, wunderte er sich kurz über die vertrauliche Anrede. Aber ja, Elvira hatte die weniger förmliche Anrede mit Vornamen, aber mit Siezen, eingeführt, erinnerte er sich.
„Der Tisch ist schon gedeckt, Sie können sich setzen. Schenken Sie etwas zu trinken ein?“, fragte Amelie.
Beiden kam ihre lockere Konversation mit Vornamen und Sie komisch vor. Aber ganz per Du traute sich Amelie nicht und Georg wollte es nicht zu vertraulich werden lassen. Kurz dachte er an ihr peinliches Erlebnis zurück. Er wollte Amelie keinen Platz in seinem Leben einräumen, nur als Raumpflegerin.
Amelie legte die Schürze beiseite, schnappte die vollen Schüsseln und setzte sich an den Küchentisch. Beide aßen mit Appetit und Georg fühlte sich rundum wohl. So konnte das Leben weiter gehen.
„Amelie, können Sie die Einkäufe übernehmen. Sie wissen sicher, was man so braucht. Ich bin da überfordert. Und vielleicht für Samstag und Sonntag vorkochen? In der Woche esse ich bei meinem Büro eine Kleinigkeit“, fragte Georg.
„Ja klar, kein Problem. Ich kann auch Ihre Wäsche waschen.“
„Das wäre prima. Eine große Hilfe.“
„Gut, dann bleibe ich drei Stunden länger pro Woche. Ist Ihnen das recht?“
„Ja, ist mir recht“, stimmte Georg ihrem Vorschlag zu.
Nach dem Essen werkelte Amelie noch in der Küche, räumte ihr Arbeitszeug beiseite und ging zur Haustür. Während sie ihren Mantel anzog, rief sie ins Wohnzimmer:
„Tschüss, bis nächste Woche.“
„Tschüss und danke für alles.“
Georg saß im Wohnzimmer, dass allmählich den Krankengeruch verloren hatte. Er fühlte sich wieder wohler. Elviras Tod ließ ihn über sein bisheriges Leben nachdenken. Er war fünfundvierzig Jahre alt, also in der Mitte seines Lebens. Er war nicht mehr jung, unverbraucht und so dynamisch wie noch vor zwanzig Jahren. Aber er spielte gerne Golf. Er liebte frische Luft, das Grün der Natur und die anregenden Gespräche mit seinen Golfpartnern. Oft schob er seinen Golftrolley ohne Mitspieler über den gepflegten Platz. Beim Golfen ließ es sich gut nachdenken und Entscheidungen treffen. Nicht zuletzt bedeutete der Trendsport Golf für einen selbstständig agierenden Unternehmer eine unbezahlbare Kontaktbörse. Aber er genoss den Sport auch ohne diesen geschäftlichen Hintergedanken. Die oft hellblond-gefärbten Golferinnen im Club tuschelten über Georg und warfen ihm interessierte Blicke zu. Er war ein attraktiver Mann. Groß, schlank, gutaussehend, mit einer Immobilienfirma und mehreren Mietshäusern und einem großen repräsentativen Wohnhaus. Das stellten anziehende Attribute eines erfolgreichen Mannes dar. Besonders die geschiedenen Golferinnen wären einer Runde Golfen mit anschließendem Ausklang an der Bar nicht abgeneigt gewesen. Georg bemerkte die Blicke der Damenwelt durchaus, doch sein Fokus richtete sich auf eine andere Frau.
Dienstagnachmittag 7. April
Besonders auf dem Rückweg vom Bestatter hatte er wieder oft an Tilda denken müssen. Tilda Viererbe war seine Ex-Freundin, die ihm auch seine Tochter Ellie geboren hatte. Tilda verdiente ihren Lebensunterhalt als Grundschullehrerin in den Fächern Englisch und Kunst. Sie war eine selbstbewusste Frau, die ihr Dasein als alleinerziehende Mutter managte. Groß, schlank und mit roten langen Haaren zog sie die Blicke der Männer auf sich. Das war Georg damals nicht entgangen. Er bewunderte Tilda, sie gab sich so ganz anders als seine verstorbene Frau Elvira. Mit Tilda hatte er anregende Gespräche bei einem Glas Rotwein geführt. Oft genug auch hitzige Streitgespräche über Ereignisse des Weltgeschehens. Elvira dagegen gab sich mit wenig zufrieden. Ihm schien, dass seiner Frau ihre Bequemlichkeit wichtiger gewesen waren. Noch immer war sich Georg nicht im Klaren darüber, warum er ausgerechnet mit Elvira zum Traualtar gegangen war und nicht mit Tilda. Sie hatten schließlich ein gemeinsames Kind, eine Heirat wäre da logisch gewesen. Mit Elvira dagegen hatte er keine Kinder. Warum eigentlich? Aber Elvira war hübscher gewesen als Tilda, das war wohl der Grund für seine Heirat. Und Tilda war ein halbes Jahr in England zum Sprachenlernen gewesen. Und ausgerechnet in der Zeit kreuzte Elvira