Verlorene Fassung. Ute Dombrowski
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„Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen“, sagte Merle Kessert in arrogantem Tonfall.
Sie stand am Schreibtisch, hatte Akten sortiert und war gerade dabei, die Briefe über das Ableben des Arztes an die Patienten in Briefumschläge zu packen.
„Sie hatten eine Affäre mit Ihrem Chef, das hat uns eine Patientin gesagt, also lassen wir die Spielchen.“
Susanne hatte sich über den Schreibtisch gebeugt und sah Merle in die Augen. Sie wusste, dass die Frau log, weil ihr linkes Augenlid sichtbar zuckte.
„Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.“
Robin fragte freundlich: „Können Sie uns sagen, wo Sie in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch waren?“
„Was denken Sie denn? Nach einem anstrengenden Arbeitstag war ich zuhause im Bett.“
„Kann das jemand bezeugen?“
„Nein, natürlich nicht. Ich bin Single. Und mein Kater kann nun mal nicht sprechen.“
Merle hatte die Arme vor der Brust verschränkt und signalisierte deutlich ihre Ablehnung.
„Ohne meinen Anwalt sage ich nichts.“
„Wenn Sie meinen, dann müssen Sie uns jetzt auf das Präsidium begleiten.“
„Bin ich verhaftet?“
Merle war verunsichert.
„Im Moment noch nicht“, sagte Robin wütend, „aber Sie machen sich gerade verdächtig!“
„Sie wissen ja gar nicht, was für ein Arschloch Fabian war!“, platzte es aus Merle heraus, während sie sich auf den Stuhl fallen ließ. „Er hat Frauen immer nur ausgenutzt. Und es war ihm egal, ob Patientin, Ehefrau oder Mitarbeiterin.“
„In welcher Form ausgenutzt?“
„Wenn ich Ihnen alles sage, kann ich dann nach Hause?“
Susanne sah Robin an, dann nickte sie. Sie befürchtete, dass die Liste der Verdächtigen wachsen würde, je mehr sie über Fabian Tschötz in Erfahrung brachten.
Merle legte die Briefe beiseite und es schien, als hätte sie auch ihren Widerstand weggeschoben.
„Es begann sehr romantisch. Ich hatte meine erste Arbeitswoche hinter mir, da kam er mit einer Rose und erklärte, dass er noch nie solch eine gute Mitarbeiterin hatte wie mich. Ich fühlte mich geschmeichelt, ließ mich auch zum Essen einladen und fühlte mich wie eine Königin, als er mir sagte, dass er seine Frau verlassen würde, um mit mir zu leben. Das hat er sicher jeder Affäre versprochen. Ich war so blöd, das zu glauben, denn bald danach hatten wir Sex, wann immer es passte. Und hinterher hat er mir noch mehr Arbeit auf den Tisch geknallt und ist zur nächsten Frau gefahren. Ich bin ihm mal gefolgt. Abends ist er wahrscheinlich völlig erschöpft von seiner ach so wichtigen Arbeit nach Hause gekommen und hat es seiner Frau dann auch nochmal besorgt.“
Susanne schnaufte. Solche Typen waren ihr zuwider und die „alte“ Susanne hätte ihn zumindest verprügelt. Sie konnte verstehen, dass ihn jemand von sich gestoßen hatte.
Merle fuhr fort: „Er wurde immer grober und ich hatte auch mal blaue Flecken, aber immer an gut verdeckten Stellen. Irgendwann hatte er genug von mir und hat mich abserviert. Er hat versucht, mich zur Kündigung zu überreden, aber den Gefallen habe ich ihm nicht getan.“
„Stattdessen haben Sie ihn zur Rede gestellt und getötet?“
„Nein!“
Merle war aufgesprungen und funkelte Robin böse an.
„Niemals hätte ich das getan. Ich habe mich jeden Tag gefeiert! Er konnte mir nicht mehr in die Augen sehen, denn ich habe ihm gedroht, seiner Frau alles zu sagen.“
„Sie haben ihn also erpresst? Das macht es noch schlimmer. Vielleicht wollte er sich das nicht mehr gefallen lassen und hat Sie in die Weinberge bestellt. Sie haben sich gestritten und dann haben Sie ihn gestoßen, wobei er zu Tode gekommen ist.“
„Nein! Ich war nicht in den Weinbergen!“
Robin ärgerte sich. Er hätte die Frau gern in U-Haft gesteckt, doch sie konnten ihr nichts beweisen. Eric hätte ihnen niemals einen Haftbefehl ausgestellt. Außerdem hatte er das Gefühl, dass sie die Wahrheit sagte.
„Gut, das reicht erstmal. Wissen Sie denn die Namen der Damen, die er noch auf seiner Liste hatte?“
Merle nahm ein Blatt Papier und notierte sieben Namen.
„Das sind die Patientinnen, mit denen er im Bett war. Also die, von denen ich weiß. Immer nur die jungen und sehr hübschen. Aber ich war ja auch so blöd, auf ihn hereinzufallen.“
„Wissen Sie, wie das Verhältnis zu seiner Frau war? War sie über seine Affären informiert?“
Merle rollte mit den Augen.
„Natürlich wusste sie Bescheid. Jedenfalls denke ich mir das, aber sie war sicher nicht über Details im Bilde. Er hat sich nicht sehr viel Mühe gegeben, das alles zu verbergen. Manchmal hat er behauptet, sie hätten eine offene Beziehung. Dass ich nicht lache!“
Im Auto sagte Robin: „Mandy Tschötz wirkt so lieb und süß, wie ein Engel … sie schien nichts zu wissen.“
„Tja, wahrscheinlich ist sie eine gute Schauspielerin. Aber eines weiß ich: Wir haben eine fast unlösbare Aufgabe vor uns, denn es gibt sehr viele Kandidaten, die für einen Mord infrage kommen. Männer und Frauen haben ein Motiv.“
„Da hast du recht. Lass uns morgen zuerst zu den Damen von der Liste fahren. Eine Sache haben wir noch gar nicht herausgefunden.“
„Was denn?“
„Ob es mal eine verpfuschte OP gab.“
„Stimmt. Wir brauchen einen Plan, wie wir diesen Berg Arbeit in den Griff bekommen, sonst sind wir die nächsten drei Wochen nur noch mit Befragungen beschäftigt.“
Ferdinand stimmte ihnen zu, als Robin ihm die Tragweite des Falles schilderte.
„Ich besorge Leute, die euch unterstützen können. Und ihr sollt zu Dr. Hacke kommen.“
Susanne stöhnte, denn sie hasste den frauenfeindlichen Gerichtsmediziner. Er vergriff sich jedes Mal im Ton, obwohl ihn sowohl Ferdinand als auch Eric ermahnt hatten, vernünftig und sachlich mit ihr zu reden. Es war das einzige Mal gewesen, dass Susanne Eric wütend erlebt hatte. Danach hatte sich Dr. Hacke zusammengerissen, aber in der letzten Zeit war er wieder zu seinem üblichen herablassenden Tonfall übergegangen.
„Ich gehe allein“, sagte Robin und lächelte, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
„Danke. Ich mache mal eine Liste und teile die Namen auf.“
„Mach das.“