Ben Hur. Lewis Wallace

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Ben Hur - Lewis Wallace

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Wann? Wohin? Warum?«

      Er lachte.

      »Drei Fragen in einem Atem! Wie neugierig du doch bist!«

      Im nächsten Augenblick war er wieder ernst. »Du weißt, daß das Gesetz es mir zur Pflicht macht, einen Beruf zu ergreifen. Unser guter Vater gab mir das beste Beispiel. Selbst du würdest mich verachten, wenn ich die Früchte seines Fleißes und Wissens im Müßiggang verzehren würde. Ich gehe nach Rom.«

      »O, ich gehe mit!«

      »Du mußt bei der Mutter bleiben. Wenn wir beide sie verlassen, wird sie sterben.«

      Trauer malte sich auf ihrem Gesichte.

      »Ach ja! Aber mußt du denn fort? Hier in Jerusalem kannst du alles lernen, was ein Kaufmann zu wissen nötig hat, wenn es das ist, woran du denkst.«

      »Daran denke ich nicht. Das Gesetz gebietet nicht, daß der Sohn den Beruf des Vaters wähle.« »Was willst du denn sonst werden?«

      »Soldat!« antwortete er mit einem gewissen Stolze.

      Tränen traten ihr in die Augen. »Du wirst getötet werden.«

      »Wenn es Gottes Wille ist, so sei es denn! Aber, Tirzah, nicht alle Soldaten werden getötet.«

      Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken, als ob sie ihn zurückhalten wollte.

      »Wir sind so glücklich! Bleib zu Hause, Bruder!«

      »Das Vaterhaus kann für uns nicht immer das sein, was es bisher war. Auch du wirst in nicht ferner Zeit fortgehn.«

      »Niemals!«

      Er lächelte über diese Entschlossenheit.

      »Bald wird ein Fürst Judahs oder eines andern Stammes kommen, um meine Tirzah werben und sie mit sich nehmen, damit sie einem andern Hause als Stern leuchte. Was wird dann aus mir werden?«

      Ein Schluchzen war ihre Antwort.

      »Soldatsein ist ein Beruf,« fuhr Judah mit noch mehr Ernst fort. »Um ihn vollständig zu erlernen, muß man in die Schule gehn. Es gibt aber keine bessere Kriegsschule als ein römisches Lager.«

      »Du wirst doch nicht für Rom kämpfen?« fragte sie mit angehaltenem Atem.

      »Auch du, selbst du hassest Rom! Die ganze Welt haßt es. Hierin, Tirzah, suche den Grund der Antwort, die ich dir gebe. Ja, ich will für Rom kämpfen, wenn ich dadurch lerne, einst gegen Rom zu kämpfen.«

      »Wann willst du abreisen?«

      In diesem Augenblick wurden Amrahs Schritte gehört.

      »Still!« sagte er. »Laß sie nicht wissen, woran ich denke.«

      Die treue Dienerin kam mit dem Frühstück und setzte die Platte, auf welcher sie es trug, auf einen Stuhl vor beide hin. Dann blieb sie mit weißen Tüchern auf dem Arme stehen, um die Geschwister zu bedienen. Sie tauchten eben die Finger in ein Gefäß mit Wasser und spülten sie ab, als ein Lärm auf der Straße ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie horchten und unterschieden kriegerische Musik, welche von der nördlichen Straße her klang.

      »Soldaten aus dem Prätorium! Ich muß sie sehen!« rief Judah, vom Diwan aufspringend, und eilte hinaus.

      Im nächsten Augenblick lehnte er sich über die aus Ziegeln gemauerte Brustwehr am nordöstlichen Winkel des Daches. Er war so in den Anblick, der sich ihm darbot, versunken, daß er nicht merkte, wie Tirzah an seine Seite trat und die eine Hand aus seine Schulter legte.

      Da das Dach alle umliegenden Gebäude überragte, konnten sie von ihrem Platze aus ostwärts bis zum gewaltigen Turm der Burg Antonia, wo die Garnison lag und der Prokurator sein militärisches Hauptquartier hatte, alles überblicken. Die nicht zehn Fuß breite Straße war an vielen Stellen mit Brücken überspannt, die teils offen, teils verdeckt waren; diese begannen sich jetzt ebenso wie die benachbarten Dächer mit Männern, Weibern und Kindern zu füllen, welche von der Musik angelockt wurden. Das Wort Musik ist freilich hier nicht ganz das richtige, denn was man hörte, war vielmehr ein Trompetengeschmetter, begleitet von den schrillen, dem römischen Soldaten aber so trauten Tönen hölzerner Blasinstrumente.

      Nach einer Weile wurde der Aufzug auch den beiden Geschwistern auf dem Dache sichtbar. Zuerst kam ein Vortrab Leichtbewaffneter, es waren zumeist Schleuderer und Bogenschützen, die in weiten Abständen marschierten; dann eine Abteilung Schwerbewaffneter zu Fuß mit großen Schilden und jenen langen Speeren, wie man sie schon bei den Zweikämpfen vor Ilion gebraucht haben mochte; darauf folgten die Musiker. Dann kam ein alleinreitender Offizier, dem eine berittene Leibwache folgte, dann wieder eine fast endlos lange Abteilung schwerbewaffneter Fußsoldaten, welche, eng gedrängt marschierend, die Straße von Mauer zu Mauer ausfüllte. Die sehnigen Gliedmaßen der Männer, die taktmäßige Bewegung ihrer Schilde von rechts nach links, der feste, selbstbewußte, rhythmische Schritt, die ernste Haltung der Masse, die einer riesigen Maschine glich, alles dieses machte auf Judah einen überwältigenden Eindruck. Was seine Aufmerksamkeit vor allem fesselte, war der Adler der Legion, der auf einer hohen Stange getragen wurde. Er wußte, daß man ihn mit göttlichen Ehren empfangen hatte, als er aus seinem Standorte im Turm geholt wurde.

      Auch der in der Mitte der Kolonne allein reitende Offizier erregte sein besonderes Interesse. Er war in voller Rüstung; nur sein Haupt war unbedeckt. An seiner Seite hing ein kurzes Schwert, in der Hand hielt er den Kommandostab, der wie eine Rolle weißen Papieres aussah. Sein Pferd trug statt des Sattels eine, purpurne Decke.

      Als der Mann noch in weiter Ferne war, konnte Judah schon bemerken, daß sein Erscheinen die Zuschauer in zornige Erregung versetzte. Diese lehnten sich weit über die Brustwehren der Dächer oder traten kühn vor die Haustore und ballten die Fäuste gegen ihn. Sie folgten ihm unter lautem Geschrei oder spuckten auf ihn hinab, während er unter den Brücken hindurchritt. Die Weiber warfen ihm gar ihre Sandalen nach, manchmal mit solchem Geschick, daß sie ihn trafen. Je näher er kam, desto deutlicher konnte man das Geschrei vernehmen: »Räuber! Tyrann! Römischer Hund! Nieder mit Ismael! Gebt uns unsern Annas zurück!«

      Endlich war er so nahe, daß Judah seine Gesichtszüge unterscheiden konnte. Dabei bemerkte er, daß der Mann die von den Soldaten so stolz zur Schau getragene Gleichgültigkeit nicht teilte. Sein Gesicht war finster und drohend und die Blicke, die er von Zeit zu Zeit nach seinen Verfolgern schleuderte, waren wild und feindselig, so daß die Furchtsamen davor zurückschreckten.

      Judah hatte von der Sitte gehört, daß Oberbefehlshaber nach dem Beispiele des ersten Cäsar zum Zeichen ihres Ranges in der Öffentlichkeit nur einen Lorbeerkranz zu tragen pflegten. Hieran erkannte er, daß der Offizier niemand anderer war als Valerius Gratus, der neue Prokurator von Judäa. Im Grunde hatte Judah Mitleid mit dem Römer, der in so unverdienter Weise unter dem Sturme der Volkswut zu leiden hatte. Als daher dieser die Ecke des Hauses erreichte, beugte sich der Jüngling noch weiter über die Brustwehr vor, um ihn besser sehen zu können, und dabei stützte er sich mit der Hand auf einen vorstehenden Ziegel. Dieser hatte im Laufe der Zeit einen Sprung bekommen, der bisher nicht beachtet worden war, und der Druck war stark genug, das äußere Stück des Ziegels loszulösen, es kam ins Rollen.

      Ein jäher Schreck durchzuckte den Jüngling. Er streckte die Hand aus, um das fallende Stück zu erhaschen. Die Bewegung, die er hierbei machte, konnte den Anschein erwecken, als ob er etwas von sich schleuderte. Judah stieß vor Schreck einen lauten Schrei aus, so daß die Soldaten und

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