Vendetta Colonia. Peter Wolff
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III
IV
V
Prolog
Peter Wolff
Vendetta Colonia
autobiografischer Roman
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Ein Sonntagabend im Herbst. Ich sitze mit meiner Frau vor dem Fernseher, der Tatort ist, auch mangels halbwegs anspruchsvoller Alternativangebote anderer TV-Sender, beinahe schon Tradition am siebten Wochentag.
Der heutige „Fall“ steht kurz vor seiner Auflösung: Die tot geglaubte Zwillingsschwester der Hauptprotagonistin ist es offenbar, die, weil sie ein Kind von ihrem Schwager erwartet, von diesem in Jenseits geschickt werden soll, jedoch überlebt, und sich nunmehr für den Verlust ihres ungeborenen Kindes am Schwager rächen will, indem sie das Neugeborene von diesem und ihrer Zwillingsschwester entführen und selbst aufziehen will.
Meine Gattin schüttelt den Kopf. „Viel zu sehr konstruiert, so etwas gibt es doch gar nicht.“
In einer früheren Lebensphase hätte ich ihr wohl noch beigepflichtet, mittlerweile weiß ich: Das Leben ist wie ein Irrgarten. Seine verzweigten Wege, seine bizarren Verästelungen verwirren uns oft so sehr, dass es ebenso schwierig ist, das Ziel, wie auch den Rückweg zum Ausgang zu finden.
So werden Menschen, die Böses tun, nicht etwa als Übeltäter geboren, sondern durch verhängnisvolle Lebensumstände und fatale Fügungen des Schicksals erst zu ihren Missetaten getrieben.
01
Der Begriff Faschismus steht für die politische Strömung, die der italienische 'Duce', zu Deutsch Führer, Benito Mussolini im Königreich Italien zwischen 1922 und 1943 etabliert.
Die Herrschaftsform entwickelt sich ab 1925 zur Diktatur und gilt im Folgenden als Modell für vielerlei ähnliche antiliberale Bewegungen in verschiedenen Staaten und Regionen Europas, unter anderem auch für den in Deutschland im Jahr 1933 zur Macht gelangten und bis 1945 herrschenden Nationalsozialismus (01).
Als im Frühjahr 1945 der Krieg für Italien zu Ende geht, geht das Morden im Staate weiter. Vor allem im Norden des Landes bricht ein grausamer Rachefeldzug los. Tausende von kommunistischen Partisanen machen sich daran, es den Faschisten in einer Art 'Volkstribunal' heimzuzahlen.
Die Drahtzieher dieser 'Vendetta', die Verantwortlichen dieses Nachkriegsmassakers, werden zwar verurteilt, sie entziehen sich ihrer Strafe jedoch, indem sie mit Hilfe ihrer Partei rechtzeitig fliehen können, größtenteils nach Jugoslawien und in die Tschechoslowakei (02).
Antonio Tardea, überzeugter Faschist und in Kriegszeiten in hohem Rang der Partito Nazionale Fascista, der Nationalen Faschistischen Partei, flüchtet vor den Partisanen nach Deutschland. Nachdem er in den ersten Jahren häufiger seinen Lebensmittelpunkt wechselt, um der Vendetta, der Rache der Partisanen, zu entgehen, wird er schließlich in Köln heimisch.
Antonio Tardea ist in der Vorkriegszeit in Italien ein mächtiger Mann. Seine Familie besitzt ein einflussreiches Industrieimperium und bringt es zu Macht, Ansehen und finanziellem Wohlstand.
All' das muss er nach Kriegsende aufgeben. Nach dem politischen Wechsel macht es seine unbedingte Treue zum Mussolini-Regime für ihn unmöglich, weiterhin im Heimatland zu leben.
In Deutschland muss Antonio Tardea völlig neu anfangen. Er arbeitet fortan als Maler und Lackierer und baut sich so eine neue, kleine Existenz auf. Eine Arbeit, die ihn nicht befriedigt, aber angesichts der Arbeitslosigkeit in großen Teilen Nachkriegseuropas und der Sprachbarriere, er spricht anfangs kaum Deutsch, schon ein gewisses Privileg darstellt. Sein Arbeitgeber Horst Kramer ist deutlich jünger als Tardea, trotzdem verstehen sich die beiden sehr gut.
Als die jüngere Schwester Antonio Tardeas, Amanda, ihren Bruder in der neuen Heimat besucht, lernt sie Horst Kramer kennen und nur kurze Zeit später auch lieben. Die beiden heiraten und schon bald stellt sich Nachwuchs ein. Tochter Antonella wird geboren, zwei Jahre später folgt das zweite Mädchen, das glückliche Paar nennt es Clarissa.
Einige Jahre später verstirbt Antonio Tardea, Amanda und Horst Kramer leben mit ihren Töchtern weiterhin in Köln.
Sie bauen den Kontakt zu der italienischen Verwandtschaft, den Antonio Tardea notgedrungen abbrechen musste, wieder auf und reisen anfangs noch regelmäßig mit ihren Kindern in den Süden zu Amandas Familie. Die Tardeas sind nach wie vor ein mächtiger Familienclan, ein Cousin von Antonio hat zudem Alberta Scirelli, die Tochter des Bankdirektors Gianni Scirelli, geheiratet.
Beide Familienclans zusammen haben eine immense wirtschaftliche Macht, vor allem im Norden Italiens. Hier herrschen zwar durchaus kapitalistische Produktions- und Arbeitsorganisationen vor, feudalistische Eigentums-strukturen sind jedoch keine Seltenheit. Die Familien verfügen über einen Großteil des Grundbesitzes in der Region zwischen der Ostküste der Adria und dem Alpenhauptkamm. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sind sie maßgeblich beteiligt am modernen Wiederaufbau von Kleinstädten und Handelszentren. Mit der 'ndrangheta', der norditalienischen Mafia, die mit Geldwäsche, Rauschgift- und Waffenhandel sowie Erpressung und Prostitution Reichtümer verdient, haben sie direkt nichts zu tun, Teile des Ehrenkodex mafiöser Strukturen indes beherzigen sie durchaus.
Der Stolz des Clans lässt Schwäche und Versagen nicht zu, Familienmitglieder die nicht 'funktionieren', werden verstoßen.
Von alledem bekommen Horst und Amanda Kramer, geborene Tardea, während ihrer regelmäßigen Urlaube an der Adria kaum etwas mit.
Horst Kramer ist im Familienkreis eher ein Außenseiter, als Maler und Lackierer genießt er nicht das Ansehen, dass dem Ruf der Familien Tardea und Scirelli gerecht wird.
So bleiben die Kontakte der Familie Kramer zur italienischen Verwandtschaft eher oberflächlich, über die Jahre reißen sie beinahe ganz ab. Die Besuche werden weniger, abgesehen von obligatorischen Geburtstags- oder Weihnachtsgrüßen hört man kaum mehr voneinander.
Erst