Pinocchio. Carlo Collodi
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»Wer denn? vielleicht ich selber? – Lüg nicht! – Du hast's gesagt!«
»Nein!«
»Doch!«
»Nein!!«
»Doch!!«
Immer hitziger wird der Streit. Mit Worten ist ihr Zorn nicht mehr zufrieden: schon packen sie sich an den Kitteln; der eine schlägt, der andere beißt; jetzt ringen sie miteinander auf dem Boden; jetzt schnellen sie beide auf und lassen einander los. Zwei Siegern gleich stehen sie da, einer stolzer wie der andere. Der Schnefler zerknittert Tonis Zipfelmütze in seiner Faust; Meister Pflaum aber schwingt als Siegesfahne den künstlichen Haarwuchs des »Gälfinken«.
Eine Zeitlang schauen sie sich triumphierend an; dann sagt der Schreiner:
»Gib mir meine Mütze her!«
»Wenn du mir meine Perücke gibst.«
Lachend tauschten die beiden Alten ihre Beute aus, gaben einander die Hand und versprachen treu und fest, nie mehr zu raufen, sondern stets gute Freunde zu bleiben.
»Nun denn, lieber Seppel«, fing der Schreiner an, »womit kann ich dir dienen?« –
»Ich suche ein Stück Holz für meinen Hampelmann; hast du ein passendes?«
Toni nahm das Scheit von der Hobelbank, das ihm so viel Angst eingejagt hatte, und wollte es dem Freunde in die Hand geben.
Wupp!! – Das Scheit schnellt dem guten Meister Pflaum aus der Hand, überschlägt sich und versetzt dem armen Seppel einen derben Hieb auf die harten Knochen seiner Schienbeine.
»Au!! – au!! – So, Toni! – Ist das die Freundschaft? Die Beine hast du mir halb abgeschlagen! – Au!«
»Ich habe es nicht getan; du kannst es mir glauben.«
»Dann bin ich es wieder selbst gewesen!«
»Das Holzscheit war's.«
»Rede nicht so einfältig! Du hast es mir an die Beine geschlagen!«
»Es ist nicht wahr!«
»Verlogener Kerl!«
»Seppel, keine Unarten! – Sonst heiße ich dich Gälfink.«
»Esel!«
»Gälfink!«
»Ochs!«
»Gälfink!«
»Dummer Affe!«
»Gälfink!«
Dreimal »Gälfink«, das war für Seppel zu viel. Es ging ihm Hören und Sehen aus, er stürzte auf den Schreiner los, und der Kampf entbrannte hitziger als zuvor.
Schließlich hatte der Schreiner-Toni zwei rote Kratzer mehr auf seiner blauen Pflaumennase; dem Seppel aber fehlten zwei weitere Knöpfe an der Weste. – Ihre Rechnung war damit ausgeglichen; sie drückten einander die Hand und gelobten sich aufs neue ewige Freundschaft.
Seppel nahm sein Holzscheit, dankte dem guten Meister Pflaum, und obgleich ihn sein Bein noch schmerzte, hinkte er doch fröhlich nach Hause.
Drittes Stück.
Bengele kommt auf die Welt. – Seine ersten Spitzbubereien
Ein kleines Zimmer zu ebener Erde war Seppels ganze Wohnung. Es hatte ein einziges Fenster und war nur notdürftig ausgestattet. Ein wackeliger Stuhl, ein wurmstichiger Tisch, ein elendes Bett, das waren die Möbel des armen Schneflers. – In der Ecke stand ein kleiner eiserner Ofen; er brannte lustig, und das Wasser in dem Topfe, der darauf stand, kochte und dampfte, daß es eine Freude war.
Als Seppel nach Hause kam, nahm er gleich sein Werkzeug und fing an, den Hampelmann zu schnitzen.
Es quälte ihn nur noch eine Sorge. Er wackelte mit dem Kopfe hin und her, sann und dachte und fragte sich: »Ein Name!? – Ein Name!? – Was für einen Namen soll ich meinem Hampel geben?« Plötzlich sprang er auf, griff sich an die Stirne und sagte:
»Ja! – ›Bengele‹ muß er heißen. Das ist ein schöner Name und er bringt ihm Glück. Ich habe eine ganze Familie Bengele gekannt: der brave Vater Bengele, die fleißige Mutter Bengele, die Bengele Buben, alle so tüchtig, und allen ist es in der Welt gut gegangen. Einer von ihnen hat sogar Kienholz in der Stadt verkauft.«
Als Seppel den Namen gefunden hatte, arbeitete er mit doppeltem Eifer. – Schon konnte man die Haare, die Stirne, die Augen des Hampelmannes erkennen.
Wie zittert da plötzlich die Hand des emsigen Schnitzers! – Die Holzaugen rollen wie Glaskugeln, bleiben stehen und schauen den Meister starr und steif an.
Seppel wurde stets ärgerlich, wenn ihn jemand fixierte, und sagte jetzt gereizt:
»Stiert mich nicht so blöde an, ihr hölzernen Glotzaugen!«
Allein die Augen kümmerten sich um des Meisters Worte nicht. – Verstimmt arbeitete Seppel weiter und formte die Nase.
Eine neue Überraschung! – Aus dem Gesichte heraus wächst und wächst das Holz, und in wenigen Minuten steht eine Nase da, so lang und spitz wie eine Gelbrübe.
Alle Mühe, sie kurz und stumpf zu schneiden, ist verloren; je mehr der arme Seppel schnitzt, desto schneller wächst die Nase. Er mußte sie schließlich lassen, wie sie wachsen wollte.
Geduldig fuhr er fort zu arbeiten und bildete den Mund. – Eine andere Ungezogenheit: der Hampelmann lacht und schneidet Grimassen.
»Laß das dumme Lachen!« gebietet der Meister; aber alles Reden ist umsonst.
»Laß mir das Lachen, ich sag' es dir zum letzten Male!« Siehe da! Der Kleine lacht nicht mehr, er streckt aber die Zunge weit heraus.
Seppel wollte sich nicht mehr stören lassen, tat, als merke er nichts, und schaffte ruhig weiter. Das Kinn, der Hals, die Schultern, der Leib, die Arme, die Hände des hölzernen Männleins gelangen dem Künstler tadellos. – Seppel schnitzte eben die Füße, als er merkte, daß ihm jemand die Perücke vom Kopfe zog. Er schaute auf und sah – nein, diese Buberei! – die Kopfbedeckung in der Hand des Hampelmanns.
»Bengele, setze mir gleich die Perücke wieder auf!«
Der Schlingel aber hatte sich die gelbe Mütze schon über den eigenen Kopf gezogen und stak so tief darin, daß er schier erstickte. All diese Unarten des Hampelmanns verdarben dem wackern Seppel die gute Laune. Traurig und wehmütig hielt er mit der Arbeit inne und sprach:
»Womit habe ich das verdient? – Wollte ich nicht einen schönen braven Hampelmann zuwege bringen? – Und nun! – Was soll das noch werden? – Er ist ein Schlingel, noch ehe er fertig ist. Ich fürchte, ach, er wird ein Unglücksbube.«
Tränen glänzten dem guten Alten in den Augen. Er hätte am liebsten aufgehört zu schnitzen;