Pinocchio. Carlo Collodi
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Читать онлайн книгу Pinocchio - Carlo Collodi страница 6
Nach und nach fingen die Holzfüße Feuer über der Kohlenglut und verbrannten zu Asche. – Bengele schnarchte und merkte nichts. Erst bei Tagesanbruch wachte er auf; denn es hatte laut an der Türe geklopft.
»Wer ist draußen?« fragte Bengele noch ganz verschlafen, gähnte und rieb sich die Augen aus.
»Ich!« kam die Antwort. Es war der Vater Seppel.
Bengele sprang schnell auf, um den Riegel an der Türe zurückzuschieben; aber schon nach zwei, drei Stelzschritten fiel er auf den Boden.
Das gab einen Lärm, als wäre ein Sack voll Kochlöffel vom fünften Stock aufs Pflaster gefallen.
»Mach mal auf«, rief Seppel immerfort auf der Straße.
»Vater, lieber Vater, ich kann ja nicht«, heulte Bengele und rutschte auf dem Boden herum.
»Warum kannst du nicht?«
»Meine Füße sind abgefressen!«
»Wer hat sie abgefressen?«
»Die Katze«, sagte Bengele. – Denn er sah gerade die Katze vor sich, die mit ein paar Hobelspänen spielte.
»Ich sag dir's zum letztenmal, mach auf, sonst geb' ich dir nachher die Katze!«
»O jeh! Ich kann nicht mehr stehen, glaub mir's doch! – Jetzt muß ich mein Leben lang auf den Knieen rutschen.«
Seppel dachte, hinter all dem Gerede stecke nur eine neue Spitzbuberei des Hampelmanns, und wollte ihr gleich ein Ende machen. Er hielt sich am Fenstergesimse fest, zog sich an der Mauer empor und stieg wie ein Feuerwehrmann ins Zimmer hinein.
Siebtes Stück.
Bengeles Morgenbrot.
Die ganze Nacht hatte man den Vater Seppel im Gefängnis festgehalten. Am frühen Morgen wurde er vor den Richter geführt. Alsbald erkannte dieser, daß der alte Mann unschuldig sei, und ließ ihn frei. Frohen Mutes kam der Schnefler nach Hause. Er hatte dem kleinen Taugenichts alles verziehen; aber jetzt erlebte er eine neue Schlingelei, und dafür wollte er den Hampelmann kräftig bestrafen.
So dachte der Schnefler, als er zum Fenster hinein in seine Wohnung stieg; aber was mußte er hier erblicken! – Mit abgebrannten Füßen kauerte der arme Hampelmann auf dem Boden und weinte und schluchzte. Dieser Jammer ging dem Vater zu Herzen. Er hob den kleinen Holzmann auf, herzte und küßte ihn.
»Bengele, mein lieber Bengele«, sagte er dabei voll Mitleid, »wie hast du dir nur die Füße so verbrennen können! Du armer, kleiner Hampelmann!«
Da erzählte ihm das hölzerne Söhnchen seine Erlebnisse:
»Ich weiß es selber nicht, lieber Vater; aber glaub mir nur, es war eine schauerliche Nacht, und ich werde sie meiner Lebtag nicht vergessen. – Gedonnert hat es und geblitzt, und ich habe so arg Angst gehabt. Dann sagte Lispel-Heimchen: ›Es geschieht dir recht, du bist ein böser Bube und verdienst es!‹ Ich hab' ihm gesagt: ›Paß auf!‹... Und es sagte: ›Du bist ein Hampelmann und hast einen Holzkopf!‹ Und ich hab' ihm den Hammer nachgeworfen; und es starb. Aber es war selber schuld; ich habe es nicht umbringen wollen. Ich hab' auch ein Pfännchen auf das Kohlenbecken gestellt; aber das Hinkelchen ist davongeflogen und hat gesagt: ›Adieu! Ich laß den Vater grüßen; man muß es bitter büßen.‹ – Ich habe immer noch mehr Hunger bekommen, und dann hat der Alte mit der Nachtmütze zum Fenster herausgeguckt und gesagt: ›Komm, halte deinen Hut hierher!‹ Und ich bekam eine ganze Schüssel voll Wasser auf den Kopf. Es ist doch keine Schande gewesen, daß ich ein Stücklein Brot gebettelt habe, gelt nicht? – Ich ging gleich heim und hatte immer noch so arg Hunger. Und ich habe so nasse, kalte Füße gehabt. An den Kohlen wollte ich sie wärmen. Dann bist du heimgekommen, und meine Füße waren abgebrannt. Jetzt habe ich immer noch Hunger und keine Füße mehr, ojeh ... eh ... eh ...!«
Dem guten Vater Seppel rannen die Tränen über die Wangen, als er die traurige Geschichte seines Zauberhampels hörte.
Er hatte allerdings von der ganzen Erzählung nur so viel verstanden, daß der Kleine fast Hungers sterbe. Deshalb zog er drei Birnen aus der Tasche, gab sie ihm und sprach:
»Iß und werde wieder froh! – Ich habe mir das Obst zum Frühstück gekauft; aber du armes Hampelchen bist hungriger wie ich.« –
»Sei so gut und schäle mir die Birnen!« »Schälen?« – Verwundert schüttelte Vater Seppel den Kopf. – »Bist du so verwöhnt und heikel? Das taugt nichts, Bengele. Ein Feinschmecker darfst du mir nicht werden. Wer weiß, wie es dir noch gehen kann im Leben!«
»Du hast schon recht, Vater; aber ich esse nie Obst mit Schalen, sonst bekomme ich Leibweh.«
Seppel zog sein Taschenmesser heraus und schälte dem Kleinen die drei Birnen. Die Schalen legte er hübsch zusammen auf den Tisch.
Bengele hatte von der ersten Birne nur noch den Butzen in der Hand und wollte ihn wegwerfen. Seppel hielt ihm den Arm und sagte:
»Langsam, mein Lieber; das legen wir zu den Schalen.«
»Aber den Butzen esse ich niemals«, sagte das Hampelchen und tat dabei sehr entrüstet.
»Wer weiß? – Versprich nicht zu viel!« mahnte der kluge Vater.
Die Butzen kamen zu den Schalen auf den Tisch. Bengele hatte mit Heißhunger die drei Birnen verzehrt, machte ein verdrießliches Gesicht, gähnte weit und sprach:
»Ich habe noch mehr Hunger.«
»Aber, liebes Kind, es ist nichts mehr da.«
»Gar nichts mehr?«
»Nur noch diese Schalen und Butzen.«
»Dann will ich einmal eine Schale versuchen.«
Er aß sie, verzog anfangs ein wenig den Mund; aber dann ging's auch an die andern, und schließlich schmeckten ihm sogar die Butzen mit den Kernen. Als der Tisch ganz leer war, streckte sich der Hampelmann, fuhr mit der Hand über sein Bäuchlein und meinte:
»So! – jetzt bin ich wieder hergestellt.«
»Na!« bemerkte Vater Seppel, »hatte ich nicht recht? Mit dem ›Niemals‹ muß man vorsichtig sein. Man weiß nie, wie es kommt in der Welt. – Bengele, du wirst noch manches erleben.«
Achtes Stück.
Bengele erhält neue Füße. – Das ABC-Buch.
Nach dem Frühstück wäre der Hampelmann am liebsten ein wenig herumgesprungen. – Es ging nicht, weil er keine Füße hatte. Traurig und unzufrieden saß er eine Zeitlang auf dem Stuhle und fing dann an bitterlich zu weinen.
Den ganzen Vormittag kümmerte sich Vater Seppel gar nicht um das Gejammer; denn Bengele sollte für seinen Ungehorsam