Pinocchio. Carlo Collodi
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Seppel freute sich seiner Kunst, da – erhielt er einen Tritt auf die Nasenspitze.
»Ich habe es nicht besser verdient«, murmelte er, »ich hätte das alles früher erwägen müssen; jetzt ist es zu spät. – Hätte ich doch nie an einen Zauberhampel gedacht!«
Nun war das Werk vollendet, und der Meister sollte bald Zauber genug erleben.
Seppel nahm seinen hölzernen Bengele und stellte ihn auf den Boden, damit er das Gehen lerne.
Der Hampel hatte steife Glieder und konnte noch nicht marschieren. Vater Seppel führte ihn an der Hand und zeigte ihm, wie man einen Fuß vor den andern stellt.
Bald waren die Beine gelenkig und Bengele konnte allein im Zimmer einhergehen. Auf einmal bemerkte er die Türe, ein Sprung auf die Straße, und er rannte davon. Gleich lief ihm Seppel nach; aber er konnte ihn nicht mehr einholen. Der Hampelmann sprang wie ein Hase. Wie klapperten seine Holzfüße auf dem Straßenpflaster! Hundert Bauernkinder, die mit Holzschuhen zur Kirche kommen, hätten keinen ärgeren Lärm machen können.
»Haltet ihn! – Packt ihn!« schrie Vater Seppel. Aber die Leute auf der Straße blieben alle höchst verwundert stehen, als sie den hölzernen Hampelmann wie einen Pudel rennen sahen. Dann fingen sie an zu lachen, und lachten so toll, daß man sich's gar nicht vorstellen kann.
Zum guten Glück kam ein Schutzmann. Der hatte den Spektakel gehört und dachte, es sei mal wieder ein Pferd durchgebrannt. Drum stellte er sich mit gespreizten Beinen mitten auf die Straße und war fest entschlossen, den Gaul zu halten und größeres Unglück zu verhüten.
Bengele hatte schon von weitem das Hindernis erkannt, das ihm die ganze Straße versperrte. Da kam dem Hampelmann ein schlauer Gedanke. Er rannte im vollen Laufe auf den Schutzmann zu, bückte sich flink und wollte ihm zwischen den weit gespreizten Beinen durchschlüpfen.
Aber er hatte sich verrechnet. Der stramme Polizist rührte sich nicht vom Platze. Mit einer geschickten Handbewegung hatte er schon den Durchbrenner gefaßt. Ratet mal, wie? – Die Nase war Bengeles Unglück. Sie war ja viel zu lang; der Schutzmann erwischte sie und hielt ihn daran fest.
Er übergab den Schlingel gleich dem Vater Seppel. Schon wollte ihm dieser eine kräftige Ohrfeige geben, aber es ging nicht. Ratet mal, warum? – In seiner Eile hatte der Schnefler dem Hampelmann keine Ohren geschnitzt.
Da faßte der Meister den Kleinen im Genicke und schob ihn fort. Bengele sperrte sich, so gut er konnte; aber es half ihm nichts. Seppel wackelte ganz bedenklich mit dem Kopfe und sprach:
»Marsch, nach Hause! Paß nur auf, daheim wollen wir miteinander abrechnen.«
Da der Wind von dieser Seite pfiff, wollte Bengele nicht mehr weiter und legte sich langwegs auf den Boden. Es dauerte nicht lange, so kamen auch schon ein Paar Straßenbummler und stellten sich um die beiden herum. Sie schwatzten hin und her. – »Armes kleines Hampelchen«, meinte einer, »du hast ganz recht, wenn du nicht nach Hause willst. Der Seppel ist ein Grobian und wird dich halbtot schlagen.«
Andere spöttelten boshaft und sagten:
»Der Schnefler-Seppel! – Ja, ja! – Er hat ein zuckersüßes Gesicht. Aber man kennt ihn. Ein Unmensch ist er, ein Rabenvater. Bei diesem Ungeheuer wird der unschuldige Kleine gut aufgehoben sein! Seht doch mal wieder die kluge Polizei.«
Immer größer ward die Menschenmenge, immer lauter ihr Schimpfen. Da kam der Schutzmann wieder, verhaftete den Meister Seppel und führte ihn fort ins Gefängnis.
Der unglückliche Alte tat keine Widerrede. Er weinte still und sprach:
»Der Zauberhampel wird mein Sorgenkind. – Wie habe ich mir doch Mühe gegeben, einen ordentlichen Kleinen aus dem Holze zu schneiden! – Wenn man doch nur an alles vorher denken könnte! Jetzt bin ich selber schuld an meiner Schande.«
Guter Vater Seppel, das war nur ein schwacher Anfang. Wenn du ahnen könntest, was für Sorgen und Leiden dein Zauberhampel noch über dich bringt, du müßtest völlig verzweifeln.
Viertes Stück.
Bengele und Lispel-Heimchen
Seppel wurde unschuldig ins Gefängnis geführt, Bengele, der Schlingel, war frei.
Hättet ihr ihn sehen können, wie er davonlief! Er wollte keinen einzigen Menschen mehr sehen, sprang zur Stadt hinaus in die Felder, setzte über hohe Dornhecken und dichte Brombeerstücke, er machte Sprünge über Löcher und Wassergräben wie ein flinkes Reh und irrte ziellos umher wie ein gehetzter Hase.
Endlich kam er nach Hause. Die Türe stand noch offen. Er trat ein und schlug sie hinter sich zu. Dann setzte er sich mitten in der Stube auf den Boden, holte tief Atem und stieß die Luft wieder aus mit einem langen, zufriedenen: Aaah!
Leider dauerte seine Behaglichkeit nicht lange. Es gab ein Geräusch im Zimmer, ein Zirpsen: Kri-kri-kri! – Bengele schaute überall herum und fragte furchtsam:
»Was soll das heißen? – Wer ist denn hier?«
»Ich!« lispelte ein zartes Stimmchen. Bengele drehte sich um und sah eine schwarze Grille langsam die Wand hinaufklettern.
»Wer bist du?«
»Ich bin das Lispel-Heimchen und wohne seit hundert Jahren in diesem Zimmer.«
»Das aber von heute an mir gehört«, ergänzte Bengele grob diese Worte. – »Bitte, mache dich aus dem Staube und laß es dir nicht zweimal sagen.«
»Wenn es sein muß, kann ich gehen. – Darf ich dir vor dem Abschied noch eine gute Lehre geben?«
»Meinetwegen! – aber kurz!«
»Schlecht geht es allen Kindern, die nicht auf ihre Eltern hören und eigenmächtig aus dem Hause laufen. Sie rennen ins Unglück und müssen einmal ihren Ungehorsam bereuen.«
»Predige nur, du Grillenkopf, und quiekse, solange es dir beliebt. Trotzdem gehe ich morgen früh schon wieder fort. Dann kannst du hier wieder einziehen. Mir gefällt es nicht. Wenn ich bleibe, so schickt man mich morgen zur Schule, und – gern oder ungern – müßte ich etwas lernen. Aber, offen gestanden, dazu habe ich gerade am wenigsten Lust. Schmetterlinge jagen und Vogelnester ausheben ist viel schöner!«
»O du Gescheitele! Weißt du, wieweit man es damit bringt? – Du wirst bald ein großer Esel sein und alle lachen dich aus!«
»Hältst du gleich den Schnabel, du schwarze Unglücksgrille«, schimpfte Bengele.
Aber Lispel-Heimchen bewahrte sein kaltes Blut und seine ernste Ruhe; es nahm dem Schlingel die Unart nicht übel und fuhr in ernstem Tone fort:
»Wenn es dir nicht paßt, in die Schule zu gehen, so lerne ein Handwerk; dann kannst du dir doch das Brot verdienen!«
Dem Bengele ging jetzt die Geduld aus und er sagte spitz:
»Weißt du, Piepser, welches Handwerk mir am besten gefällt?«
»Nein!«
»Also