Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens

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in Jahren stehender Beau mit einem Auge, der das fehlende durch ein Augenglas ersetzte, führte die Dame hinweg. In der Sakristei rauchte das Feuer, und ein wohlbetagter, abgearbeiteter und schlecht bezahlter Attorny-Schreiber, der etwas suchte, ließ seine Zeigefinger über die Pergamentseiten eines ungeheuren Registers, aus einer langen Reihe ähnlicher Bände genommen, die gleichfalls mit Begräbnisaufzeichnungen vollgepfropft waren, herunterlaufen. Über dem Kamin befand sich ein Plan von den Grabgewölben unter der Kirche, und Mr. Chick, der, um die Gesellschaft zu beleben, den literarischen Teil davon laut zum besten gab, las die Hindeutung auf Mrs. Dombeys Ruhestätte vollständig, ehe er sich Einhalt zu tun vermochte.

      Nach einem abermaligen kalten Zeitraume bot eine kleine magere Stuhlschließerin mit einem Asthma, das wohl auf den Kirchhof, aber nicht auf die Kirche hindeutete, die Gesellschaft nach dem Taufsteine auf. Hier warteten sie eine kleine Weile, während der die Hochzeitsgesellschaft sich in Reih und Glied setzte; die asthmatische Stuhlschließerin aber humpelte – teilweise infolge ihrer Gebrechlichkeit, aber auch um der Hochzeitsgesellschaft ihre Person in Erinnerung zu bringen – in dem Gebäude umher und hustete wie ein Nordkaper. Bald darauf erschien der Küster (hier der einzige heiter aussehende Gegenstand, obschon er zugleich Leichenbestatter war) mit einem Krug warmen Wassers, goß davon in den Taufkessel und sagte dabei etwas von möglicher Erkältung des Kindes, die bei dem gegenwärtigen Anlaß durch Millionen Eimer heißen Wassers nicht hätte vermieden werden können. Dann kam der Geistliche, ein angenehmer, mild aussehender junger Vikar, vor dem sich aber augenscheinlich das Kind fürchtete, gleich der Hauptfigur einer Geistergeschichte – »eine hohe, weiße Gestalt«. Wie Paul seiner ansichtig wurde, erfüllte er die Luft mit seinem Geschrei und ließ nicht ab davon, bis er ganz schwarzblau im Gesicht war.

      Ja selbst als es endlich zur großen Beruhigung von jedermann so weit gekommen war, hörte man ihn noch während des Restes der Zeremonie unter dem Portikus bald schwächer, bald lauter, bald gedämpft, bald aufs neue wieder losbrechen aus dem unwiderstehlichen Gefühl des an ihm begangenen Unrechts. Das verwirrte die Aufmerksamkeit der beiden Damen dermaßen, daß Mrs. Chick unaufhörlich nach dem mittleren Gang hinging, um durch die Stuhlschließerin etwas zu bestellen, während Miß Tox ihr Gebetbuch bei der Schießpulververschwörung offen hielt und gelegentlich aus diesem Kapitel ihre Antworten ablas.

      Während dieses ganzen Vorgangs blieb Mr. Dombey so teilnahmslos und gentlemanisch, wie nur je; vielleicht verursachte seine Anwesenheit die Kälte, welche dazu Anlaß gab, daß dem jungen Vikar beim Lesen jeder Hauch seines Mundes dampfte. Nur einmal bemerkte man eine Veränderung in seiner Miene, und das geschah, als der Geistliche in einfachem Vortrag seine Schlußermahnung an die Paten des Kindes hielt und dabei sein Auge auf Mr. Chick ruhen ließ. Mr. Dombeys Miene war bei dieser Gelegenheit so majestätisch, daß sich deutlich darin ausdrückte, »ich möchte doch sehen, ob es dieser je nötig hat, solchen Verpflichtungen nachzukommen«.

      Es dürfte für Mr. Dombey gut gewesen sein, wenn er ein bißchen weniger an seine eigene Würde und mehr an den hohen Ursprung und an den Zweck der Feierlichkeit gedacht hätte, bei der er eine so förmliche und steife Rolle spielte. Seine Anmaßung bildete einen befremdlichen Gegensatz zu der Geschichte der heiligen Handlung.

      Nachdem alles vorüber war, gab er Miß Tox abermals seinen Arm und führte sie nach der Sakristei, wo er dem Geistlichen mitteilte, es würde ihm ein großes Vergnügen gemacht haben, wenn er sich zum Diner die Ehre seiner Gesellschaft hätte erbitten können; hierauf müsse er aber wegen des unglücklichen Zustandes seiner häuslichen Angelegenheiten verzichten. Die Eintragungen wurden gemacht, die Gebühr bezahlt und weder die Stuhlschließerin, deren Husten wieder sehr schlimm geworden war, noch der Kirchendiener oder der Küster, der wie zufällig in der Tür, die zur Treppe führte, stand und mit großem Interesse das Wetter betrachtete, vergessen. Dann stiegen sie wieder in den Wagen und fuhren in derselben kalten Geselligkeit nach Hause.

      Dort war Mr. Pitt, der die Nase über einen kalten Imbiß rümpfte, der in kaltem Pomp von Glas und Silber aufgetragen war und eher einem toten Diner auf dem Paradebette, als einer sozialen Erfrischung glich. Bei ihrer Ankunft brachte Miß Tox einen Becher für ihr Patchen zum Vorschein, und Mr. Chick beschenkte es mit Messer, Gabel und Löffel in einem andern Futteral. Auch Mr. Dombey hatte sich mit einem Armband für Miß Tox versehen, und beim Empfang dieses Andenkens entwickelte besagte Dame eine große Rührung.

      »Mr. John«, sagte Dombey, »wollt Ihr die Güte haben, unten am Tisch Platz zu nehmen? Was steht vor Euch, Mr. John?«

      »Kalter Nierenbraten, Sir«, entgegnete Mr. Chick, die steifen Hände hart gegeneinander reibend. »Was habt Ihr dort, Sir?«

      »Das«, versetzte Mr. Dombey, »ist, glaube ich, irgendein kaltes Präparat von Kalbskopf. Ich sehe noch kaltes Geflügel – Schinken – Pastetchen – Salat – Hummern. »Miß Tox, wollt Ihr mir die Ehre erweisen, etwas Wein anzunehmen? Champagner für Miß Tox.«

      Lauter zahnwehmachende Dinge. Der Wein war so grimmig kalt, daß Miß Tox einen leichten Schrei ausstieß, und sie hatte große Mühe, ihn zu einem »hem« umzuwandeln. Der Nierenbraten kam aus einer so luftigen Speisekammer, daß der erste Bissen auf Mr. Chick den Eindruck machte, als ränne ihm kaltes Blei bis an die Zehenspitzen. Nur Mr. Dombey blieb unbewegt. Man hätte ihn auf einem russischen Jahrmarkt als Probe eines erfrorenen Gentlemans zum Verkauf aushängen können.

      Der vorherrschende Eindruck war sogar für seine Schwester zu viel. Sie gab sich sogar keine Mühe, ihre sonstigen Schmeicheleien und ihre Redseligkeiten anzubringen, sondern richtete alle ihre Anstrengungen darauf hin, so warm, als sie nur konnte, auszusehen.

      »Na, Sir«, sagte Mr. Chick, nach langem Schweigen einen verzweifelten Anlauf nehmend und sich dazu ein Glas Xeres füllend; »mit Eurer Erlaubnis, Sir, will ich ein Hoch auf den kleinen Paul ausbringen.«

      »Gott segne ihn!« murmelte Miß Tox, von ihrem Weine schlürfend.

      »Der liebe kleine Dombey!« flüsterte Mrs. Chick.

      »Mr. John«, sagte Mr. Dombey mit ernster Gravität, »wenn mein Sohn die Gunst, die Ihr ihm erwiesen habt, zu würdigen wüßte, so würde er sich ohne Zweifel sehr verpflichtet fühlen und Euch seinen Dank ausdrücken. Doch ich hoffe zuversichtlich, er wird mit der Zeit den Beweis liefern, daß er jeder Verantwortlichkeit gewachsen ist, welche ihm die Verbindlichkeit seiner Verwandten und Freunde im Privatleben oder die beschwerliche Beschaffenheit unserer Stellung im öffentlichen auferlegen kann.«

      Der Ton, in dem das gesprochen wurde, gab nichts Weiterem Raum, und Mr. Chick verfiel wieder in ein trübseliges Schweigen. Nicht so Miß Tox, welche Mr. Dombey sogar mit emphatischerer Aufmerksamkeit als gewöhnlich und mit einer ausdrucksvolleren Neigung ihres Kopfes auf die eine Seite zugehört hatte. Sie lehnte sich jetzt quer über den Tisch und sagte mit leiser Stimme zu Mr. Chick:

      »Louisa!«

      »Meine Liebe«, versetzte Mrs. Chick.

      »Die beschwerliche Beschäftigung unserer Stellung im öffentlichen ihm – ich habe den Ausdruck wieder vergessen.«

      »Zulegen könnte«, sagte Mrs. Chick.

      »Verzeiht, meine Liebe«, erwiderte Miß Tox. »Ich glaube nicht. Er war gerundeter und fließender. Die Verbindlichkeit seiner Verwandten und Freunde im Privatleben oder die beschwerliche Beschaffenheit der Stellung im öffentlichen – ihm – auflegen könnte?«

      »Natürlich ihm auflegen könnte«, sagte Mrs. Chick.

      Miß Tox schlug triumphierend, aber doch nur leicht ihre zarten Hände zusammen und fügte mit einem aufwärts gerichteten Blick hinein: »In der Tat Beredsamkeit!«

      Mittlerweile hatte Mr. Dombey Befehl erteilt,

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