Dombey und Sohn. Charles Dickens
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»O, so nehmt doch Platz, Miß Nipper, wenn ich bitten darf«, ergriff jetzt Jemima das Wort.
Susanna setzte sich mit stattlicher und zeremoniöser Miene auf das äußerste Ende eines Stuhls.
»In meinem Leben bin ich nie so erfreut gewesen, jemand zu sehen; ja wahrhaftig nicht. Miß Nipper«, sagte Jemima.
Susanna erweichte sich ein wenig, rückte auf ihrem Stuhl etwas weiter herauf und lächelte in Gnaden.
»Nehmt doch Euern Hut ab und tut, als ob Ihr zu Hause wäret. Miß Nipper«, bat Jemima. »Leider ist es nur ein armes Haus, und Ihr seid an dergleichen nicht gewöhnt; aber ich bin überzeugt, daß Ihr Nachsicht haben werdet.«
Durch dieses unterwürfige Benehmen wurde die Schwarzäugige so erweicht, daß sie die kleine Miß Toodle, welche an ihr vorbeiging, beim Händchen faßte und sie unverweilt nach Banbury-Croß führte.
»Aber wo ist mein netter Junge?« fragte Polly. »Mein armer Knabe? Ich bin hierher gekommen, um zu sehen, wie er sich in seinen neuen Kleidern ausnimmt.«
»Ach, wie schade!« rief Jemima. »Es wird ihm das Herz brechen, wenn er hört, daß seine Mutter hier war. Er ist in der Schule, Polly.«
»Schon angefangen?«
»Ja. Gestern ging er zum ersten Male hin, weil er fürchtete, von dem Lernen etwas zu verlieren. Aber es ist ein halber Vakanztag, Polly; wenn du nur hier bleiben könntest, bis er nach Hause kommt – du und Miß Nipper«, fügte Jemima bei, sich noch rechtzeitig der Würde der Schwarzäugigen erinnernd.
»Und wie sieht er aus, Jemima? Gott segne ihn!« stotterte Polly.
»Nun, er sieht wahrhaftig nicht so schlimm aus, als du wohl glauben magst«, erwiderte Jemima.
»Ah!« sagte Polly bewegt, »ich weiß, seine Beine müssen zu kurz sein.«
»Seine Beine sind freilich kurz«, erwiderte Jemima, »namentlich hinten; aber sie werden mit jedem Tag länger, Polly.«
Das war eine Art Trost von langsamer Aussicht, aber die Heiterkeit und Laune, mit welcher er angebracht ward, verlieh ihm einen Wert, den er dem Wesen nach nicht besaß. Nach einem kurzen Schweigen fragte Polly etwas aufgeräumter:
»Und wo ist der Vater, liebe Jemima?« – denn unter dieser patriarchalischen Bezeichnung wurde in der Familie Mr. Toodle verstanden.
»Da haben wir es wieder!« sagte Jemima. »Wie schade! Der Vater hat heute morgen sein Mittagessen mitgenommen und kommt vor Nacht nicht nach Hause. Aber er spricht immer von dir, Polly, und erzählt den Kindern von dir. Er ist die friedliebendste, geduldigste und frohherzigste Seele auf der Welt, wie er es stets war und sein wird!«
»Ich danke dir, Jemima«, rief die einfache Polly, erfreut über diese Mitteilung, wie sehr ihr auch seine Abwesenheit leid tat.
»O, du brauchst mir nicht zu danken, Polly«, versetzte ihre Schwester, indem sie ihr einen schallenden Kuß auf die Wangen drückte und dann wohlgemut mit dem kleinen Paul umhertanzte. »Ich sage bisweilen das nämliche auch von dir, und es kommt mir von Herzen.«
Trotz der zweifachen getäuschten Erwartung war es unmöglich, einen Besuch, der solche Aufnahme gefunden hatte, im Lichte eines Fehlgangs zu betrachten. Die Schwestern sprachen daher voll Hoffnung über Familienangelegenheiten, über Sieder und über alle seine Brüder und Schwestern, während die Schwarzäugige, nachdem sie mehrere Gänge nach Banbury-Croß und zurück gemacht hatte, das Möbelwerk, die Schwarzwälderuhr, den Wandschrank, das Schloß auf dem Kaminsims mit seinen roten und grünen Fenstern, die das Licht einer innen angezündeten Kerze durchstrahlen lassen konnten, und die paar kleinen schwarzen Samtkätzchen musterte, von denen jedes einen Damenbeutel im Munde hatte. Die letzteren Stücke galten unter den Staggs Gärtnern als wahre Wunderwerke der nachahmenden Kunst. Da die Unterhaltung bald allgemein wurde, damit der Schwarzäugigen auch ihr Anteil zukommen möchte, so erzählte diese junge Dame in sarkastischer Weise Jemima alles, was sie von Mr. Dombey, seinen Aussichten, seiner Familie, seinem Treiben und Charakter wußte. Dann ging sie auf ein genaues Inventar ihrer eigenen Garderobe und auf eine Aufzählung ihrer hauptsächlichsten Verwandten und Freundinnen über. Nachdem sie in dieser Weise ihr Herz erleichtert hatte, nahm sie teil an den Garnelen und dem Porter, und befand sich in der Stimmung, ewige Freundschaft zu schwören.
Die kleine Florence versäumte gleichfalls nicht, diese Gelegenheit zu benützen; denn nachdem sie unter der Führung der beiden jungen Toodles einige Hexenschirme und andere Merkwürdigkeiten der Gärten inspiziert hatte, ließ sie sich mit ihnen wohlgemut auf die Herstellung eines zeitweiligen Damms durch eine kleine grüne Lache ein, die sich in einer Ecke gesammelt hatte. Sie war noch eifrig in diesem Geschäft begriffen, als sie von Susanna gesucht und aufgefunden wurde. Letztere hatte selbst unter dem humanisierenden Einfluß der Garnelen ihre Pflicht nicht vergessen und ergoß sich jetzt unter vielen Daumenstößen in eine moralische Rede über ihre entartete Natur, indem sie ihr zugleich Gesicht und Hände wusch und die Prophezeiung beifügte, sie werde die grauen Haare ihrer ganzen Familie mit Leidwesen ins Grab bringen. Nach einiger Verzögerung, die ihren Grund in einem vertraulichen Gespräch zwischen Polly und Jemima über Geldangelegenheiten hatte (natürlich wurde das eine Treppe weiter oben abgemacht), fand wieder ein Austausch der Säuglinge statt, da Polly die ganze Zeit über ihr eigenes Kind für sich behalten und den kleinen Paul Jemima überlassen hatte. Dann verabschiedeten sich die Gäste.
Die jungen Toodles waren zuvor als Opfer einer frommen List insgesamt nach dem Laden eines benachbarten Spezereihändlers geschickt worden, unter dem ostensibeln Vorwand, sich für einen Penny etwas zu kaufen. Sobald die Küste frei war, flüchtete sich Polly. Jemima rief ihr noch nach, daß sie, wenn sie auf dem Rückwege die Citystraße einschlagen würden, sicher den von der Schule zurückkommenden Sieder treffen würden.
»Glaubt Ihr, wir haben noch Zeit, den kleinen Umweg in dieser Richtung zu machen, Susanna?« fragte Polly, als sie haltmachten, um Atem zu schöpfen.
»Warum nicht, Mrs. Richards?« entgegnete Susanna.
»Ihr wißt, es ist bald Mittagessenszeit«, sagte Polly.
Aber das bereits eingenommene Lunch machte ihre Begleiterin mehr als gleichgültig gegen diese gewichtige Rücksicht; sie nahm die Sache auf die leichte Achsel, und so wurde denn der Beschluß gefaßt, sich an dem kleinen Umwege nicht zu stoßen.
Des armen Sleders Leben war seit dem gestrigen Morgen durch den Umstand, daß er das Kostüm der barmherzigen Schleifer trug, sehr leidig geworden, da die Straßenjugend gewaltigen Anstoß daran nahm. Kein junger Galgenstrick konnte den Anblick desselben auch nur einen Moment aushalten, ohne sich auf den harmlosen Träger zu stürzen und ihm einen Possen zu spielen. Seine soziale Existenz glich mehr der eines Christen aus den ersten Zeiten, als der eines unschuldigen Kindes aus dem neunzehnten Jahrhundert. In den Straßen hatte man ihn gesteinigt, man warf ihn in die Gossen, besudelte ihn mit Kot oder drückte ihn ungestüm an die Eckpfosten. Wildfremde Jungen hatten ihm seine gelbe Kappe vom Kopf gerissen und sie in die Luft geworfen. Seine Beine mußten sich nicht nur Verbal-Kritiken und Schmähungen gefallen lassen, sondern wurden auch handgreiflich behandelt und gezwickt. Schon am Morgen hatte er auf seinem Wege nach der Anstalt der Schleifer ein vollkommen unerbetenes blaues Auge davongetragen und war deshalb von dem Schulmeister, einem hochbetagten alten Schleifer von wilder Gemütsart, den man zum Lehrer ernannt hatte, weil er nichts wußte, zu nichts