Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve.... Friedrich Schiller

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Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve... - Friedrich Schiller

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zu tadeln pflegt, daß er die Täuschung aufhebe, daß er die Gewalt der Affekte breche, das gereicht ihm zu seiner höchsten Empfehlung, denn eben diese blinde Gewalt der Affekte ist es, die der wahre Künstler vermeidet, diese Täuschung ist es, die er zu erregen verschmäht. Wenn die Schläge, womit die Tragödie unser Herz trifft, ohne Unterbrechung aufeinander folgten, so würde das Leiden über die Tätigkeit siegen. Wir würden uns mit dem Stoffe vermengen und nicht mehr über demselben schweben. Dadurch, daß der Chor die Teile auseinanderhält und zwischen die Passionen mit seiner beruhigenden Betrachtung tritt, gibt er uns unsre Freiheit zurück, die im Sturm der Affekte verlorengehen würde. Auch die tragischen Personen selbst bedürfen dieses Anhalts, dieser Ruhe, um sich zu sammeln; denn sie sind keine wirkliche Wesen, die bloß der Gewalt des Moments gehorchen und bloß ein Individuum darstellen, sondern ideale Personen und Repräsentanten ihrer Gattung, die das Tiefe der Menschheit aussprechen. Die Gegenwart des Chors, der als ein richtender Zeuge sie vernimmt und die ersten Ausbrüche ihrer Leidenschaft durch seine Dazwischenkunft bändigt, motiviert die Besonnenheit, mit der sie handeln, und die Würde, mit der sie reden. Sie stehen gewissermaßen schon auf einem natürlichen Theater, weil sie vor Zuschauern sprechen und handeln, und werden eben deswegen desto tauglicher, von dem Kunsttheater zu einem Publikum zu reden.

      Soviel über meine Befugnis, den alten Chor auf die tragische Bühne zurückzuführen. Chöre kennt man zwar auch schon in der modernen Tragödie, aber der Chor des griechischen Trauerspiels, so wie ich ihn hier gebraucht habe, der Chor als eine einzige ideale Person, die die ganze Handlung trägt und begleitet, dieser ist von jenen operhaften Chören wesentlich verschieden, und wenn ich bei Gelegenheit der griechischen Tragödie von Chören anstatt von einem Chor sprechen höre, so entsteht mir der Verdacht, daß man nicht recht wisse, wovon man rede. Der Chor der alten Tragödie ist meines Wissens seit dem Verfall derselben nie wieder auf der Bühne erschienen.

      Ich habe den Chor zwar in zwei Teile getrennt und im Streit mit sich selbst dargestellt; aber dies ist nur dann der Fall, wo er als wirkliche Person und als blinde Menge mithandelt. Als Chor und als ideale Person ist er immer eins mit sich selbst. Ich habe den Ort verändert und den Chor mehrmal abgehen lassen; aber auch Aeschylus, der Schöpfer der Tragödie, und Sophokles, der größte Meister in dieser Kunst, haben sich dieser Freiheit bedient.

      Eine andere Freiheit, die ich mir erlaubt, möchte schwerer zu rechtfertigen sein. Ich habe die christliche Religion und die griechische Götterlehre vermischt angewendet, ja, selbst an den maurischen Aberglauben erinnert. Aber der Schauplatz der Handlung ist Messina, wo diese drei Religionen teils lebendig, teils in Denkmälern fortwirkten und zu den Sinnen sprachen. Und dann halte ich es für ein Recht der Poesie, die verschiedenen Religionen als ein kollektives Ganze für die Einbildungskraft zu behandeln, in welchem alles, was einen eignen Charakter trägt, eine eigne Empfindungsweise ausdrückt, seine Stelle findet. Unter der Hülle aller Religionen liegt die Religion selbst, die Idee eines Göttlichen, und es muß dem Dichter erlaubt sein, dieses auszusprechen, in welcher Form er es jedesmal am bequemsten und am treffendsten findet.

      Donna Isabella, Fürstin von Messina.

      Don Manuel,

      Don Cesar, ihre Söhne.

      Beatrice.

      Diego.

      Boten.

      Chor, besteht aus dem Gefolge der Brüder.

      Die Ältesten von Messina, reden nicht.

      Die Szene ist eine geräumige Säulenhalle, auf beiden Seiten sind Eingänge, eine große Flügeltüre in der Tiefe führt zu einer Kapelle.

      Donna Isabella in tiefer Trauer, die Ältesten von Messina stehn um sie her.

      ISABELLA.

      Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb,

      Tret ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt,

      Heraus zu euch aus den verschwiegenen

      Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz

      Vor euren Männerblicken zu entschleiern.

      Denn es geziemt der Witwe, die den Gatten

      Verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm,

      Die schwarz umflorte Nachtgestalt dem Aug

      Der Welt in stillen Mauern zu verbergen,

      Doch unerbittlich, allgewaltig treib

      Des Augenblicks Gebieterstimme mich

      An das entwohnte Licht der Welt hervor.

      Nicht dreimal hat der Mond die Lichtgestalt

      Erneut, seit ich den fürstlichen Gemahl

      Zu seiner letzten Ruhestätte trug,

      Der mächtigwaltend dieser Stadt gebot,

      Mit starkem Arme gegen eine Welt

      Euch schützend, die euch feindlich rings umlagert.

      Er selber ist dahin, doch lebt sein Geist

      In einem tapfern Heldenpaare fort

      Glorreicher Söhne, dieses Landes Stolz.

      Ihr habt sie unter euch in freudger Kraft

      Aufwachsen sehen, doch mit ihnen wuchs

      Aus unbekannt verhängnisvollem Samen

      Auch ein unselger Bruderhaß empor,

      Der Kindheit frohe Einigkeit zerreißend,

      Und reifte furchtbar mit dem Ernst der Jahre.

      Nie hab ich ihrer Eintracht mich erfreut,

      An diesen Brüsten nährt ich beide gleich,

      Gleich unter sie verteil ich Lieb und Sorge

      Und beide weiß ich kindlich mir geneigt.

      In diesem einzgen Triebe sind sie eins,

      In allem andern trennt sie blutger Streit.

      Zwar weil der Vater noch gefürchtet herrschte,

      Hielt er durch gleicher Strenge furchtbare

      Gerechtigkeit die Heftigbrausenden im Zügel,

      Und unter eines Joches Eisenschwere

      Bog er vereinend ihren starren Sinn.

      Nicht waffentragend durften sie sich nahn,

      Nicht in denselben Mauren übernachten;

      So hemmt' er zwar mit strengem Machtgebot

      Den rohen Ausbruch ihres wilden Triebs,

      Doch

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