Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve.... Friedrich Schiller

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Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve... - Friedrich Schiller

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      SOREL.

      Sie schlägt die Augen auf, sie lebt!

      BURGUND erstaunt.

      Kehrt sie

      Uns aus dem Grab zurück? Zwingt sie den Tod?

      Sie richtet sich empor! Sie steht!

      JOHANNA steht ganz aufgerichtet und schaut umher.

      Wo bin ich?

      BURGUND.

      Bei deinem Volk, Johanna! Bei den Deinen!

      KÖNIG.

      In deiner Freunde, deines Königs Armen!

      JOHANNA nachdem sie ihn lange starr angesehen.

      Nein, ich bin keine Zauberin! Gewiß

      Ich bins nicht.

      KÖNIG.

      Du bist heilig wie die Engel,

      Doch unser Auge war mit Nacht bedeckt.

      JOHANNA sieht heiter lächelnd umher.

      Und ich bin wirklich unter meinem Volk,

      Und bin nicht mehr verachtet und verstoßen?

      Man flucht mir nicht, man sieht mich gütig an?

      – Ja, jetzt erkenn ich deutlich alles wieder!

      Das ist mein König! Das sind Frankreichs Fahnen!

      Doch meine Fahne seh ich nicht – Wo ist sie?

      Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen,

      Von meinem Meister ward sie mir vertraut,

      Vor seinem Thron muß ich sie niederlegen,

      Ich darf sie zeigen, denn ich trug sie treu.

      KÖNIG mit abgewandtem Gesicht.

      Gebt ihr die Fahne!

      Man reicht sie ihr. Sie steht ganz frei aufgerichtet, die Fahne in der Hand – Der Himmel ist von einem rosigten Schein beleuchtet.

      JOHANNA.

      Seht ihr den Regenbogen in der Luft?

      Der Himmel öffnet seine goldnen Tore,

      Im Chor der Engel steht sie glänzend da,

      Sie hält den ewgen Sohn an ihrer Brust,

      Die Arme streckt sie lächelnd mir entgegen.

      Wie wird mir – Leichte Wolken heben mich –

      Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide.

      Hinauf – hinauf – Die Erde flieht zurück –

      Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude!

      Die Fahne entfällt ihr, sie sinkt tot darauf nieder – Alle stehen lange in sprachloser Rührung- Auf einen leisen Wink des Königs werden alle Fahnen sanft auf sie niedergelassen, daß sie ganz davon bedeckt wird.

      Hippocrates

      Quae medicamenta non sanant, ferrum sanat,

      quae ferrum non sanat, ignis sanat.

      Man nehme dieses Schauspiel für nichts anders als eine dramatische Geschichte, die die Vorteile der dramatischen Methode, die Seele gleichsam bei ihren geheimsten Operationen zu ertappen, benutzt, ohne sich übrigens in die Schranken eines Theaterstücks einzuzäunen, oder nach dem so zweifelhaften Gewinn bei theatralischer Verkörperung zu geizen. Man wird mir einräumen, daß es eine widersinnige Zumutung ist, binnen drei Stunden drei außerordentliche Menschen zu erschöpfen, deren Tätigkeit von vielleicht tausend Räderchen abhänget, so wie es in der Natur der Dinge unmöglich kann gegründet sein, daß sich drei außerordentliche Menschen auch dem durchdringendsten Geisterkenner innerhalb vierundzwanzig Stunden entblößen. Hier war Fülle ineinandergedrungener Realitäten vorhanden, die ich unmöglich in die allzu engen Palisaden des Aristoteles und Batteux einkeilen konnte.

      Nun ist es aber nicht sowohl die Masse meines Schauspiels als vielmehr sein Inhalt, der es von der Bühne verbannet. Die Ökonomie desselben machte es notwendig, daß mancher Charakter auftreten mußte, der das feinere Gefühl der Tugend beleidigt und die Zärtlichkeit unserer Sitten empört. Jeder Menschenmaler ist in diese Notwendigkeit gesetzt, wenn er anders eine Kopie der wirklichen Welt und keine idealische Affektationen, keine Kompendienmenschen will geliefert haben. Es ist einmal so die Mode in der Welt, daß die Guten durch die Bösen schattiert werden und die Tugend im Kontrast mit dem Laster das lebendigste Kolorit erhält. Wer sich den Zweck vorgezeichnet hat, das Laster zu stürzen und Religion, Moral und bürgerliche Gesetze an ihren Feinden zu rächen, ein solcher muß das Laster in seiner nackten Abscheulichkeit enthüllen und in seiner kolossalischen Größe vor das Auge der Menschheit stellen – er selbst muß augenblicklich seine nächtlichen Labyrinthe durchwandern, – er muß sich in Empfindungen hineinzuzwingen wissen, unter deren Widernatürlichkeit sich seine Seele sträubt.

      Das Laster wird hier mitsamt seinem ganzen innern Räderwerk entfaltet. Es löst in Franzen all die verworrenen Schauer des Gewissens in ohnmächtige Abstraktionen auf, skelettisiert die richtende Empfindung und scherzt die ernsthafte Stimme der Religion hinweg. Wer es einmal so weit gebracht hat (ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden), seinen Verstand auf Unkosten seines Herzens zu verfeinern, dem ist das Heiligste nicht heilig mehr – dem ist die Menschheit, die Gottheit nichts – Beide Welten sind nichts in seinen Augen. Ich habe versucht, von einem Mißmenschen dieser Art ein treffendes lebendiges Konterfei hinzuwerfen, die vollständige Mechanik seines Lastersystems auseinanderzugliedern – und ihre Kraft an der Wahrheit zu prüfen. Man unterrichte sich demnach im Verfolg dieser Geschichte, wie weit ihrs gelungen hat – Ich denke, ich habe die Natur getroffen.

      Nächst an diesem stehet ein anderer, der vielleicht nicht wenige meiner Leser in Verlegenheit setzen möchte. Ein Geist, den das äußerste Laster nur reizet um der Größe willen, die ihm anhänget, um der Kraft willen, die es erheischet, um der Gefahren willen, die es begleiten. Ein merkwürdiger, wichtiger Mensch, ausgestattet mit aller Kraft, nach der Richtung, die diese bekömmt, notwendig entweder ein Brutus oder ein Catilina zu werden. Unglückliche Konjunkturen entscheiden für das zweite, und erst am Ende einer ungeheuren Verirrung gelangt er zu dem ersten. Falsche Begriffe von Tätigkeit und Einfluß, Fülle von Kraft, die alle Gesetze übersprudelt, mußten sich natürlicherweise an bürgerlichen Verhältnissen zerschlagen, und zu diesen enthusiastischen Träumen von Größe und Wirksamkeit durfte sich nur eine Bitterkeit gegen die unidealische Welt gesellen, so war der seltsame Don Quixote fertig, den wir im Räuber Moor verabscheuen und lieben, bewundern und bedauern. Ich werde es hoffentlich nicht erst anmerken dörfen, daß ich dieses Gemälde so wenig nur allein Räubern vorhalte, als die Satire des Spaniers nur allein Ritter geißelt.

      Auch

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