Der eiserne Gustav. Ханс Фаллада

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der eiserne Gustav - Ханс Фаллада страница 16

Der eiserne Gustav - Ханс Фаллада

Скачать книгу

habe es von der Aufregung in den Beinen. Vergiß nicht, es ihm zu sagen. Er muß mir adieu sagen. Ich bin seine Mutter, ich habe ihn hier rausgeholt.«

      Otto nickt wieder und geht gehorsam. Otto ist der stumme Lastesel der Familie, er wird kommandiert und ausgeschimpft, beladen – aber nach dem, was er denkt und fühlt, fragt niemand. Auch jetzt denkt die Mutter nicht mit einem Gedanken an ihren Ältesten, sie hat das Brot in der Hand, sie sieht es an, sie beriecht es, sie befühlt es. Es ist ein gutes Brot, und es ist Brot, von dem Erich gegessen hat. Langsam, mit Genuß beißt sie davon ab. Das Kauen, der nahrhafte Geschmack, das Schlucken, das Eindringen von Nahrung in sie tun ihr gut. Der letzte Rest von Erregung verflüchtigt sich, sie ißt, also lebt sie. Sie denkt nicht mehr an den Streit, den es oben vielleicht zwischen den Brüdern geben wird, sie denkt auch nicht an die kommende Auseinandersetzung mit dem Mann – sie ißt, sie lebt.

      Aber sie hat das Stück Brot noch nicht aufgegessen, da kommt Otto schon wieder. Seinem blassen, ausdruckslosen Gesicht ist nicht anzusehen, welche Botschaft er bringt.

      »Nun?« fragt die Mutter kauend. »Kommt Erich?«

      »Erich ist schon weg.«

      »Hast du ihm denn nicht gesagt, er soll mir noch adieu sagen? Ich habe dich doch so gebeten, Otto!«

      »Erich war schon weg, als ich nach oben kam.«

      »Und ...?« Ungeduldig: »Nun rede doch, Ottchen – was ist in Vaters Zimmer?«

       »Alles in Ordnung, Mutter.«

      »Gottlob!« sagt sie aufatmend. »Ich sage es immer, Erich kann mal leichtsinnig sein, aber schlecht ist er nicht. Nein, schlecht ist unser Erich nicht.«

      Sie wartet auf eine Bestätigung durch Otto, aber das ist zuviel von diesem Sohn erwartet.

      Schließlich sagt der: »Aber die Hängelampe im Zimmer von den Schwestern hat er zerbrochen ...«

      Sie wundert sich. »Warum soll Erich die denn zerbrochen haben?! Sei bloß nicht dumm. Ottchen! Das hat natürlich Doris beim Reinmachen getan, aber warte, das ziehe ich ihr am Ersten vom Lohn ab!«

      »Bubi hat uns mal erzählt, die Eva bewahrt ihr Erspartes im Gewicht von der Hängelampe auf.«

      »Die Eva? Bubi? Woher weiß Bubi denn das? Und wieso denn im Gewicht? In einem Gewicht kann man doch nichts aufbewahren.«

      »Das Gewicht ist hohl, man kann es aufschrauben.«

      »Aber ...« Sie versteht es noch immer nicht. »Aber warum zerbricht er dann die Lampe?«

      »Ich muß mit den Pferden noch in die Schmiede«, sagt Otto. »Es ist sicher, Erich hat Evas Geld genommen, und dabei ist ihm die Lampe runtergesaust und zerbrochen.«

      »Ich gebe es Eva wieder!« ruft die Mutter. »Was kann Eva viel gehabt haben? Ein paar Schmugroschen vom Haushaltsgeld! Sie soll bloß kein Geschrei machen, sag ihr das gleich, Ottchen.«

      »Ich muß jetzt mit den Pferden in die Schmiede, Mutter«, antwortet Otto. »Und Eva hat über zweihundert Mark gehabt, hat Bubi erzählt ...«

      Damit geht Otto und läßt die Mutter in neuer Sorge zurück.

      Eva hatte es nicht eilig gehabt mit ihrem Matjeskauf, sie war durch den schönen Junivormittag gebummelt, am Schloß vorbei, wo die Leute schon wieder in dicken Klumpen standen, auf den Kaiser wartend ...

      »Doof sind die!« entschied Eva. »Es weht ja keine Kaiserstandarte vom Schloß. Seine Majestät ist doch auf Nordlandfahrt – die werden sich schön die Beine in den Bauch stehen!«

      Dann war sie über die Linden gegangen, war in die Friedrichstraße eingebogen und, langsam immer weiter bummelnd, war sie bis zum Warenhaus von Wertheim gekommen.

      Eva hatte nur ihre eine Mark bei sich, sie hatte nicht die Absicht, etwas bei Wertheim zu kaufen. Aber sie ging und sah, sah und ging. Ihre Augen leuchteten: Dieser Anblick von Seide und Samt, diese Überfülle, dieser quellende Reichtum berauschten sie. Treppauf und treppab lief sie, wie sie ihr Einfall führte. Am Ende war es gleich, ob sie Kleider oder Porzellan, ob Thermosflaschen oder Hüte ansah. Nicht das einzelne berauschte sie, sondern die Fülle, Prunk und Reichtum – siebenhundert Bilder, Hunderte von Servicen ...!

      Schließlich hatte sie sich in stillere Bezirke verloren, weniger Menschen waren um sie, das Licht schien gedämpfter. Sie war in der Schmuckwarenabteilung. In den Vitrinen glänzte es matt und heller, sie beugte sich über die Kästen, sie atmete rascher. Sanfter Schein von Gold, blaues und grünliches Blitzen von Brillanten – sie schossen ihre kleinen Strahlenbündel direkt in sie hinein –, oh, so etwas einmal zu besitzen! Uhren über Uhren, aus Gold, so zierlich, so klein! Ganz schmale Ringe, aber mit einem Stein, größer als eine Erbse! Silbertabletts, mit aufgelegten Ranken, man sah förmlich, wie schwer sie waren – und sie konnte mit all ihrer Schlauheit an den Matjesheringen höchstens zwanzig Pfennig Schmu machen!

      Sie seufzte schwer.

      »Na, Frollein«, sagte eine recht freche Stimme neben ihr. »Janz hübsche Schosen, wat?«

       Sie sah hoch, mit all der Abwehrlust, die in jedem Großstadtmädchen bei jeder überraschenden männlichen Anrede wach wird. Aber gleich wurde sie unsicher. Der junge Mann mit dem schwarzen Bärtchen, der da neben ihr an der Vitrine stand, konnte auch ein Verkäufer sein. Er trug weder Kreissäge noch Panama, und 1914 trugen die Männer alle einen Hut auf dem Kopf, oder doch wenigstens in der Hand.

      »Ich kaufe nichts«, sagte sie für alle Fälle abweisend.

      »Wat macht denn det?« fragte der Jüngling wieder mit seiner frechen Stimme, bei der es sie wie Abwehr und doch nicht unangenehm überlief. »Ansehen kostet nischt und macht Vajniejen. Aber, Frollein«, sagte er überredend, »nu stellen Se sich mal vor, ick bin der dicke Wertheim – sicher isser dick! –, un Sie sind mein Frollein Braut. Un ick sare zu Ihnen: ›Such dir mal aus, mein Schatz, wat dein Herz bejehrt.‹ Wat würd'ste dir denn da aussuchen, Mächen?«

      »Sie sind ja komisch«, sagte Eva. »Was fällt Ihnen denn ein, mich so einfach zu duzen?«

      »Aba, Frollein – ick habe Ihnen doch jesacht, ick bin der dicke Wertheim, un Sie sind meine Braut – zu seine Braut sacht man doch du ...«

      »Sie haben wohl Quasselwasser getrunken, daß Sie auf nüchternen Magen soviel reden?! Wieso sind Sie denn so aufgeregt?«

      »Icke aufgeregt? Nich de Bohne! De Aufrejung kommt noch, aba bei de andern! – Also, Frollein, wie is et mit 'nem kleinen Brillantschmuck, vorne lang mit 'ne Bommel un hinten mit 'ne Schließe aus Brillanten?«

      »Das ist doch bloß was für 'ne Olle«, sagte Eva amüsiert, obwohl sie fühlte, daß mit dem jungen Mann nicht alles in Ordnung war. »Nein, wenn ich was möchte, dann möcht ich so'nen Brillantring, dort im Kasten sind sie ...«

      Sie ging weiter, an einem Verkäufer vorbei, der sich gelangweilt seine Finger beschaute, denn daß dies Pärchen keine Kundschaft wurde, war klar. »Sehen Sie, so ein Ring ...«

      »Ganz hübsch, det Dingelchen«, sagte der Jüngling gönnerhaft. »Aber, Frollein, wenn Sie meine Braut wären, würd ick Ihnen so'nen Tinnef nich schenken ...«

Скачать книгу