Der unheimliche "Erste Diener des Staates". Walter Brendel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der unheimliche "Erste Diener des Staates" - Walter Brendel страница 20

Автор:
Серия:
Издательство:
Der unheimliche

Скачать книгу

voller Devotion und Liebe, während er tatsächlich gegen die väterlichen Absichten intrigierte und zur Unterwerfung nicht bereit war.

      So verhielt er sich beispielsweise auch in der Frage seiner Vermählung. Die preußische Königin hatte ihre Pläne noch immer nicht begraben. Aber der Wind wehte endgültig aus südwestlicher Richtung. Friedrich Wilhelm I. hegte die feste Absicht, das Band mit den Habsburgern durch entsprechende Heiraten seiner beiden ältesten Kinder fester zu knüpfen. Im November 1731 ging Wilhelmine mit dem Erbprinzen von Bayreuth die Ehe ein. Man hatte sie ebenso unter Druck gesetzt, wie das wenig später mit dem Kronprinzen geschah. Diesem schlug Friedrich Wilhelm die Prinzessin Elisabeth Christine von Beiern, eine Nichte der Kaiserin, als Heiratskandidatin vor. Der inzwischen Zwanzigjährige sträubte sich. Er schrieb teils verzweifelte, teils frivole Briefe an Grumbkow. „Was die Prinzessin von Bevern betrifft", so ließ er am 26. Januar 1732 verlauten, „so kann man auf eins rechnen: Wenn ich gezwungen werde, sie zu heiraten, werde ich sie verstoßen, sobald ich der Herr bin, und ich glaube, die Kaiserin wäre darüber nicht sehr erbaut. Ich will keine Gans zur Frau haben." Immer noch voller Ablehnung schrieb er am 11. Februar: „Lieber wäre mir die größte H . .. von Berlin als eine Frömmlerin, der ein halbes Dutzend Mucker an den Röcken hängen." Und am 18. fasste er seine Verzweiflung in den Worten zusammen: „Kurz, lieber will ich sterben als wider Willen heiraten." Aber Friedrich starb nicht. Stattdessen verfasste er einen Tag später zwei Briefe. Der eine war an seinen Vater gerichtet. In ihm hieß es: „...und ist es mir lieb, dass mein allergnädigster Vater von der Prinzessin zufrieden ist. Sie mag sein, wie sie will, so werde jederzeit meines allergnädigsten Vaters Befehle nachleben; und mir nichts Lieberes geschehen kann, als wenn ich Gelegenheit habe, meinem allergnädigsten Vater meinen blinden Gehorsam zu bezeigen." Der andere Brief ging an Grumbkow. Er teilte diesem mit: „Es mag kommen, was da wolle, ich nehme sie nie!" Friedrich beschwor den Minister, dem König die Prinzessin von Bevern mies zu machen. Damit wandte er sich ausgerechnet an den Mann, der der eifrigste Befürworter dieses Plans war. Das sprach für die Unerfahrenheit des Kronprinzen. Grumbkow reagierte ablehnend. Gleichzeitig sprach er sich gegenüber Hille über Friedrich aus: „Je mehr ich über den Charakter des Kronprinzen nachdenke, um so gefährlicher finde ich ihn. Ich habe nie einen so glatt zusagenden Brief gesehen, wie den, den man dem König geschrieben hat.. . Mir aber schreibt er genau das Gegenteil und macht mir tausend ausschweifende Vorschläge, ohne eine Silbe von dem Briefe zu sagen, den er an den König gerichtet hat." Der Versuch, auf Umwegen zum Ziel zu gelangen, brachte dem Kronprinzen nicht mehr als den Ruf ein, ein verschlagener, gefährlicher Charakter zu sein. Der König nahm die von Friedrich gegebene Zusage als bindend. Sie verschaffte ihm die langersehnte Erlösung aus dem Küstriner „Gefängnis".

      Die eineinhalb Jahre in Küstrin blieben für die Entwicklung Friedrichs nicht ohne Bedeutung. Sein Mentor Hille führte ihn in die Verwaltungspraxis einer Provinz ein. Hille war ein Mann, der, von den ökonomischen Lehren der englischen Merkantilisten beeinflusst, weitreichende Pläne für eine wirtschaftliche Expansion Preußens entwickelte, die er allerdings nicht durchsetzen konnte. Zwischen ihm und dem Kronprinzen entstand ein von Spannungen nicht freies Lehrer-Schüler-Verhältnis.

      Auf Befehl Friedrich Wilhelms hatte Friedrich die Pachtanschläge der staatlichen Domänen zu überprüfen, ein für ihn langweiliges Geschäft, das er ohne Begeisterung, doch gehorsam verrichtete. Bald konnte Hille an Grumbkow berichten, dass der Kronprinz im Finanzwesen gute Fortschritte mache. Zwar glaubte er, dass sich Friedrich als König mit solcherlei Geschäften nie befassen werde - worin der sonst scharfsinnige Mann gründlich irrte -; dafür erkannte er damals bereits, dass dieser die Arbeit nie hassen, sondern Mittel und Wege finden werde, um Vergnügen mit Arbeitseifer zu verbinden. Bald entwarf Friedrich erste selbständige wirtschaftliche Projekte. So verfasste er einen Plan zur „Hebung der Leinenindustrie", der gar nicht gnädig aufgenommen wurde, nach Hilles Urteil aber erste Ansätze politischen Denkens enthielt. Der König wollte kein selbständiges „Räsonnieren" seines Sohnes. Der sollte in die finanziellen Details einer Gutswirtschaft oder einer Glashütte eindringen, diese verwalten lernen, aber nicht mehr. Genau das aber lernte Friedrich entgegen Hilles Bemühen nicht. Schon nicht mehr in Küstrin, sondern in Ruppin, wandte er sich im Oktober 1732 mit der dringenden Bitte an Grumbkow, ihm ja jemanden zu schicken, der ihm einen Pachtanschlag für die Domäne in Ruppin ausarbeite. Der König hatte einen solchen verlangt, und Friedrich musste bekennen, dass er mit dieser Aufgabe allein nicht fertig würde.

      Hille stand in einem durchaus kritischen Verhältnis zum Kronprinzen. Er versuchte, ihm die französische Schöngeisterei auszutreiben, und machte sich über seine dichterischen Versuche lustig. Über die anlässlich des Heiratsprojekts vom Kronprinzen geäußerten frivolen Ergüsse urteilte er mit dem Stolz und Puritanismus eines Bürgers. Er fand, dass sie weniger von einem starken Geist, als von einem Gecken zeugten.

      Friedrich entwickelte in seiner Küstriner Zeit Züge, die für den späteren König kennzeichnend blieben: die durchaus nicht bei allen absoluten Herrschern dieser Zeit vorhandene Bereitschaft und Lust zur Arbeit, den Hang zur „Projektmacherei" und Adelsstolz. Hille berichtete von der Verachtung Friedrichs für die Bürgerlichen. Eines Tages hatte der Kronprinz ihm gegenüber seinen Unwillen darüber geäußert, dass ein adliger Landrat dem bürgerlichen Hille Rechenschaft über seine Tätigkeit abzulegen habe. Der Bürger Hille konterte nicht ohne Selbstbewusstsein. Die Welt sei eine verkehrte, so erklärte er. Das sähe man am schlagendsten angesichts der Erscheinung, „dass Fürsten, die nicht recht klug wären oder sich nur mit Tand abgäben, trotzdem vernünftigen Leuten Befehle zu erteilen hätten." Hille schloss die Beschreibung dieser Szene mit der Genugtuung darüber, dem Prinzen eine Wahrheit gesagt zu haben, die dieser nicht häufig hören werde.

      Auch auf dem Gebiet der Außenpolitik entwickelte Friedrich in seiner Küstriner Zeit Ideen und Pläne, die er bis an sein Lebensende weiter verfolgte. Mit einer Leichtfertigkeit ohnegleichen hoffte er in dieser Zeit auf kriegerische Verwicklungen. Der Krieg war für ihn zunächst nicht mehr als ein Mittel, seinem Küstriner Gefängnis zu entrinnen. Der Kronprinz wollte unter Prinz Eugen kämpfen, um das Große und Ganze des Handwerks" zu erlernen. Etwas später, schon nicht mehr in Küstrin, als im Streit um die polnische Erbfolge erneut ein Krisenherd in Europa entstand, schrieb er wiederum an Grumbkow: „Gott weiß, ob wir Krieg bekommen oder nicht, aber ich wünschte es sicherlich, um aus der schlimmen Lage herauszukommen, in die ich zu geraten fürchte." Wer den Krieg so zur Bewältigung persönlicher Schwierigkeiten herbeisehnte, der verwart ihn auch nicht als Mittel der Politik. Aus der Küstriner Zeit, dem Jahre 1731 stammt der berühmt-berüchtigte „Natzmer-Bnef" Friedrichs der 'sein außenpolitisches Konzept für die Zukunft enthielt. Karl Dubislaw von Natzmer war einer der beiden dem Kronprinzen zur Gesellschaft beigegebenen Kammerjunker. Hille und der mit der Aufsicht über Friedrich beauftragte Geheimrat Gerhard Heinrich von Wolden urteilten über Natzmer gar nicht wohlwollend. Sie bezeichneten ihn als „Plänemacher" und „Ränkeschmieder". Dafür kam der Hang des jungen Mannes zu großen Plänen dem Kronprinzen umso mehr entgegen.

      Ausgehend von der besonderen Lage Brandenburg-Preußens, seinem uneinheitlichen territorialen Status, sprach Friedrich die Absicht aus, seinen Staat fortschreitend zu vergrößern. Abgesehen hatte er es einmal auf Polnisch-Preußen, ein Gebiet, das der König später, im Zuge der ersten Teilung Polens 1772 tatsächlich annektierte. Schon der Neunzehnjährige begründete seine aggressive Absicht wie folgt: „Gehört es einmal zu Preußen, so hat man nicht nur freie Verbindung von Pommern nach Ostpreußen, sondern man hält auch die Polen im Zaum und kann ihnen Gesetze vorschreiben." Des Weiteren reflektierte er auf den damals noch von Schweden verwalteten Teil Pommerns. „Es würde sich sehr hübsch ausnehmen, wenn es mit unserem Besitz vereinigt wäre." Die Annexion dieses Gebietes betrachtete er als Schritt zu einer weiteren Erwerbung, die sich nach Ansicht des Prinzen von selbst darbot, nämlich die Mecklenburgs. „Hier braucht man nur das Erlöschen des Herzoghauses abzuwarten, um das Land ohne weitere Förmlichkeiten einzustecken." Schließlich meldete er wie seine Vorgänger Ansprüche auf Jülich und Berg an. Großsprecherisch verkündete er: „Ich schreite von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stets neue Welten zu erobern vor." Einzelheiten darüber, wie das geschehen sollte, ersparte

Скачать книгу