Liljecronas Heimat. Selma Lagerlöf

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Liljecronas Heimat - Selma Lagerlöf

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dieser die Beine an, flog wie ein Pfeil durch die Luft und landete dicht vor der Pfarrfrau auf dem Boden.

      Kaum war er unten angelangt, als er sich auch schon auf die Hinterbeine aufrichtete und der Mutter einen Stoß versetzte, daß sie umfiel. Darauf sprang er nach dem Wirtschaftshof davon, war mit einem Satz übers Gatter weg und tanzte dann seinen Ziegen noch mehrere Minuten lang etwas vor.

      Aber im ersten Augenblick dachte niemand mehr an den Bock. Alle rannten herbei, der Mutter aufzuhelfen. Und wer von allen zuerst zur Stelle war, das war Schneewittchen. Aber die Mutter stieß sie heftig zurück und rief:

       ‘Verstelle dich nur nicht! Ich weiß wohl, wie du gegen mich gesinnt bist, denn ich sehe, daß du dich über meinen Unfall freust! Ja, lache nur, solange du kannst, ich weiß jemand, der dich zum Weinen bringen wird!’

      Und es ist allerdings wahr, Schneewittchen sah nicht so schrecklich ängstlich aus. Sie hatte ja über den Bock lachen müssen, und da war ihr Gesicht noch nicht wieder ganz ernsthaft geworden.

      Aber die Worte ihrer Stiefmutter genügten, sie für den ganzen übrigen Tag betrübt zu machen.

      Und du, meine liebe Pflegeschwester, wirst wohl verstehen, daß dieses dem Schneewittchen nicht gerade neuen Mut einflößte. Nein, das tat ein Traum, den sie in der folgenden Nacht hatte.

      Da sah Schneewittchen wieder den Bock vor sich, wie er da droben auf dem Dachfirst des Hauseingangs stand; aber jetzt war es kein wirklicher Bock mehr, sondern alle Freudigkeit und aller Humor, die von jeher in diesem Hause gewohnt hatten, waren da auf das Dach hinausgestiegen und machten sich über die Stiefmutter lustig. Und der Bock in Schneewittchens Traum konnte sprechen, und er sagte zu der Stiefmutter, es werde ihr nicht gelingen, dieses Haus zu einem kalten, harten Gefängnis zu machen, wie sie es gerne möchte, denn es sei zuviel von dem alten Geiste da, der leiste ihr Widerstand.

      Und als Schneewittchen dann erwachte, dachte sie, das sei ganz wahr, und nun war es ihr, als sei sie nicht mehr so ganz allein in ihrem Kampf gegen die Stiefmutter.«

       »Und du kannst dich darauf verlassen, sobald ich Schneewittchen wieder besuche, werde ich dem großen Bock ein paar Brotlaibe mitbringen!« sagte Anna Brogren, als die Pfarrerstochter eine Pause machte.

      »Ach, ich fürchte, dieser Schmaus kommt zu spät«, versetzte die Pfarrerstochter; »denn im letzten Brief, den ich von Schneewittchen bekam, berichtete sie gerade, die Stiefmutter habe den großen Bock schlachten lassen.«

      »Ei, sieh, ei, sieh!« sagte die Pröpstin nachdenklich. »Aber tat denn Schneewittchens Vater gar nichts dagegen und ließ den Bock einfach schlachten? Ich sage dir, jetzt bekomme ich wirklich Angst, diese Stiefmutter werde Schneewittchen noch einmal etwas Böses antun.«

      Aber da entgegnete die Pfarrerstochter rasch: »Ach nein, dem Schneewittchen tut sie wohl nichts zuleid; sie meint im Gegenteil, Schneewittchen denke an nichts anderes, als wie sie die Stiefmutter recht ärgern könnte.«

      »Das müßte sie doch besser wissen.«

      »Ach, es trifft sich auch immer so schlimm für Schneewittchen; und ich will dir gleich noch eine Geschichte erzählen, damit du siehst, wie unglücklich es Schneewittchen immer geht.«

      »Ja, ich will die Geschichte bis zu Ende hören«, versetzte die Pröpstin; »aber ich sehe eben doch, daß Schneewittchen in Gefahr ist und nicht ihre Stiefmutter.«

      »Du weißt doch,« fuhr die Pfarrerstochter fort, »daß Schneewittchens Vater selbst den ganzen Garten des Pfarrhofs angelegt hat. Ihm allein hatte man die Stachelbeeren und Johannisbeeren und die herrlichen Erdbeerländer und die Gewürzbeete sowie auch den Rosengarten auf der Westseite des Hauses zu verdanken.

      Aber das prächtigste von allem waren doch die Apfelbäume. Der Vater hatte alle selbst gepflanzt und gepfropft, und weit und breit gab es gewiß keine so herrlichen Äpfel wie die des Pfarrgartens. Wenn Schneewittchen von diesen Äpfeln aß, meinte sie immer, sie seien aus lauter Sonnenschein und Sommerwärme bereitet.

      So schöne Äpfel wie in diesem Sommer hatte Schneewittchen noch nie in ihres Vaters Garten gesehen. Ach, die herrlichen Paradiesäpfel, die Astrachaner und Goldparmänen, die Renetten und Winteräpfel! Die Bäume hingen zwar vielleicht nicht ganz so voll wie sonst, aber die Früchte waren darum um so schöner. Nicht ein einziger Apfel war wurmig; alle waren gleich groß und schön geformt. Alle Astrachaner leuchteten durchsichtig hell, alle Goldparmänen glänzten goldgelb, alle Paradiesäpfel schimmerten dunkel grünlichrot, und alle Winteräpfel hatten glühend rote Bäckchen.

      Ja, wirklich, die Äpfel waren so wundervoll, daß man in der ganzen Gegend davon sprach. Groß und schön glänzten sie bis auf die Straße hinaus, und die Vorübergehenden kamen oft in den Hof herein und baten, ob sie nicht in den Garten hineingehen und die Äpfel ansehen dürften.

      Aber nun muß ich etwas sagen. So schön und gut die Äpfel auch waren, so hatten die Pfarrleute doch auch ihren Ärger damit, und in den andern Jahren war immer eine große Menge von den Äpfeln des Pfarrgartens gestohlen worden. In diesem Jahr jedoch kam kaum ein einziger Apfel weg, denn die Pfarrfrau hielt unermüdlich Wache darüber. Von Ende August an, wo die Äpfel allmählich reif wurden, war sie immer draußen im Obstgarten, und sie wachte auch jede Nacht dort.

      Ja, sie tat sogar noch mehr als das. Sie hütete die Äpfel auch vor den Hausbewohnern. Die Gattertüren wurden mit Vorlegschlössern versehen, und die Schlüssel dazu verwahrte die Pfarrfrau in ihrer eigenen Tasche. Wenn sie dann einen recht süßen schimmernden Astrachaner fand, brach sie ihn wohl für den Vater; aber weder Großmutter Beata noch Schneewittchen bekamen je auch nur einen einzigen Apfel zu kosten.

      Ach, in den andern Jahren hatte man zwar keine so schönen Äpfel, aber mehr Freude davon gehabt! Da war niemand auf den Hof gekommen, der seine Lust nach einem Apfel nicht hätte stillen dürfen. Und man gab nicht nur den eigenen Hausbewohnern, sondern wer nur zu Besuch kam, durfte die Äpfel versuchen, und die meisten erhielten auch ein Bündelchen mit auf den Weg.

      Aber nicht einmal dann bekam irgend jemand einen davon zu essen, als die Äpfel von den Bäumen gebrochen wurden, denn diese Arbeit besorgte die Pfarrfrau ganz allein. Sie zog Handschuhe an und brach jeden einzelnen Apfel sehr fürsorglich von seinem Ast, damit keiner angestoßen oder verletzt wurde.

      Schneewittchen kam es freilich ein wenig bitter vor, daß sie gar keine von den Äpfeln bekam, während sie noch die erste Sommersüße hatten; aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, wie schön es dann sein würde, wenn sie im Spätjahr und den ganzen Winter hindurch Äpfel zu essen hätten. Die Stiefmutter verstand sie auch sicher so gut aufzubewahren, daß sie nicht faulten.

      Aber die Mutter hatte andere Pläne mit den Äpfeln, das mußte Schneewittchen bald merken. Nein, nicht im Pfarrhaus sollte all das schöne Obst gegessen werden, daran dachte die Pfarrfrau keinen Augenblick.

      Der Pfarrer hätte gewiß auch seine Äpfel gerne daheim behalten wie in den andern Jahren. Aber die Pfarrfrau hatte ausgerechnet, daß man Geld damit verdienen könnte, und so wollte sie die ganze schöne Obsternte auf dem Brobyer Markt verkaufen.

      Und es geschah, wie die Mutter es wollte. Mit zwei schwerbeladenen Wagen voll Äpfel nebst einem Knecht und einer Magd, die ihr beim Verkauf helfen sollten, fuhr sie zu Markte.

      Als sie auf dem Marktplatz angekommen war, stellte sie einen Tisch auf, öffnete die Kisten und Fässer und legte die Äpfel zum Verkauf aus. Nein, sie fürchtete sich wirklich vor keiner Arbeit! Grobe Handschuhe an den Händen und einen großen Schal umgebunden, stand sie hinter dem Tisch und bot die Äpfel feil. Sie konnte sich einfach nicht

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