SchriftZüge 14 eBook. Thomas Frick

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SchriftZüge 14 eBook - Thomas Frick

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ist ein schöner Mensch, seine Haare sind voll, sein Gesicht ist schmal und er schaut aus klugen Augen. Ich falle in diese Augen hinein und weiß nicht weiter. – Und?, fragt er. Ich möchte schreiben: Du bist schön. Stattdessen schreibe ich: Das Foto gefällt mir, du siehst jung aus. – Du aber auch, wie alt ist das Foto? – Vom letzten Jahr. – Meins auch.

      Ich stelle mir vor, wie der Mann, der dieses Gesicht trägt, in seiner Wohnung sitzt. Er ist allein in seinem Zimmer, seine Augen, die ich jetzt kenne, schauen aufmerksam auf den Bildschirm, auf mich, er ist bei mir, wir sind zusammen unterwegs, Nachtschwärmer. Über uns steht der Mond.

      Magst du mal mit mir ins Kino gehen?, fragt er.

      Ein freudiger Schreck fährt mir ins Herz: Wir werden uns sehen! Aber schon wird die Angst laut vor all der Schwere, die uns bevorsteht, dem Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken, den größeren und kleineren Schritten, und wie der Andere dabei mithalten kann. So wie wir einander Namen und Gesicht gezeigt haben, werden wir uns selbst preisgeben, wir haben angesetzt zum Landeanflug. Ich werde nicht von ihm enttäuscht sein, aber ich weiß, dass wir von vorn beginnen und unsere Vorstellungen wegwerfen müssen. Meine Sehnsucht, papierne Hülle um ein Nichts, wird zerreißen, und mein Bild von ihm als einem fernen nächtlich schimmernden Planeten, der ruft und lockt, wird im Licht verschwinden wie ein Traum. Vielleicht tauge ich nicht mehr für das richtige Leben, und vielleicht hat er sich an die Grenzenlosigkeit der Begegnungen gewöhnt, daran, zu einer Fremden von der Sehnsucht zu sprechen, einer Fremden, an der er am nächsten Tag auf der Straße unerkannt vorbeigehen wird.

      Bist du noch da, fragt er, wie wär’s mit Kino?

      Ich möchte mit ihm ausgehen, Nacht für Nacht, mit ihm Hand in Hand am Himmel unterwegs sein und das Leben träumen. Aber wir sinken bereits hinab.

      Ja gern, bald, schreibe ich und spüre mein Herz wie einen schmerzenden Klumpen.

       Elisabeth Richter lebt in der Prignitz.

       Studium der Pädagogik und Soziologie. Berufsjahre als Buchhändlerin, Internatslehrerin, Journalistin, Paartherapeutin. Autorin von Kurzgeschichten, Veröffentlichungen u.a. im MAGAZIN.

      Andreas Gößling - Barhoff & Umsetz

      1

      Tief in der Nacht, eine Landstraße zwischen Irgend- und Nirgendwo. Maz Barhoff kommt von der Straße ab, sein Wagen versackt bis Unter-

       kante Dachreling im Schnee. Er tritt aufs Gas, wechselt den Gang, versucht es aufs Neue, aber es geht nicht mehr vor- und nicht mehr rückwärts.

      Er schaltet den Motor ab und ruft Umsetz an. Ich sterbe, sagt er, im Schnee versunken und niemand weit und breit. Die Luft hier drinnen reicht gerade noch für ein Gespräch, und unter allen Namen im Telefon fiel meine Wahl auf Sie. Auch wenn ...

      Die Stimme verstummt. Umsetz liegt im Dunkeln auf seinem Bett und lauscht. Auch wenn?, wiederholt er. Maz, sind Sie noch da? Aber er bekommt nur Ächzen und Keuchen und kurz darauf Knirschen zu hören. Ihm fällt ein, was ein paar Atemzüge vorher auch dem Anrufer klar geworden sein muss: Barhoff hat neuerdings einen Wagen mit Schiebedach.

      Umsetz hält das Telefon an sein Ohr und hört zu, wie Barhoff ein- und ausatmet und dabei durch den knirschenden Schnee rennt. Oder auch umgekehrt. Maz, sagt er, warum gerade ich?

      Na, weil Sie mein Lektor sind! Barhoff bleibt stehen, dreht sich um sich selbst. Ein scheinbar endlos weites, an der Oberfläche verharschtes Schneefeld, teilt er Umsetz mit, bei jedem Schritt sackt man bis über die Knie ein. Dornbüsche hier und da, oder ein kahler Krüppelbaum. Und über mir der wie für immer nur halbvolle Mond.

      Umsetz drückt die Aufnahmetaste an seinem Telefon.

      Das ist gut, das ist sogar sehr gut, Maz.

      2

      Maz Barhoff erinnert sich, dass er nicht immer so hieß. Bevor er Umsetz kennengelernt hat, nannte er sich anders. Aber wie anders – so weit reicht seine Erinnerung nicht zurück.

      3

      Ein schon älterer Mann, braun gebrannt, in weißem Anzug, sagt zu Barhoff: Sie müssen Ihrem Kind Ihr Herz schenken! Barhoff zieht Erkundigungen über den Mann ein. Ein Dandy, denkt er zuerst, wegen des weißen Anzugs, aber der Mann ist Arzt. Was allerdings nicht ausschließt, dass er außerdem ein Dandy ist.

      Wie meinen Sie das – mein Herz schenken?, fragt Barhoff, als sie das nächste Mal zusammentreffen.

      Habe ich schenken gesagt?, fragt der Mann zurück. Opfern wäre eventuell der treffendere Ausdruck.

      Barhoff denkt längere Zeit über diese Worte nach. Am Ende beschließt er, dem Ratschlag des Mannes im weißen Anzug nicht zu folgen. Er erzählt Umsetz davon und fügt hinzu: Ich konnte mir einfach nicht darüber klar werden, wie es gemeint war.

      Das ist gut, antwortet Umsetz. Das ist sogar ausgesprochen gut – für uns beide, Maz.

      4

      Die größte Lüge ist die sogenannte Wahrheit, improvisiert Maz Barhoff. Nichts gähnt mich abgrundloser an als die Enthüllung. Nichts langweilt mich so sehr wie das, worauf schon wieder alle gespannt sind.

      Er bückt sich, schaufelt Schnee in seine Rechte.

      Sehen Sie mich, Umsetz?, fragt er. Ich habe die Cam eingeschaltet, Sie sollten mich also sehen.

      Er streckt seinen linken Arm aus und hält sich das Telefon vors Gesicht.

      Kaltes Wasser ist Hass, warmes Kitsch, sagt Barhoff. Warmwäscher sind metaphysische Lügner. Wenn ich mich wasche, dann kalt.

      Er reibt sich sein Gesicht mit Schnee ein. Samt Brille und Bartstoppeln, keuchend im Kälteschock.

      Umsetz hat sich in seinem Bett aufgesetzt, die Knie an die Brust gezogen. Er tippt fahrig auf seinem Smartphone herum, aber das Display bleibt dunkel.

      Wo sind Sie, Maz?, fragt er.

      Immer noch im Schneefeld, sagt Barhoff. Alles, was mir hier einfällt, ist weiß. Der Mann in Weiß, der von Opferherzen faselt, das fahle Weiß der Leiche, die ich sowieso bald sein werde, das Mehlweiß Ihrer papierdünn behäuteten Hände, Umsetz. Unter dem halben Mond stapfe ich dem Horizont entgegen. In der Hoffnung, auf ein Geisterdorf zu stoßen, das mich gastfreundlich aufnimmt.

      Umsetz schielt nach seinem Wecker. Sie sollten nach Hause gehen, rät er. Bevor Sie sich noch eine Bronchitis holen.

      Maz Barhoff bleibt unvermittelt stehen.

      Nach Hause?, wiederholt er. Und noch einmal, hallend in der Weite der eisig weißen Nacht: Nach Hause, Umsetz? Von dort sind wir alle vertrieben, dorthin kehren wir nicht mal im Sarg zurück!

      Ich bewundere Sie, sagt der Lektor. Ich bete jeden einzelnen Ihrer Sätze an. Sprechen Sie weiter, Maz.

      Niemand ist je nach Hause gekommen, improvisiert Barhoff im Weiterstapfen. Heimweh ist der Hautkrebs der Seele. Liebe ihr Herzfehler. Fürsorglichkeit ihr Lymphkarzinom. Mitleid ihre Blasenschwäche. Rührseligkeit ihr Grauer Star. Schneide alle Gebreste weg, dann kommt das übelste Geschwür zum Vorschein: die Seele selbst, der fahle Madensack, wie schon Hiob sagt.

      Hiob?,

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