Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43. Friedrich Gerstecker

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Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43 - Friedrich Gerstecker maritime gelbe Buchreihe

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der Heimat zu, und mit gar wehmütigen Gefühlen sah ich die schneeweißen Segel weiter und weiter fliegen, bis das Auge ihre Spur am fernen Horizont verlor.

       Nachgerade fing uns aber denn doch die Zeit an lang zu werden, und immer noch war keine Aussicht, mit solch ungünstigem Winde die ersehnte ferne Küste so bald zu erreichen. Wir näherten uns jetzt der Bank von Neufundland, über deren Südspitze wir weggingen, und dichter Nebel fing an, die See zu bedecken. Da gegen Abend wieder ein Schiff gesehen wurde und gleich darauf der Nebel dicker und dicker wurde, so musste ein Mann fortwährend vorn auf dem Verdeck die Glocke läuten, oder in ein langes, blechernes Horn stoßen, das weit auf dem Wasser hin schallte, ein Zusammenrennen mit einem anderen Fahrzeuge zu verhindern. Auch schien unser Kapitän bedeutende Angst vor Eisbergen zu hegen, von denen ihm das andere Schiff gesagt hatte. Häufig wurde das Thermometer in die See hinabgelassen, die Temperatur des Seewassers zu erfahren, da dasselbe beim Herannahen von Eisbergen sogleich bedeutend fällt.

      Der Nebel lag feucht und dick auf dem Wasser, und die Luft war recht kühl, so dass uns unsere Mäntel sehr zu statten kamen; der Wind aber wehte immer noch aus Nordwest.

      Die Blattern schienen uns auch noch nicht verlassen zu wollen: Ein Matrose hatte sie bekommen und war ebenfalls in das Krankenzimmer gebracht worden. Am 28. Juni war die Kälte so stark, wie bei uns im Dezember, und wenn drei Vierteile der Passagiere nicht mit Gewalt und Schwefelräucherungen auf das Verdeck in die freie Luft getrieben worden wären, so hätte sich keiner von ihnen aus seiner Dunsthöhle hinausgewagt. Es wundert mich nur heute noch, dass wir nicht mehr Kranke an Bord hatten, denn reine Luft ist doch die Hauptstütze der Gesundheit, und diese fehlte im Zwischendeck gänzlich.

      In dieser Nacht drehte sich der Wind zu unseren Gunsten, wobei es ziemlich stark zu regnen anfing, und da ich mit meiner Matratze gerade unter der Öffnung lag, wurde ich durch und durch nass, ehe ich aufwachte.

       Der 4. Juli, das Freiheitsfest der Amerikaner, rückte jetzt heran, und der Kapitän sagte uns, dass er das Fest feiern und allen Passagieren einen Punsch geben wolle, und auch wir beschlossen jetzt, etwas dazu vorzubereiten. Ein junger Mann namens Zllr., der schon einmal in Amerika gewesen war, entwarf den Plan.

      Erstens wurde ein Transparent mit dem amerikanischen Wappen gemalt, den Streifen und Sternen mit dem aufsteigenden Adler, und den Namen der vier Revolutionshelden: Washington, Lafayette, Franklin und Kosciuszko als Unterschrift. Dann traf es sich, dass einer der Passagiere zufällig Schwärmer und anderes Feuerwerk bei sich führte, die er bei dieser Gelegenheit zum Besten gab. Um zwölf Uhr in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli begann die Feierlichkeit. Das Transparent wurde zuerst angezündet und dabei ein für dieses Fest eigens verfertigtes Lied zur Melodie God save the king abgesungen, dann das Feuerwerk abgebrannt und die Schwärmer aus unseren Flinten geschossen. Die Nacht war ruhig, und herrlich nahmen sich die dahinsausenden Feuerstrahlen im Widerschein der dunklen Wasserfläche aus.

      Der Kapitän rief jetzt unsere Koje mit noch einigen anderen der Zwischendecks-Passagiere in die Kajüte, wo Punsch herumgereicht wurde, und unterdessen teilte der Steuermann den anderen Passagieren und Matrosen ihren Punsch auf dem Verdecke aus und nötigte besonders den weiblichen Teil der Auswanderer fortwährend zum Trinken. Die Folgen hiervon blieben nicht aus.

      Wir hatten ungefähr anderthalb Stunden ruhig in der Kajüte gesessen, getrunken und gelacht. Ich brauchte indes dabei die Vorsicht, nicht mehr als ein Glas zu trinken, da mir der Punsch ungeheuer stark vorkam und überhaupt für meinen Geschmack zu süß war, als ich zu meiner Verwunderung bemerkte, dass besonders der Doktor und noch einige andere recht sonderbar glänzende Augen bekamen und äußerst lustig wurden. Ich stand auf, die anderen folgten, und wir traten hinaus aufs Verdeck, dem Spektakel ein wenig zuzusehen, der da oben mit jedem Augenblicke toller und tobender wurde.

       Allmächtiger, wie sah es da aus! Die Matrosen waren auf den Mast und die Rahen hinaufgestiegen und ließen von dort Schwärmer in die dunkle Nacht hinauszischen, die Schiffsglocke vorn wurde geläutet wie zu Feuerlärm, und aus allen nur irgend brauchbaren Flinten wurden Schwärmer und blinde Ladungen geschossen, Zllr's. Doppelflinte sprang bei dieser Gelegenheit, ohne jedoch jemand zu beschädigen. Auf dem Mittelpunkte des Schiffes, gerade hinter dem großen Maste, war der Haupttummelplatz, und der Anblick wahrhaft wunderbar.

      Herr Ol., ein ausgezeichneter Violin-Spieler, hatte sich im Anfange freundlich dazu hergegeben, dem Volke ein wenig aufzuspielen; als es aber zu toll wurde, zog er sich zurück, und ein anderer, vor Eifer brennend, seine Kunstfertigkeit zu zeigen, setzte sich auf die Winde und fing nun an, so jämmerlich auf seiner Violine herum zu kratzen, dass nur der furchtbare Spektakel, der fast alles übertäubte, diesen schlimmeren Lärm erträglich sein ließ. Nichtsdestoweniger drehte sich alles wie toll um ihn im Kreise, und jubelnd und jauchzend kehrte sich keiner an das Schwanken und Schaukeln des Schiffes, das oft ganze Reihen der Tänzer auf einmal wie mit einem Zauberschlage nach einem Bord zu kehrte. Der Mann auf der Winde spielte indessen wie von einem bösen Geist besessen unausgesetzt fort und behauptete dabei durch eine mir unbegreifliche Geschicklichkeit seinen Sitz, das Gesicht zugleich dem Steuerruder zugekehrt. Nur wenn die Tänzer durch das Umlegen des Schiffs auf eine Seite gewälzt wurden und dort eine Weile wie Kraut und Rüben untereinander lagen, drehte er sich mit dem ganzen Leibe dem am Boden liegenden Knäuel zu und spielte, ohne jedoch eine Miene zu verziehen, ruhig weiter.

       Als ich heraufkam, fiel mir Wilhelms Mutter, eine Frau, die sonst nur immer kränklich und mürrisch an Deck herumschlich und des langen Schneiders Behauptung nach „wie sieben Meilen schlechter Weg“ aussah, um den Hals und bat mich um Gottes willen, ich möchte mit ihr tanzen. Dicht neben ihr stand ein alter Seiler, der, so lange wir auf dem Schiffe waren, Leibschmerzen gehabt hatte, auf einem Beine und drehte sich, während er selbst dazu pfiff, hopsend um seine eigene Achse. Nur der arme Schneider lag, Arme und Beine wie ein Telegraph ausgestreckt, auf dem Boden und musste durch doppelten Vorspann vom Schauplatze gezogen werden. Kurz, von den hundertachtzehn Passagieren waren nicht sechs mehr nüchtern. Ein einzelnes betrunkenes Frauenzimmer zu sehen, ist ekelhaft, hier waren es aber einige dreißig, und das wurde interessant. Das ganze Leben und Treiben also aus sicherer Entfernung betrachtend – ich kletterte in das vor dem Mast liegende kleine Boot – lag ich wohl eine Stunde lang da oben und weiß mich in der Tat der Zeit nicht zu erinnern, dass ich so viel gelacht hätte. Müde zuletzt ging ich zur Koje und erfuhr nun später, dass es der Steuermann wirklich darauf angelegt hatte, alle betrunken zu machen, indem er fast gar kein Wasser unter den Punsch getan. Der Rum war nur heiß gemacht und tüchtig gesüßt worden.

      Am nächsten Morgen war ich schon mit Tagesanbruch wieder auf und half noch manches von den gefallenen Opfern zu Bett bringen; dann herrschte mehrere Stunden Totenstille an Deck. Außer Vgl. und H. ließ sich lange keiner von den Passagieren sehen, und als sie endlich kamen, was für Gesichter trugen sie zur Schau! Bleich und überwacht, die Augen hohl und stier, die Backen eingefallen, alle über Kopfschmerz und Übelkeit klagend, schlichen sie an Deck umher und dürften jetzt natürlich nicht für Hohn und Spott sorgen. Wilhelm besonders ging sehr betrübt herum; er hatte sich im Rausche in eine Wanne mit Wasser gesetzt, in welcher der Koch das Fleisch liegen hatte, um das Salz herauszuziehen, und war bis zum Tageslicht in dem nassen Elemente sitzen geblieben, was mir allen Appetit zum Fleischessen verdarb.

      Gegen Abend wetterleuchtete es, und um elf Uhr brach das furchtbarste Gewitter, das ich je erlebt habe, über uns herein. Die Bramsegel wurden gelöst und sollten eingerefft werden. Ich selber hatte mir indessen viel Mühe gegeben, die Handgriffe an Bord so viel als möglich zu erlernen, und war besonders viel mit nach oben gegangen, das Einnehmen und Lösen der Segel wegzubekommen. Ich sprang daher auch jetzt mit den Matrosen hinauf, das Manöver auszuführen; nie aber werde ich das Gewitter und den Anblick vergessen, der sich mir dort bot.

       Wir waren oben am Bramsegel unserer drei und versuchten, die losen Falten des Tuches zusammenzunehmen und einzuschnüren, während der Wind noch wie toll mit den gelösten Enden spielte. Blitz auf Blitz, Schlag auf Schlag leuchtete und donnerte unterdessen am weiten, dunklen Himmelsgewölbe

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