Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski - Ricarda Huch страница 27
Hans Baldung (* 1484 oder 1485 in Schwäbisch Gmünd; † September 1545 in Straßburg), auch Hans Baldung Grien nach der von ihm bevorzugten Farbe Grün genannt, war ein deutscher Maler.
Hans Baldung-Grien hat den Marienmythus zu einem deutschen Märchen gemacht: von höchster irdischer Süßigkeit umwoben, wandelt das Königskind durch die Prüfungen, um endlich von seinem königlichen Vater und königlichen Sohn in die liebenden Arme aufgenommen und gekrönt zu werden. Schöne und würdige Altarbilder stellten doch nicht mehr heilige Handlungen, sondern zeremonielle Begebenheiten unter hochgestellten Personen dar, nicht weil sie Gewänder von Edelleuten tragen, sondern weil sie ganz und gar aus irdischer Luft heraus leben.
Die veränderte Auffassung des Menschen in der Kunst wurde von den Zeitgenossen bemerkt. Geiler von Kaisersberg klagte, dass die Maler jetzt, wenn sie ein Bild von Sankt Barbara oder Sankt Katharina machen sollten, Huren malten, die die Priester in der Andacht störten. Die Priester allerdings waren sehr bereit, sich stören zu lassen. Weltliche Gesinnung, das heißt Trachten nach allem, was die Sinnlichkeit, den Ehrgeiz, die Prachtliebe, den Machttrieb befriedigt, ist immer unter den Menschen vorherrschend; aber im Mittelalter wirkte ihr das Streben nach Heiligung entgegen, das im Vorbild der Klostergeistlichkeit und in der Lehre der Kirche, überall, sei es durch Wort oder Bild, gegenwärtig war. Dass die Geistlichkeit aufhörte, ein Vorbild übermenschlicher Tugend zu sein, im Gegenteil das Beispiel des Lasters war, trug sehr zur Ausbreitung der Sittenlosigkeit bei; denn diejenigen, die an ausgezeichneter Stelle stehen, werden von der Masse nachgeahmt. Der Zölibat, sicherlich immer hier und da umgangen, wurde nun offen verhöhnt. In manchen Klöstern wirtschafteten ganze Mönchsfamilien, und man erzählte sich von Haufen kleiner Knöchlein, die bei Frauenklöstern ausgegraben wären. Die satirischen Schriften der Zeit sind voll von Spott und Hohn über die Ausschweifungen der Geistlichkeit, die denen der Laien nicht nachständen. Im Maß, wie die Entwicklung der Geldwirtschaft und der kaufmännischen Betriebe die Möglichkeit dazu vermehrte, ergriff die Sucht, reich zu werden, alle Stände. Man konnte reich werden, wenn man etwas Geld zu wagen hatte, sich an einem kaufmännischen Unternehmen beteiligte, das oft großen Gewinn abwarf; hatte man keins, musste man List oder Gewalt anwenden.
Es geht vom Geld eine anregende und wild aufregende, gemeinmachende Kraft aus. Wie ein Rauschmittel prickelt es auf, lähmt und entnervt, wie manche Gifte wirkt es heilsam in kleinen Dosen, aber da es reizt und niemals sättigt, wird die Grenze fast immer überschritten. Der Mensch ist immer schwach und bestechlich und war es auch im Mittelalter; aber mit Geld lässt sich Bestechung leichter handhaben als mit Naturalien. Schnell nahm die Bestechlichkeit zu, wurde mit großer Schamlosigkeit ausgeübt, und zwar in den höchsten Kreisen am meisten, wo mehr Geld zu vergeben war und mehr gebraucht und genützt wurde. Da Frankreich das reichste Land Europas war, wurden viele deutsche Fürsten heimlich und öffentlich Anhänger Frankreichs. Wie das Beispiel des Edlen, von oben gegeben, hebt, so verdirbt das Beispiel des Gemeinen. Auch die Bauern liefen dem Meistbietenden nach und führten etwa Krieg gegen die eigenen Landsleute. Hielten die Handwerker an dem alten Grundsatz fest, dass der Gewinn eine gewisse Grenze nicht überschreiten solle, damit eine annähernde Gleichheit der Lebenshaltung innegehalten werden könne, so machten sich doch auch unter ihnen die gesteigerten Ansprüche bemerkbar. Man machte sich die Erde zu einem angenehmen Aufenthalt, ohne zu fragen, was dafür zu zahlen war. Das Wort des Apostels: „Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern die zukünftige suchen wir“, verlor seine Geltung. Anstatt des Bundes mit dem Himmel schloss man einen Bund mit der Erde und feierte ihn durch Essen und Trinken. Wie Ausgehungerte stürzte man sich auf die Kannen und Schüsseln. Das war nicht das festliche Schmausen des Mittelalters, sondern Völlerei. Durch das selbstgefällig gepflegte Schlemmen und die Trunkenheit kam etwas Unflätiges in das Leben der Deutschen, das sie bei den mäßigen Romanen verächtlich machte. Es zeigte sich, dass das Natürliche sehr widerlich sein kann. Die Gelage und das unmäßige Trinken waren hauptsächlich eine Liebhaberei der Fürsten, ebenso die Jagd. Die Jagdleidenschaft erstickte in den Fürsten und Herren jedes Gefühl für Gerechtigkeit, das ohnehin den Bauern gegenüber gering war. Der Bauer, der sich des Wildes erwehrte, das seine Äcker beschädigte, wurde mit unmenschlichen Strafen, wie Ausstechen der Augen, bedroht. Überhaupt waren die Strafen grausamer und brutaler als die Verbrechen. Man weidete sich am Anblick der Todesqualen des Gegners und an Scheußlichkeiten der Justiz, von denen man heute nur mit Schaudern liest. Waren nun auch Rohheit und Unsittlichkeit nicht ärger, als sie früher gewesen waren, so fielen sie doch mehr auf im Vergleich mit der verfeinerten und der wissenschaftlichen Bildung, die nebenherging. War es doch die Zeit, von der Hutten sagte: „Es blühen die Studien, die Geister regen sich; du nimm den Strick, Barbarei, und mache dich auf Verbannung gefasst!“ Und an anderer Stelle: „Mit der Barbarei ist es zu Ende; bisher wurden die Studien gering geachtet, jetzt kehrt man zu wahrer Gelehrsamkeit zurück, die Geister bilden sich.“
Auch hier hatte Nikolaus von Cusa einen großartigen Anfang gemacht. Von der durch die Bibel gewiesenen Ansicht ausgehend, dass die sichtbare Welt ein Bild des unsichtbaren Gottes sei, stellte er den Menschen die Aufgabe, die Natur zu erforschen, um dadurch soweit wie möglich zur Erkenntnis des an sich nicht erkennbaren Gottes zu gelangen. Er verwarf es dabei als unwürdig, sich auf Autoritäten zu stützen, das sei, wie wenn ein Pferd, anstatt frei sich seine Nahrung zu suchen, im Stall fressen muss, was ihm in der Krippe vorgeworfen werde. Er verwarf sogar die Autorität des bis dahin fast heilig gehaltenen Aristoteles. So setzte die neue Macht, die Wissenschaft, sofort als selbstherrlich, furchtlos, rebellisch ein. Sie kam als Befreier, der Zweifel ging ihr als Herold voran. Dieser schwungvolle Anlauf blieb zunächst jedoch ohne Folge. Wenn Piccolomini von den Gelehrten und Adligen Deutschlands sagte, sie seien gute treuherzige Leute, aber sie liebten die Wissenschaft nicht nach seiner Weise, und ihre Lust sei nicht die seine, so urteilte er gewiss im ganzen richtig über die Deutschen seiner Zeit. Auch als es im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts anders wurde, waren doch die Italiener den Deutschen gegenüber sehr im Vorteil, schon weil die Sprache, um deren Reinigung es sich zunächst handelte, die ihrige war.
Lorenzo Valla wurde zwischen 1405 und 1407 in Rom geboren. Er war als Sohn des kurialen Konsistorialadvokaten Luca della Valla stadtadeliger Abkunft.
Wie stolz sagt Lorenzo Valla: „Wir Römer haben die weltliche Herrschaft eingebüßt, aber kraft der glänzenden Herrschaft der Sprache regieren wir noch heute über einen großen Teil des Erdkreises: unser ist Italien, unser Frankreich, Spanien, Deutschland und viele andere Nationen, denn wo die römische Sprache herrscht, da ist römisches Reich.“ In wie sonderbarer Stellung befanden sich die deutschen Humanisten, die diesem Stolz gegenüber den Gebrauch der deutschen Sprache fördern wollten, aber sich selbst nicht gut in ihr ausdrücken konnten. Die reinere Behandlung und tiefere Durchdringung der lateinischen Sprache, wie sie nun üblich wurde, hatte für Deutschland auch Nachteile. Einst waren durch das Einströmen germanischen Geistes in die ausgebildete lateinische Sprache Dichtungen von hinreißender Lebendigkeit entstanden: Hymnen, Trink- und Liebeslieder. Die gefeilten, nach klassischen Mustern gearbeiteten Verse der deutschen Humanisten verhalten sich zu jenen wie ausgestopfte zu lebendigen Tieren. Gregor von Heimburg sagte einmal schön, als man seine tullianische Eloquenz pries, schöner als nach Weise der Bienen Zerstreutes zu sammeln, sei nach dem Vorbild des Wurms, der Seide aus seinem Eingeweide spinne, aus sich selbst heraus reden zu können. Er wolle jetzt das Studium der göttlichen Dinge betreiben, die nicht der Bewässerung durch die Fluten tullianischer Eloquenz, nicht der Redeblümchen Quintilians bedürften, sondern einer Rede, die die Sache erläutere, den Sinn kennen lehre, Dunkles aufhelle. Aber es ist nur selten, wenn überhaupt möglich, in einer fremden, erlernten Sprache Eigenes auf eigene Art zu sagen. Mochte je einmal einer von den gekrönten Dichtern vom Überschwang dichterischer Kraft erfüllt sein, Gestalt vermochte er ihm nicht zu geben. Wir begreifen diesen Dichtern gegenüber, dass Wimpheling sagte: Poesie sei ein Anhängsel der Grammatik und zu nichts gut,