Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch. Georg Schweinfurth
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Das größte von den fünf Raubtieren der Oase – denn die Hyäne fehlt daselbst des geringen Viehstandes und der mangelnden Kamele wegen – ist der nordafrikanische Wolf, den die Araber „Dib“ nennen. Alsdann folgen der Größe nach der libysche Luchs, der Nilfuchs, der Schakal und zuletzt der kleinste Repräsentant der wilden Hundefamilie, der dem Edelmarder an Größe gleichkommende Wüstenfuchs oder „Fennek“.
Lange kann ein Reisender Ägyptens Wüste durchwandert haben, bevor ihm von den räuberischen Vierfüßlern, die sie bewohnen, durch Zufall einmal mehr zu Gesicht gekommen wäre, als die Fußspur, welche sie hinterlassen. Große Geduld auf nächtlichem Anstände hat er zu bewahren, will er des einen oder anderen derselben irgendwo habhaft werden. Das sicherste Mittel zu diesem Zwecke gewähren ihm unsere Fallen und Fangeisen, denn diese zwar im Übrigen so schlauen Naturkinder fallen ihnen infolge ihres ungewitzten Gemütes gar leicht zum Opfer.
Am besten hatten sich während meines letzten Besuchs in der Oase die größeren Fuchseisen oder Schwanenhälse bewährt, denn mit Ausnahme des verschlagenen Dib gingen alle die genannten Räuber unbedenklich in die Falle, selbst wenn der Apparat bloß offen auf den Sand gelegt worden war. Nur durfte seine Anwendung in einer und derselben Gegend nicht mehrere Tage hintereinander fortgesetzt werden; ungeachtet der sorgfältigsten Reinigung mieden alsdann alle Tiere das verräterische Eisen, als wäre die Kunde von einer seitens der Arglist des Fremden drohenden Gefahr schnell unter ihnen von Munde zu Munde gegangen. Wer aber nie, selbst wenn sie aufs sorgfältigste im Sande vergraben worden, in die Falle ging, war der von den Oasenbewohnern hinsichtlich seiner Gescheitheit dem Affen zur Seite gestellte Dib, der Wolf der Wüste. Stets umschleicht dieser voll Misstrauen den freiliegenden Köder, scharrt und tastet, sondiert wohl auch die Stelle von unten her, bis das tückische Eisen seinen Blicken freiliegt; man vermag ihm eben nur mit Hilfe der Kugel beizukommen.
Unmittelbar nach Sonnenuntergang beginnen die Dibs ihre Streifzüge, kehren aber bei völliger Dunkelheit wieder zu ihren Schlupfwinkeln zurück, denn ihr schwaches Gesichtsvermögen flößt ihnen alsdann ein Gefühl von Unsicherheit und Zaghaftigkeit ein. Dies ist auch der Grund, weshalb sie bei ihren Unternehmungen einer mondklaren Nacht den Vorzug zu geben und ihre Hauptcoups für das erste Morgengrauen zu reservieren pflegen. Allabendlich bei vorgeschrittener Dämmerung hallte die ganze Oase wieder vom abscheulichen Geheule der Dibs, welche sich am Rande des Kulturlandes zusammenrotten, um den daselbst besonders häufigen Wüstenmäusen, in Ermangelung einer besseren Beute, mit vielem Eifer nachzugraben. Andere wagen sich frech bis in die Gärten und Dattelhaine, wo sie sich mit den Hunden der Bewohner umherbalgen. Wenn die Dibs zu heulen beginnen, so geschieht es in der Regel a tempo und so unerwartet und plötzlich, dass der Reisende erst nach geraumer Zeit sich des täuschenden Eindrucks zu entschlagen vermag, als wären es wehklagende Kinderstimmen, die er vernimmt. Oft bin ich in solchem Falle erschrocken ins Freie geeilt, um die Ursache des Geschreies zu erfahren; das bald darauf einfallende Hundegebell musste mich immer wieder von neuem meines Irrtums belehren. In langgezogenen herzzerreißenden Tönen erscholl da ihr von Hunger und Brotneid eingegebenes Jammergeschrei; dazu gesellte sich noch der nächtliche Ruf des Käuzchens, welches überall im alten Gemäuer zu Hause ist, der Stimme eines alten Weibes nicht unähnlich. Die übrigen Räuber verrieten durch keinen Laut ihre den Taubenhäusern und Hühnerhöfen so gefährliche Nähe. Schweigsam schlichen sie ihre bedächtigen Wege.
Die Stimme des Wüstenfuchses habe ich nur in meinen eigenen Mauern zu hören bekommen, obgleich dieses Tier an Menge alle die Stammesgenossen in der Oase bei weitem übertrifft und stellenweise der Sandboden von seinen Fährten wimmelt, als wäre eine Hammelherde darüber weggezogen.
Der Wüstenfuchs ist im südlichen Algier und Marokko ebenso häufig wie in der Libyschen Wüste, welche er in ihrer ganzen Ausdehnung von den Toren Alexandriens bis nach Kordofan hinein, von Dongola bis nach Fezzan zu bewohnen scheint. Der Name Fennek war indes in der Großen Oase unbekannt; die Eingeborenen pflegten die Wüstenfüchse schlechtweg als „Hossenat“, das heißt Füchse zu bezeichnen. Da ich kein Verfahren kannte, die letztgenannten Tiere lebendig einzufangen, dieselben aber seit langer Zeit ein besonderes Bedürfnis des Berliner Zoologischen Gartens bildeten, so forderte ich die Einwohner durch verlockende Angebote zu ihrem Fange auf. Es waren kaum vierzehn Tage verstrichen, als ich mich auch schon im Besitze von drei Dutzend dieser reizenden Geschöpfe befand, und immer neue wurden mir zugetragen – der Vorrat schien in der Tat unerschöpflich.
Fennek – Wüstenfuchs
Weil ich nicht Ketten und Käfige genug zur Hand hatte, um die Füchse alle festzumachen, so entwich mir der größte Teil derselben in ganz kurzer Zeit; andere verendeten durch allerhand Unfälle, durch Erwürgen, durch herabfallende Steine in der Ruine, die mir als Herberge diente; der Ersatz wäre immer wieder aufs leichteste zu beschaffen gewesen. Den Fennek-Fang hatten die Knaben der Oase für sich allein in Anspruch genommen. Wo man zwischen den Sanddünen oder den Kalkfelsen nur hinblicken wollte, überall begegnete man den kleinen aus Gras und Stroh errichteten Hütten, welche die Knaben im Umkreise des Ortes als Fallen aufgestellt hatten. Als Köder bedienten sie sich der Datteln, der Lieblingsspeise des Wüstenfuchses, welche er jeder anderen Kost vorzieht. Die einen Fuß hohen, schoberartig zusammengebundenen Hüttchen hatten unten am Boden eine runde, knapp der Kopfbreite des Tieres entsprechende Öffnung, und in dieser hing maskiert die verhängnisvolle Schlinge von schwachem Palmbaststricke. Wenn nun der Fennek zu den auf dem Boden des Hüttchens frei daliegenden Datteln hineinschlüpfen wollte, zog er sich selbst die Schlinge um den Hals. Ein Knoten am Stricke, in dem seiner Halsweite entsprechenden Abstande angebracht, hielt die Schlinge geeignetenorts auf und schützte den Gefangenen vor dem Erwürgtwerden, und ein der Länge nach durchbohrtes Stück Holz, durch welches der Strick gezogen war, den im Bereiche seiner Zähne befindlichen Teil des letzteren vor dem Zernagtwerden. So fand man des Morgens die hoffnungslos am Strick zappelnden Wüstenfüchse, wenn sie nicht inzwischen von einem größeren Räuber verzehrt worden waren. In der Regel kann man annehmen, dass das feine Gebiss der Fenneks einem etwa fingerdicken Stricke nichts anzuhaben vermag, in der ersten Überraschung und Verzweiflung aber versucht das Tier jedenfalls alles Mögliche sich zu befreien, sollte sogar dazu eine Selbstverstümmelung verhelfen. Der erste Fennek, der meinen Fallen zum Opfer fiel, sich aber später befreite – es war ein gewöhnliches Teller- oder Mardereisen – hinterließ in derselben die abgebrochene Spitze seines Unterkiefers mit den sechs Zähnen.
Sehr auffällig erschien es mir, wie die gefangenen Fenneks ihre ursprünglichen Sitten ablegten und die gewohnten Laute einstellten. Mit Recht legt daher auch Brehm, der unerreichte Darsteller des Lebens der Tiere, nur geringen Wert auf die Beobachtung der Lebensgewohnheiten im nichtfreien Zustande. In der ersten Zeit hatte ich meine Gefangenen, an Messingketten gefesselt, in allen Ecken und Winkeln der von mir bewohnten Ruine untergebracht. So unbändig sie sich in ihrem gegenseitigen Verhalten auch anfangs gebärdeten, ebenso geduldig und schweigsam wurden sie nach Verlauf weniger Tage. In Wut geraten, was jedes Mal bei Annäherung des Menschen geschieht kläffen sie wie ganz kleine junge Hunde und unter lebhaftem Vorschnellen des Kopfes stoßen sie schnell hintereinander ihr „Kack, Kack, Kack“ aus, Laute, welche sie noch in der späteren Gefangenschaft beibehalten.
Doch wenden wir