Auferstehung. Лев Толстой

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Auferstehung - Лев Толстой

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den kleinen, krausen schwarzen Bart und das vorne gelichtete, lockige Haupthaar zu glätten.

      Alle Toilettengegenstände, die er benutzte, die Wäsche, die Kleider, das Schuhwerk, die Kravatten, Nadeln, Hemdknöpfe waren von der besten, teuersten Qualität, unauffällig, schlicht, dauerhaft und kostbar.

      Nachdem er sich aus einem Dutzend Kravatten und Nadeln die ersten besten gewählt hatte — früher einmal war das noch neu gewesen, und hatte ihm Spaß gemacht, während er jetzt kein Interesse mehr dafür hatte — zog Nechljudow die gebürsteten und auf einem Stuhl bereitgelegten Kleider an. Dann trat er, zwar nicht besonders frisch, aber sauber und duftend, in das lange Speisezimmer, dessen Parkettboden gestern von drei Männern gebohnert worden war. Im Speisezimmer stand ein riesiges Eichen-Buffet und ein ebenso kolossaler Ausziehtisch, der mit seinen weit auseinanderstehenden, in Form von Löwentatzen geschnitzten Füßen etwas feierliches an sich hatte. Auf dem, von einem feinen Linnentuch mit gestickten Monogrammen bedeckten Tisch standen: eine silberne Kanne mit duftendem Kaffee, eine ebensolche Zuckerdose, ein Kännchen mit gekochter Sahne und ein Körbchen mit frischen Semmeln, Zwieback und Biskuits. Neben dem Service lagen die eingegangenen Briefe, Zeitungen und das neueste Heft der »Revue des deux Mondes«. Nechljudow wollte eben die Briefe vornehmen, als durch die in den Korridor führende Thür eine volle ältere Frau, in Trauer und mit einem Spitzenaufsatz, der den etwas lichten Scheitel verdeckte, hereinsegelte. Es war Agrafena Petrowna, das Stubenmädchen der seeligen, unlängst in ebendieser Wohnung verstorbenen Mutter Nechljudows, die jetzt beim Sohn die Stelle einer Wirtschafterin versah.

      Agrafena Petrowna hatte zu verschiedenen Zeiten mit Nechljudows Mutter gegen zehn Jahre im Auslande verbracht und hatte das Aussehen und die Manieren einer Dame. Sie lebte im Nechljudowschen Hause von Kind auf und hatte Dmitrij Iwanowitsch noch als Mitenjka gekannt.

      »Guten Tag, Dmitrij Iwanowitsch.«

      »Guten Morgen, Agrafena Petrowna. Was giebt’s Neues?« fragte Nechljudow scherzend.

      »Ein Brief von der Frau Fürstin, oder viel leicht auch von der Prinzeß. Das Mädchen hat ihn schon lange gebracht und wartet jetzt bei mir«, sagte Agrafena Petrowna, den Brief mit bedeutungsvollem Lächeln überreichend.

      »Gut, gleich«, sagte Nechljudow. Als er aber den Brief entgegennahm, bemerkte er das Lächeln und machte ein finsteres Gesicht.

      Das Lächeln Agrafena Petrownas bedeutete, daß der Brief von der Prinzeß Kortschagina war, mit welcher sich, ihrer Meinung nach, Nechljudow verheiraten wollte. Und diese, durch Agrafena Petrownas Lächeln ausgedrückte Annahme war dem Fürsten unangenehm.

      »Ich werde ihr also sagen, daß sie wartet«, und Agrafena Petrowna segelte, nachdem sie eine nicht am Platz liegende Tischbürste im Vorbeigehen genommen und an den richtigen Ort gethan hatte, wieder zur Thür hinaus.

      Nachdem Nechljudow den von Agrafena Petrowna überreichten parfümierten Brief geöffnet hatte, begann er zu lesen:

      »Indem ich der von mir übernommenen Verpflichtung, Ihnen Ihr Gedächtnis zu ersetzen, nach komme«, so stand auf dem dicken, grauen Bogen mit gerissenen Rändern, in scharfer aber weiter Schrift, »erinnere ich Sie daran, daß Sie heute, am 28. April, im Geschworenengericht sein müssen und daher durchaus nicht in der Lage sind, mit uns und Kolossow nach der Gemäldeausstellung zu fahren, wie Sie es gestern mit dem Ihnen eigenen Leichtsinn versprochen hatten. A moins que Vous ne soyez disposé à payer a la, cour d’assises les 300 roudles d’amende que Vous Vous refusez pour Votrs cheval dafür, daß sie nicht rechtzeitig erscheinen. Es fiel mir gestern, als Sie eben gegangen waren, ein. Vergessen Sie es also nicht.

      Pr. M. Kortschagina.«

      Auf der anderen Seite war hinzugesetzt:

      »Maman Vous fait dire que Votre couvert Vous attendra jusqu’à la nuit. Venez absolument à quelle heure que cela soit.« M.K.

      Nechljudow runzelte die Stirn. Dieses Briefchen war die Fortsetzung jener geschickten Arbeit, die von der Prinzeß Kortschagina nun schon seit zwei Monaten betrieben wurde und darin bestand, ihn mit unsichtbaren Fäden immer mehr und mehr mit der Prinzeß zu verknüpfen. Nechljudow dagegen hatte, außer der bei nicht mehr ganz jungen und nicht leidenschaftlich verliebten Männern gewöhnlichen Zaghaftigkeit der Ehe gegenüber, noch einen andern wichtigen Grund, weshalb er, auch wenn er gewollt hätte, nicht gleich um die Hand der Prinzeß an halten konnte. Dieser Grund bestand nicht darin, daß er vor zehn Jahren Katjuscha betrogen und verlassen hatte — dieses hatte er völlig vergessen und hielt es nicht für ein Hindernis für seine Ehe. Der Grund war vielmehr der, daß er zu gleicher Zeit mit einer verheirateten Frau ein Verhältnis unterhielt, das zwar von seiner Seite jetzt gelöst, von ihr aber noch nicht als gelöst betrachtet wurde.

      Nechljudow war Frauen gegenüber sehr schüchtern, und eben diese Schüchternheit hatte in jener verheirateten Frau den Wunsch erweckt, ihn sich zu unterwerfen. Sie war die Gattin des Adelsmarschalls von dem Kreise, in welchem Nechljudow wählte. Und diese Frau hatte Nechljudow in ein Verhältnis gezogen, welches für ihn mit jedem Tage immer bindender und zugleich immer ab stoßender wurde. Anfangs hatte Nechljudow der Versuchung nicht widerstehen können; nachher, im Bewußtsein der Schuld ihr gegenüber, konnte er das Verhältnis nicht ohne ihre Einwilligung lösen. Dieses war eben der Grund, weswegen Nechljudow sich nicht für berechtigt hielt, auch wenn er es gewollt hätte, bei der Kortschagina anzuhalten.

      Auf dem Tisch lag gerade ein Brief von dem Manne dieser Frau. Als Nechljudow die Handschrift und den Stempel erkannte, errötete er und empfand sofort jenen Zufluß von Energie, der sich bei ihm immer beim Nahen einer Gefahr einstellte. Aber seine Aufregung war unnütz: der Mann, der Adelsmarschall jenes Kreises, in welchem die Hauptgüter Nechljudows lagen, setzte den Fürsten davon in Kenntnis, daß zu Ende Mai eine Extrasitzung der »Landschaft« einberufen war. Zu dieser Sitzung bat er nun Nechljudow durchaus zu kommen, um bei den wichtigen Beratungen bezüglich der Schulen und Zufuhrwege, wo man eine starke Opposition von Seiten der Reaktionspartei erwartete, »donner un coup d’épaule.«

      Der Adelsmarschall gehörte zu den Liberalen, kämpfte mit einigen Gesinnungsgenossen gegen die unter Alexander III. eingetretene Reaktion, ging im Parteikampfe ganz auf und wußte nichts von seinem unglücklichen Familienleben.

      Nechljudow dachte an alle die qualvollen Augen blicke, die er in feinen Beziehungen zu diesem Menschen durchlebt hatte. Er erinnerte sich, wie er einmal geglaubt hatte, daß der Mann alles wisse, und auf ein Duell, bei welchem er in die Luft schießen wollte, gefaßt gewesen; er erinnerte sich an die furchtbare Szene mit ihr, wo sie in Verzweiflung in den Garten zum Teich hinunter gelaufen war, mit der Absicht, sich zu ertränken, während er ihr nachstürmte.

      »Ich kann jetzt nicht fahren und kann nichts unternehmen, ehe sie mir geantwortet hat«, dachte Nechljudow. Vor einer Woche hatte er ihr einen entschlossenen Brief geschrieben, in welchem er sich für schuldig und bereit zu jeder Sühne erklärte, aber dennoch, in ihrem eigenen Interesse, seine Beziehungen zu ihr endgültig abgebrochen wissen wollte. Auf diesen Brief erwartete er eine Antwort, erhielt sie aber nicht. Daß eine Antwort nicht kam, war in gewisser Hinsicht ein gutes Zeichen. Wäre sie mit einem Bruch nicht einverstanden gewesen, so hätte sie schon längst geschrieben, oder wäre sogar selbst gekommen, wie sie es früher gethan. Nechljudow hatte gehört, daß augenblicklich irgend ein Offizier bei ihr sei, der ihr den Hof mache, und dieses quälte ihn mit Eifersucht und erfüllte ihn zugleich mit Hoffnung auf Befreiung von dem peinlichen Lügengespinst.

      Ein anderer Brief war von dem Verwalter seiner Landgüter. Der Verwalter schrieb ihm, daß er, Nechljudow, selbst kommen müsse, um sich in seine Erbschaftsrechte introduzieren zu lassen, und außerdem auch, um nun die Frage zu entscheiden, wie die Bewirtschaftung der Güter weitergeführt werden sollte: ob in der Weise, wie es bisher

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