Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe
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Читать онлайн книгу Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe страница 71
Doch wandelbar wie Regenbogen,
Setzt sie den Fuß bald da, bald dort, bald hier;
Und hab' ich diese nicht betrogen,
Was hilft das andre alles mir!
Funfzehnter Auftritt
Hoffnung erscheint auf der Ruine linker Hand des Zuschauers, bewaffnet mit Helm, Schild und Speer.
DÄMON DER UNTERDRÜCKUNG.
Sie kommt! sie ist's! – Ich will sie kirren:
's ist auch ein Mädchenhaupt, ich will's verwirren.
Sie sieht mich, bleibt gelassen stehn,
Sie soll mir diesmal nicht entgehn.
Sanft teilnehmend.
Im Gedränge hier auf Erden
Kann nicht jeder, was er will;
Was nicht ist, es kann noch werden,
Hüte dich und bleibe still.
Sie hebt den Speer gegen ihn auf und steht in drohender Gebärde unbeweglich.
Doch welch ein Nebel, welche Dünste
Verbergen plötzlich die Gestalt!
Wo find' ich sie? Ich weiß nicht, wo sie wallt:
An ihr verschwend' ich meine Künste.
Verdichtet schwankt der Nebelrauch und wächst
Und webt, er webt undeutliche Gestalten,
Die deutlich, doch undeutlich, immerfort
Das Ungeheure mir entfalten.
Gespenster sind's, nicht Wolken, nicht Gespenster,
Die Wirklichen, sie dringen auf mich ein.
Wie kann das aber wirklich sein,
Das Webende, das immer sich entschleiert?
Verschleierte Gestalten, Ungestalten,
In ewigem Wechseltrug erneuert!
Wo bin ich? Bin ich mir bewußt? –
Sie sind's! sie sind auch nicht, und aus dem Grauen
Muß ich voran lebendig Kräft'ge schauen;
Fürwahr, es drängt sich Brust an Brust
Voll Lebensmacht und Kampfeslust;
Die Häupter in den Wolken sind gekrönt,
Die Füße schlangenartig ausgedehnt,
Verschlungen schlingend,
Mit sich selber ringend,
Doch alle klappernd nur auf mich gespitzt.
Die breite Wolke senkt sich, eine Wolke
Lebendig tausendfach, vom ganzen Volke,
Von allen Edlen schwer; sie sinkt, sie drückt,
Sie beugt mich nieder, sie erstickt!
Er wehrt sich gegen die von der Einbildungskraft ihm vorgespiegelte Vision, weicht ihr aus, wähnt, in die Enge getrieben zu sein, ist ganz nahe, zu knien. Die Hoffnung nimmt ihre ruhige Stellung wieder an. Er ermannt sich.
Aufgeregte Höllenbilder,
Zeigt euch wild und immer wilder,
Und ihr fechtet mich nicht an!
Euer Wanken, euer Weben
Sind Gedanken; sollt' ich beben
Vor dem selbstgeschaffnen Wahn?
Euer Lasten, euer Streben,
Ihr Verhaßten, ist kein Leben;
Eure Häupter, eure Kronen
Sind nur Schatten, trübe Luft.
Doch ich wittre Grabesduft:
Unten schein' ich mir zu wohnen,
Und schon modert mir die Gruft.
Er entflieht mit Grauen. Hoffnung ist nicht mehr zu sehen. Der Vorhang fällt.
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
LIEBE erhebt sich nach einiger Zeit, wie abwesend, wo nicht wahnsinnig.
Sag', wie ist dir denn zumalen?
Was beengt dir so das Herz?
Was ich fühle, sind nicht Qualen,
Was ich leide, ist nicht Schmerz.
Ob ich gleich den Namen höre,
Liebe, so hieß ich immerfort;
Es ist, als ob ich gar nicht wäre,
Liebe, 's ist ein leeres Wort.
GLAUBE die indessen aufgestanden, aber nicht sicher auf ihren Füßen steht.
Wankt der Felsen unter mir,
Der mich sonst so kräftig trug?
Nein! ich wanke, sinke hier,
Habe nicht mehr Kraft genug,
Mich zu halten; meine Knie
Brechen, ach, ich beuge sie
Nicht zum Beten; sinnenlos,
Herzlos lieg' ich an dem Boden,
Mir versagt, mir stockt der Oden;
Götter! meine Not ist groß!
LIEBE weiterschreitend.
Zwar gefesselt sind die Hände,
Doch der Fuß bewegt sich noch;
Wenn ich, ach, dorthin mich wende,
Schüttl' ich ab das schwere Joch.
GLAUBE wie jene, nur etwas rascher und lebhafter.
Will ich mich vom Ort bewegen,