Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe страница 73
Und glorreich über Welten schweben,
Die ihr auf ewig nun beglückt.
Doch was dem Abgrund kühn entstiegen,
Kann durch ein ehernes Geschick
Den halben Weltkreis übersiegen,
Zum Abgrund muß es doch zurück.
Schon droht ein ungeheures Bangen,
Vergebens wird er widerstehn!
Und alle, die noch an ihm hangen,
Sie müssen mit zugrunde gehn.
HOFFNUNG.
Nun begegn' ich meinen Braven,
Die sich in der Nacht versammelt,
Um zu schweigen, nicht zu schlafen,
Und das schöne Wort der Freiheit
Wird gelispelt und gestammelt,
Bis in ungewohnter Neuheit
Wir an unsrer Tempel Stufen
Wieder neu entzückt es rufen:
Mit Überzeugung, laut.
Freiheit!
Gemäßigter.
Freiheit!
Von allen Enden Echo.
Freiheit!
LIEBE.
Kommt, zu sehn, was unsre frommen
Guten Schwestern unternommen,
Die mit Seufzen sich bereiten
Auf die blutig wilden Zeiten.
GLAUBE.
Denn der Liebe Hilf' und Laben
Wird den schönsten Segen haben,
Und im Glauben überwinden
Sie die Furcht, die sie empfinden.
GENIUS I.
Ihr werdet eure Kraft beweisen,
Bereitet still den jüngsten Tag.
GENIUS II.
Denn jenes Haupt von Stahl und Eisen
Zermalmt zuletzt ein Donnerschlag.
Die sämtlichen fünfe, unter musikalischer Begleitung, kehren sich um und gehen nach dem Grunde. Die Hoffnung besteigt die Ruinen links des Zuschauers, Glaube und Liebe die Ruinen rechts; die Knaben besteigen die Treppen und stellen sich an die Pforten. Sie begrüßen sich alle untereinander nochmals zum Abschied. Es wird Nacht.
Fünfter Auftritt
UNSICHTBARES CHOR.
Sterne versanken und Monden in Blut.
Aber nun wittert und lichtet es gut:
Sonne, sie nahet dem himmlischen Thron,
Lieber, sie kommen und wecken dich schon.
Die Genien eröffnen die Pforten, indem sie sich dahinter verstecken und lauschen. Epimenides ruht noch, wie er eingeschlafen; die Lampe brennt. Er erwacht, regt sich, steht auf, tritt unter die Türe, gibt seine Verwunderung zu erkennen, tritt wankend die Stufen herunter, ungewiß, wo er sich befinde.
Sechster Auftritt
EPIMENIDES.
Und welch Erwachen! wunderbar genug!
Die Pforten öffnen sich bei düstrer Nacht.
Täuscht mich der Genien sonst so treuer Dienst?
Kein Stern am Himmel?
Es erscheint ein Komet, ungeheuer.
Welch ein furchtbar Zeichen
Erschreckt den Blick mit Rutenfeuerschein!
Wo bin ich denn? – In eine Wüstenei,
Von Fels und Baum beschränkt, bin ich begraben.
Wie war es sonst! als mir die Flügeltüren
Beim ersten Morgenlicht von Geisterhand
Sich öffneten, das liebe Himmelspaar
Mich in die holde Welt herunterführte,
Mich Tempel und Palast, und nah und fern
Die herrlichste Natur mich glänzend grüßte.
Wie düster jetzt! und was der Feuerschein
Mir ahnungsvoll entdeckt, ist grausenhaft.
Wer leitet mich? wer rettet vom Verderben?
Verdient wohl euer Freund, ihr Götter, so zu sterben?
Die Genien treten, oben an der Pforte, hervor mit
Fackeln.
Doch ihr erhört des treuen Priesters Ruf!
Ich sehe neuen goldnen Schein umschimmern:
Die Lieben sind's! o, wo sie leuchtend gehn,
Liegt keine Wüste, haust kein Schrecknis mehr.
Sie sind heruntergekommen und stehen neben ihm.
O sagt mir an, ihr Holden, welchen Traum
Von Ängstlichkeiten schafft ihr um mich her?
Sie legen den Finger auf den Mund.
Ich träume, ja! wo nicht, so hat ein Gott
In tiefe Wüsteneien mich verschlagen
Hier – keine Spur von jenem alten Glanz,
Nicht Spur von Kunst, von Ordnung keine Spur!
Es ist der Schöpfung wildes Chaos hier,
Das letzte Grauen endlicher Zerstörung.
Genien deuten hinüber und herüber.
Was deutet ihr?