Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe

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ein Hase und zwei Feldhühner! Ich habe die drei Stücke geschossen, der Vetter hat immer gepudelt.

      GRÄFIN. Du siehst wild aus, Friederike; wie du durchnäßt bist!

      FRIEDERIKE das Wasser vom Hute abschwingend. Der erste glückliche Morgen, den ich seit langer Zeit gehabt habe.

      BARON. Sie jagt mich nun schon vier Stunden im Felde herum.

      FRIEDERIKE. Es war eine rechte Lust. Gleich nach Tische wollen wir wieder hinaus.

      GRÄFIN. Wenn du's so heftig treibst, wirst du es bald überdrüssig werden.

      FRIEDERIKE. Geben Sie mir das Zeugnis, liebe Mama! wie oft hab' ich mich aus Paris wieder nach unsern Revieren gesehnt. Die Opern, die Schauspiele, die Gesellschaften, die Gastereien, die Spaziergänge, was ist das alles gegen einen einzigen vergnügten Tag auf der Jagd, unter freiem Himmel, auf unsern Bergen, wo wir eingeboren und eingewohnt sind. – Wir müssen ehester Tage hetzen, Vetter.

      BARON. Sie werden noch warten müssen, die Frucht ist noch nicht aus dem Felde.

      FRIEDERIKE. Was will das viel schaden? es ist fast von gar keiner Bedeutung. Sobald es ein bißchen auftrocknet, wollen wir hetzen.

      GRÄFIN. Geh, zieh dich um! Ich vermute, daß wir zu Tische noch einen Gast haben, der sich nur kurze Zeit bei uns aufhalten kann.

      BARON. Wird der Hofrat kommen?

      GRÄFIN. Er versprach mir, heute wenigstens auf ein Stündchen einzusprechen. Er geht auf Kommission.

      BARON. Es sind einige Unruhen im Lande.

      GRÄFIN. Es wird nichts zu bedeuten haben, wenn man sich nur vernünftig gegen die Menschen beträgt und ihnen ihren wahren Vorteil zeigt.

      FRIEDERIKE. Unruhen? Wer will Unruhen anfangen?

      BARON. Mißvergnügte Bauern, die von ihren Herrschaften gedrückt werden und die leicht Anführer finden.

      FRIEDERIKE. Die muß man auf den Kopf schießen. Sie macht Bewegungen mit der Flinte. Sehen Sie, gnädige Mama, wie mir der Magister die Flinte verwahrlost hat! Ich wollte sie doch mitnehmen, und da Sie es nicht erlaubten, wollte ich sie dem Jäger aufzuheben geben. Da bat mich der Graurock so inständig, sie ihm zu lassen: sie sei so leicht, sagt' er, so bequem, er wolle sie so gut halten, er wolle so oft auf die Jagd gehen. Ich ward ihm wirklich gut, weil er so oft auf die Jagd gehen wollte, und nun, sehen Sie, find' ich sie heute in der Gesindestube hinterm Ofen. Wie das aus sieht! sie wird in meinem Leben nicht wieder rein.

      BARON. Er hatte die Zeit her mehr zu tun; er arbeitet mit an der allgemeinen Gleichheit, und da hält er wahrscheinlich die Hasen auch mit für seinesgleichen und scheut sich, ihnen was zuleide zu tun.

      GRÄFIN. Zieht euch an, Kinder, damit wir nicht zu warten brauchen. Sobald der Hofrat kommt, wollen wir essen. Ab.

      FRIEDERIKE ihre Flinte besehend. Ich habe die französische Revolution schon so oft verwünscht, und jetzt tu' ich's doppelt und dreifach. Wie kann mir nun der Schaden ersetzt werden, daß meine Flinte rostig ist?

      Dritter Aufzug

      Erster Auftritt

      Saal im Schlosse.

      Gräfin. Hofrat.

      GRÄFIN. Ich geb' es Ihnen recht aufs Gewissen, teurer Freund. Denken Sie nach, wie wir diesem unangenehmen Prozesse ein Ende machen. Ihre große Kenntnis der Gesetze, Ihr Verstand und Ihre Menschlichkeit helfen gewiß ein Mittel finden, wie wir aus dieser widerlichen Sache scheiden können. Ich habe es sonst leichter genommen, wenn man unrecht hatte und im Besitz war: je nun, dacht' ich, es geht ja wohl so hin, und wer hat, ist am besten dran. Seitdem ich aber bemerkt habe, wie sich Unbilligkeit von Geschlecht zu Geschlecht so leicht aufhäuft, wie großmütige Handlungen meistenteils nur persönlich sind und der Eigennutz allein gleichsam erblich wird; seitdem ich mit Augen gesehen habe, daß die menschliche Natur auf einen unglaublichen Grad gedrückt und erniedrigt, aber nicht unterdrückt und vernichtet werden kann: so habe ich mir fest vorgenommen, jede einzelne Handlung, die mir unbillig scheint, selbst streng zu vermeiden und unter den Meinigen, in Gesellschaft, bei Hof, in der Stadt über solche Handlungen meine Meinung laut zu sagen. Zu keiner Ungerechtigkeit will ich mehr schweigen, keine Kleinheit unter einem großen Scheine ertragen, und wenn ich auch unter dem verhaßten Namen einer Demokratin verschrien werden sollte.

      HOFRAT. Es ist schön, gnädige Gräfin, und ich freue mich, Sie wiederzufinden, wie ich Abschied von Ihnen genommen, und noch ausgebildeter. Sie waren eine Schülerin der großen Männer, die uns durch ihre Schriften in Freiheit gesetzt haben, und nun finde ich in Ihnen einen Zögling der großen Begebenheiten, die uns einen lebendigen Begriff geben von allem, was der wohldenkende Staatsbürger wünschen und verabscheuen muß. Es ziemt Ihnen, Ihrem eignen Stande Widerpart zu halten. Ein jeder kann nur seinen eignen Stand beurteilen und tadeln. Aller Tadel heraufwärts oder hinabwärts ist mit Nebenbegriffen und Kleinheiten vermischt, man kann nur durch seinesgleichen gerichtet werden. Aber eben deswegen, weil ich ein Bürger bin, der es zu bleiben denkt, der das große Gewicht des höheren Standes im Staate anerkennt und zu schätzen Ursache hat, bin ich auch unversöhnlich gegen die kleinlichen neidischen Neckereien, gegen den blinden Haß, der nur aus eigner Selbstigkeit erzeugt wird, prätentios Prätentionen bekämpft, sich über Formalitäten formalisiert und, ohne selbst Realität zu haben, da nur Schein sieht, wo er Glück und Folge sehen könnte. Wahrlich! wenn alle Vorzüge gelten sollen, Gesundheit, Schönheit, Jugend, Reichtum, Verstand, Talente, Klima, warum soll der Vorzug nicht auch irgendeine Art von Gültigkeit haben, daß ich von einer Reihe tapferer, bekannter, ehrenvoller Väter entsprungen bin! Das will ich sagen da, wo ich eine Stimme habe, und wenn man mir auch den verhaßten Namen eines Aristokraten zueignete.

      Hier findet sich eine Lücke, welche wir durch Erzählung ausfüllen. Der trockne Ernst dieser Szene wird dadurch gemildert, daß der Hofrat seine Neigung zu Luisen bekennt, indem er sich bereit zeigt, ihr seine Hand zu geben. Ihre frühern Verhältnisse, vor dem Umsturz, den Luisens Familie erlitt, kommen zur Sprache, so wie die stillen Bemühungen des vorzüglichen Mannes, sich und zugleich Luisen eine Existenz zu verschaffen.

      Eine Szene zwischen der Gräfin, Luisen und dem Hofrat gibt Gelegenheit, drei schöne Charaktere näher kennen zu lernen und uns für das, was wir in den nächsten Auftritten erdulden sollen, vorläufig einigermaßen zu entschädigen. Denn nun versammelt sich um den Teetisch, wo Luise einschenkt, nach und nach das ganze Personal des Stücks, so daß zuletzt auch die Bauern eingeführt werden. Da man sich nun nicht enthalten kann, von Politik zu sprechen, so tut der Baron, welcher Leichtsinn, Frevel und Spott nicht verbergen kann, den Vorschlag, sogleich eine Nationalversammlung vorzustellen. Der Hofrat wird zum Präsidenten erwählt, und die Charaktere der Mitspielenden, wie man sie schon kennt, entwickeln sich freier und heftiger. Die Gräfin, das Söhnchen mit verbundenem Kopfe neben sich, stellt die Fürstin vor, deren Ansehen geschmälert werden soll und die aus eigenen liberalen Gesinnungen nachzugeben geneigt ist. Der Hofrat, verständig und gemäßigt, sucht ein Gleichgewicht zu erhalten, ein Bemühen, das jeden Augenblick schwieriger wird. Der Baron spielt die Rolle des Edelmanns, der von seinem Stande abfällt und zum Volke übergeht. Durch seine schelmische Verstellung werden die andern gelockt, ihr Innerstes hervorzukehren. Auch Herzensangelegenheiten mischen sich mit ins Spiel. Der Baron verfehlt nicht, Karolinen die schmeichelhaftesten Sachen zu sagen, die sie ihren schönsten Gunsten auslegen kann. An der Heftigkeit, womit Jakob die Gerechtsame des gräflichen Hauses verteidigt, läßt sich eine stille, unbewußte Neigung zu der jungen Gräfin nicht verkennen. Luise sieht in allem diesen nur die Erschütterung des häuslichen Glücks, dem sie sich so nahe glaubt, und wenn

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