Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe
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Sechster Auftritt
Saal im Schlosse, erleuchtet.
Friederike mit einer gezogenen Büchse. Jakob mit einer Flinte.
FRIEDERIKE. So ist's recht, Jakob, du bist ein braver Bursche. Wenn du mir die Flinte zurechtbringst, daß mir der Schulfuchs nicht gleich einfällt, wenn ich sie ansehe, sollst du ein gut Trinkgeld haben.
JAKOB. Ich nehme sie mit, gnädige Gräfin, und will mein Bestes tun. Ein Trinkgeld braucht's nicht, ich bin Ihr Diener für ewig.
FRIEDERIKE. Du willst in der Nacht noch fort? es ist dunkel und regnicht, bleibe doch beim Jäger.
JAKOB. Ich weiß nicht, wie mir ist, es treibt mich etwas fort. Ich habe eine Art von Ahnung.
FRIEDERIKE. Du siehst doch sonst nicht Gespenster.
JAKOB. Es ist auch nicht Ahnung, es ist Vermutung. Mehrere Bauern sind beim Chirurgus in der Nacht zusammengekommen; sie hatten mich auch eingeladen, ich ging aber nicht hin; ich will keine Händel mit der gräflichen Familie. Und jetzt wollt' ich doch, ich wäre hingegangen, damit ich wüßte, was sie vorhaben.
FRIEDERIKE. Nun, was wird's sein? es ist die alte Prozeßgeschichte.
JAKOB. Nein, nein, es ist mehr! lassen Sie mir meine Grille; es ist für Sie, es ist für die Ihrigen, daß ich besorgt bin.
Siebenter Auftritt
Friederike. Nachher die Gräfin und der Hofrat.
FRIEDERIKE. Die Büchse ist noch, wie ich sie verlassen habe; die hat mir der Jäger recht gut versorgt. Ja, das ist auch ein Jäger, und über die geht nichts. Ich will sie gleich laden und morgen früh bei guter Tageszeit einen Hirsch schießen. Sie beschäftigt sich an einem Tische, worauf ein Armleuchter steht, mit Pulverhorn, Lademaß, Pflaster, Kugel, Hammer und lädt die Büchse ganz langsam und methodisch.
GRÄFIN. Da hast du schon wieder das Pulverhorn beim Licht, wie leicht kann eine Schnuppe herunterfallen. Sei doch vernünftig, du kannst dich unglücklich machen.
FRIEDERIKE. Lassen Sie mich, liebe Mutter, ich bin schon vorsichtig. Wer sich vor dem Pulver fürchtet, muß nicht mit Pulver umgehen.
GRÄFIN. Sagen Sie mir, lieber Hofrat, ich habe es recht auf dem Herzen: könnten wir nicht einen Schritt tun, wenigstens bis Sie zurückkommen?
HOFRAT. Ich verehre in Ihnen diese Heftigkeit, das Gute zu wirken und nicht einen Augenblick zu zaudern.
GRÄFIN. Was ich einmal für Recht erkenne, möcht' ich auch gleich getan sehn. Das Leben ist so kurz, und das Gute wirkt so langsam.
HOFRAT. Wie meinen Sie denn?
GRÄFIN. Sie sind moralisch überzeugt, daß der Amtmann in dem Kriege das Dokument beiseitegebracht hat –
FRIEDERIKE heftig. Sind Sie 's?
HOFRAT. Nach allen Anzeigen kann ich wohl sagen, es ist mehr als Vermutung.
GRÄFIN. Sie glauben, daß er es noch zu irgendeiner Absicht verwahre?
FRIEDERIKE wie oben. Glauben Sie?
HOFRAT. Bei der Verworrenheit seiner Rechnungen, bei der Unordnung des Archivs, bei der ganzen Art, wie er diesen Rechtshandel benutzt hat, kann ich vermuten, daß er sich einen Rückzug vorbehält, daß er vielleicht, wenn man ihn von dieser Seite drängt, sich auf die andere zu retten und das Dokument dem Gegenteile für eine an sehnliche Summe zu verhandeln denkt.
GRÄFIN. Wie wär' es, man suchte ihn durch Gewinst zu locken? Er wünscht seinen Neffen substituiert zu haben; wie wär' es, wir versprächen diesem jungen Menschen eine Belohnung, wenn er zur Probe das Archiv in Ordnung brächte, besonders eine ansehnliche, wenn er das Dokument ausfindig machte? Man gäbe ihm Hoffnung zur Substitution. Sprechen Sie ihn noch, ehe Sie fortgehen; indes, bis Sie wiederkommen, richtet sich's ein.
HOFRAT. Es ist zu spät, der Mann ist gewiß schon zu Bette.
GRÄFIN. Glauben Sie das nicht. So alt er ist, paßt er Ihnen auf, bis Sie in den Wagen steigen. Er macht Ihnen noch in völliger Kleidung seinen Scharrfuß und versäumt gewiß nicht, sich Ihnen zu empfehlen. Lassen wir ihn rufen.
FRIEDERIKE. Lassen Sie ihn rufen, man muß doch sehen, wie er sich gebärdet.
HOFRAT. Ich bin's zufrieden.
FRIEDERIKE klingelt und sagt zum Bedienten, der hereinkommt. Der Amtmann möchte doch noch einen Augenblick herüberkommen!
GRÄFIN. Die Augenblicke sind kostbar. Wollen Sie nicht indes noch einen Blick auf die Papiere werfen, die sich auf diese Sache beziehen? Zusammen ab.
Achter Auftritt
Friederike allein, nachher der Amtmann.
FRIEDERIKE. Das will mir nicht gefallen. Sie sind überzeugt, daß er ein Schelm ist, und wollen ihm nicht zu Leibe. Sie sind überzeugt, daß er sie betrogen, ihnen geschadet hat, und wollen ihn belohnen. Das taugt nun ganz und gar nichts. Es wäre besser, daß man ein Exempel statuierte. Da kommt er eben recht.
AMTMANN. Ich höre, daß des Herrn Hofrats Wohlgeboren noch vor ihrer Abreise mir etwas zu sagen haben. Ich komme, dessen Befehle zu vernehmen.
FRIEDERIKE indem sie die Büchse nimmt. Verziehen Sie einen Augenblick, er wird gleich wieder hier sein. Sie schüttet Pulver auf die Pfanne.
AMTMANN. Was machen Sie da, gnädige Gräfin?
FRIEDERIKE. Ich habe die Büchse auf morgen früh geladen, da soll ein alter Hirsch fallen.
AMTMANN. Ei, ei! schon heute geladen und Pulver auf die Pfanne, das ist verwegen! wie leicht kann da ein Unglück geschehen.
FRIEDERIKE. Ei was! Ich bin gern fix und fertig. Sie hebt das Gewehr auf und hält es, gleichsam zufällig, gegen ihn.
AMTMANN. Ei, gnädige Gräfin, kein geladen Gewehr jemals auf einen Menschen gehalten! Da kann der Böse sein Spiel haben.
FRIEDERIKE in der vorigen Stellung. Hören Sie, Herr Amtmann, ich muß Ihnen ein Wort im Vertrauen sagen: – daß Sie ein erzinfamer Spitzbube sind.
AMTMANN. Welche Ausdrücke, meine Gnädige! – Tun Sie die