Geliebter Wächter 2: Wolfsherz. Billy Remie
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Das hatten sie gemein.
Und man wollte ihn retten, ihm eine Hand entgegenstrecken und auf eine schwimmende Insel ziehen. Man wollte das Geheimnis hinter seiner ewig andauernden Melancholie ergründen.
Vielleicht konnte Bellzazar das. Hier und jetzt.
Er rückte an Cohen heran, spürte ein Prickeln unter der Haut, als er dessen Wärme und Geruch wahrnahm. Auch als Dämon roch er nach Frost, der sich über eine Blumenwiese legte. Frisch und lieblich zugleich, das Versprechen auf einen unschuldigen, stillen Morgen.
Bellzazar zog ihn an sich, schloss die Augen und vergrub das Gesicht in seinem seidenen, rotbraunen Haar, um ihn im Traumreich aufzusuchen. Dort, wohin die Dämonen gingen, wenn sie träumten.
*~*~*~*
Er saß mit angezogenen Beinen an einem flachen Ufer und starrte auf einen glitzernden Bach, der sich über graues Gestein einen Weg durch hohe Berge bahnte. In den winzigen Tälern zwischen den Bergriesen waren die Wiesen mit roten Blumen getüncht und teilweiße mit einer puderzuckerartigen Schneedecke bedeckt.
Cohen genoss das Gefühl der Kälte auf der Haut und den Geruch des Frostes in der Nase. Es war der Geruch seiner früheren Heimat. Das südliche Gebirge Nohvas, wo er als Bastard geboren wurde und ein Leben voller Schicksalsschläge angetreten hatte. Doch ihn verbanden auch gute Erinnerungen mit seiner Heimat. Sie war im Krieg immer seine sichere Zuflucht gewesen, dort hatte er sich zum ersten Mal richtig verliebt – wenn auch in den falschen Mann –, seinen ersten Kuss bekommen, seine beste Freundin getroffen, die Kinder seines Bruders großgezogen und ein eigenes gezeugt. Er hatte den Anblick der majestätischen Berge, die über allem thronten, so sehr geliebt. Ebenso wie den Schnee und die weißen Wälder, wenn der harte Winter hereinbrach, meist so plötzlich, dass er die Sommerblumen noch auf den Berghängen einfror.
Doch das hier war nicht seine Heimat, das wusste er, es war nur das, was er sehen wollte. Er war nicht wirklich dort, aber auch die Illusion war schön. Vielleicht sogar noch schöner, denn hier besaß er beide Augen und keine hässliche, zugenähte Augenhöhle verunstaltete sein Gesicht. Hier war er der, der er sein wollte. Zumindest äußerlich. In einer Illusion, in einem Traum, den er selbst träumte, gab es keine Makel. Selbst die Kälte fühlte sich wohltuend und keineswegs schneidend an.
Cohen spürte ihn, noch ehe er ihn hören konnte. Meist konnte man ihn nicht bemerken, er war im Stande, sich völlig lautlos heranzuschleichen, vor allem in dieser Gestalt.
Cohen blinzelte den Wolf an, der am Ufer entlang gemächlich auf ihn zukam. Er war groß für einen Wolf, knochig und kränklich, sein schwarzes Fell wirkte stumpf und fiel an manchen Stellen aus, außerdem waren seine Ohren ein wenig zu lang, schmal und spitz. Ein Monster, durch und durch, wären da nicht diese schwarzen, bodenlosen Augen, die ihm so sehr vertraut waren wie seine eigenen, wenn er in eine spiegelnde Wasseroberfläche blickte.
Der Wolf gab ein Winseln von sich, als Cohen ihn nur ansah, und kam mit geducktem Kopf angetrabt. Er schlug mit der Pfote neben Cohen bittend auf den Boden, kaum, dass er in Reichweite war.
Als Cohen sich nicht rührte, legte Bellzazar sich neben ihm ab und schmiegte mit einem weiteren Winseln den Kopf auf Cohens Schenkel. Große, schwarze Augen sahen zu ihm auf, die durch den Körperkontakt tiefblau aufleuchteten. Die langen Ohren waren eingeknickt und drückten Unterwürfigkeit aus.
Cohen musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Bellzazar war vielleicht mehrere Jahrtausende alt, aber er war noch so verspielt und anschmiegsam wie ein hinter den Ohren grüner Bursche. Und damit traf er leider genau Cohens schwachen Punkt. Wie könnte er ihm in dieser Gestalt widerstehen? Wobei dabei ausnahmsweise keine sexuelle Komponente eine Rolle spielte, natürlich nicht. Und genau darum ging es, er fühlte keine Begierde, aber trotzdem raste sein Herz, wenn Bellzazar sich so aufdringlich an ihn schmiegte und seine Nähe und Berührung suchte.
»Weißt du«, seufzte Cohen und kraulte Bellzazar hinter den Ohren, »das wäre herzerwärmender, würdest du nicht halb verwest aussehen.«
Bellzazar gab ein tierisches Schnauben von sich und erhob sich wieder in eine aufrechtsitzende Position, wobei er so majestätisch und stolz aussah wie ein Löwe. »Du bist auch nicht in jeder Lebenslage eine Augenweide, Coco«, knurrte der Wolf.
Cohen zuckte so erschrocken zurück, als habe er sich die Hand an Bellzazar verbrannt, und sackte dabei auf seinen Ellenbogen, um nicht gänzlich umzukippen.
»Was ist?«, fragte der Wolf mit dunkler, grollender Stimme, wobei sich seine Lefzen bei jeder Silbe unnatürlich für einen Wolf bewegten. »Wenn du gerade aufgewacht bist, siehst du aus wie ein betrunkener Katzenbär. Von deinem Mundgeruch ganz zu schweigen.«
Fassungslos starrte Cohen ihn an. »Du … du kannst sprechen?«
Bellzazar schnaubte, dann hob er die Pfote und strich sich über die lange Schnauze, als wollte er sich den Nasenrücken drücken. »Ich bin ein Gott, natürlich kann ich sprechen.«
»Und … das sagst du mir erst jetzt?«, rief Cohen anklagend aus.
Der Blick des Wolfes war so ungerührt wie er nur sein konnte, es fehlte nur noch, dass er mit den Achseln zuckte. »War es denn davor je von Belang?«
Der Konter entwaffnete Cohens Zorn, aber er verzog genervt das Gesicht, als er sich wieder aufrecht hinsetzte. Räuspernd zog er seine Weste glatt und wich Bellzazars Blick aus, indem er wieder auf den glitzernden Bachverlauf starrte.
»Du musst gerade von Mundgeruch sprechen«, konterte er verlegen, »ich kann ihn bis hierher riechen.«
Ein belustigtes Funkeln schimmerte in den Augen des Wolfes, Cohen konnte es im Augenwinkel ganz genau sehen.
Seufzend wandte er seine ganze Aufmerksamkeit wieder der Landschaft zu und nahm sie mit allem, was sie bot, tief in seinem Herzen auf. Bellzazar folgte seinem Blick und spitzte die Ohren, als gefiele ihm, was er sah.
Für einen Moment war es lieblich ruhig und friedlich, so als würde die Zeit stillstehen. Er wünschte, dieser Moment würde ewig dauern und er müsste nie wieder aufstehen. Mit Bellzazar einfach hier zu sitzen und die Verbindung zwischen ihnen zu spüren, die greifbarer war als der Wind um sie herum, erfüllte ihn schlicht mit einem Frieden, den er niemandem hätte begreiflich machen können.
Er hätte es wohl auch nicht zugegeben.
Trotzdem runzelte er nach einem Moment die Stirn und stellte fest: »Etwas ist anders als sonst.«
Bellzazar gab einen Laut von sich, der sich wie ein Seufzen anhörte. »Du bist ja jetzt auch … anders.«
»Wir sind nicht wirklich hier«, warf Cohen ein und betrachtete mit Wehmut die Berge hinter dem Bachverlauf, »das ist nicht die Wirklichkeit.«
»Genau genommen, ist es schon Wirklichkeit, aber eben eine andere als jene, die du kennst«, warf Bellzazar mit seiner knurrenden Stimme ein, »du träumst. Das hier ist das Traumreich.