Geliebter Wächter 2: Wolfsherz. Billy Remie

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Geliebter Wächter 2: Wolfsherz - Billy Remie Chroniken der Bruderschaft 2

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      Cohen verzog die Lippen zu einem traurigen Ausdruck. »Es fühlt sich nicht an, als würde ich träumen, das meinte ich. Ich kann … fühlen. Mehr als je zuvor. Ich kann sogar den Wind fühlen, wie er durch die Bäume zieht, das Wasser, wie es die Steine im Bach schleift, das Leben in den Grashalmen.« Ratlos schüttelte er den Kopf. »Ich konnte in meinen Träumen noch nie irgendetwas fühlen.«

      »Weil du ein Mensch warst«, erklärte Bellzazar und streckte dann seinen langen Körper genüsslich aus, ehe er den Wolfskopf wieder unter Cohens Arm hindurchzwängte und sich halb auf dessen Schoß legte. »Wenn Dämonen träumen, wandeln sie durch Träume. Manche von ihnen sind in der Lage, Sterbliche im Traumreich ausfindig zu machen und zu verführen, so können sie von ihnen Besitz ergreifen oder sie gar verzaubern. Du wirst dich daran gewöhnen, dein Verstand schläft eigentlich nie, und jetzt als Dämon nimmst du das ganz bewusst wahr. Das Traumreich ist auch nur eine andere Geisterwelt.« Seine Wolfsaugen leuchteten mystisch, als er beruhigend zu Cohen aufsah. »Deine Seele ist nun in der Lage, sich ganz frei und ganz bewusst hier zu bewegen, als wärest du wach, weil du im Grunde gar keinen Schlaf mehr benötigst. Wenn du in der anderen Welt einschläfst, bist du in dieser Welt wach, und schläfst du in dieser, erwachst du in der anderen.«

      Cohen streckte die Beine aus und legte einen Arm um Bellzazars Hals. Sein schwarzes Fell fühlte sich speckig und heiß an, trotzdem grub er die langen Finger tief hinein und kraulte ihn ausgiebig. »Das ist mir zu kompliziert. Sagen wir einfach, als Dämon ist alles etwas anders.«

      Der Wolf grollte, was sich wie ein dunkles Kichern anhörte, und rieb mit geschlossenen Augen den Kopf an Cohens flachem Bauch. »Langsam lernst du, nicht alles zu zerdenken.«

      »Ja«, seufzte er und musste leicht lächeln. Und es fühlte sich gut an, nicht ständig alles zu hinterfragen und zu ergründen, Erklärungen zu suchen und immer nach Antworten zu forschen. Er hatte viel mehr Zeit für andere Gedanken.

      Vielleicht war die Tatsache, dass er jetzt ein Dämon war schuld, aber irgendwie waren ihm gewisse Dinge gleichgültiger als vor dieser Wandlung. Vor allem die Tatsache, wo er war und bei wem er war und was er mit ihm gemacht hatte.

      Hatte er zuvor noch eine gewisse Scham und Reue verspürt, wenn er daran dachte, wie er sich Bellzazar einfach hingegeben hatte, wurde ihm bei der Erinnerung jetzt nur noch warm.

      Und wäre Bellzazar jetzt in Menschengestalt… Cohen schloss die Augen und stellte sich sehr lebhaft vor, wie er sich rittlings auf diesen rollen und gleichzeitig seine Hand unter das schwarze Hemd gleiten lassen würde. Wie er sich hinabbeugen und seine Zunge in Bellzazars Mund schieben würde. Allein der Gedanke, ihn zu berühren und zu schmecken und ihrer fleischlichen Begierde einfach ohne Hemmung nachzugeben, verursachte ihm einen prickelnden Schauer. Denn er wusste, wie stark sein Körper auf Bellzazar reagierte, wie intensiv sich seine Berührungen anfühlten, und dass er Cohen Erfüllung schenken würde.

      Als hätte er Cohens inneren Nervenkitzel gespürt, knurrte Bellzazar leise und hob den Kopf an.

      »Du bist jetzt ein Dämon, Coco«, sagte er mit mühsam beherrschter Wolfsstimme, »das heißt, du nährst dich von falschen und bösen Gefühlen. Von Leid, Gier und Wollust. Nicht, dass ich es nicht genießen würde, aber dennoch. Versuch wenigstens, dagegen anzukämpfen.«

      Bellzazar erhob sich und schüttelte sein schwarzes Fell, als hätte ihn eine Armee Ameisen erfasst, die er abzuschütteln versuchte.

      »Nein!«, sagte Cohen entschlossen und stand auf. »Warum sollte ich?« Er ballte die Hände zu Fäusten und sah entschlossen auf Bellzazar herab. »Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, meine Gefühle zu verschleiern, mich zu verstecken und zu verleugnen. Ich war ein Jäger, der seine Gabe vor der Kirche verbergen musste, für die ich kämpfte, weil mein Vater sich entschloss, ihr zur Macht zur verhelfen. Ich musste meine Liebe zu Männern vor dieser Kirche verstecken, und musste meine Begierde gegenüber meinem Bruder vor allem und jedem verbergen! Ich habe mein Leben lang mich selbst verleugnet und immer in Angst gelebt.« Seine Stimme war aufgebracht, er sprach sich geradezu in Rage. »Ich lebte ein schauriges, lebensfeindliches Leben auf dem Schlachtfeld.«

      Bellzazar setzte sich wieder auf seinen fellbesetzten Hintern und legte neugierig den Wolfskopf schief, wobei seine zu langen Ohren wippten.

      »Das ist jetzt vorbei!« Cohen ging vor ihm auf die Knie und sah ihm von Angesicht zu Angesicht tief in die blauen Augen. »Ich habe mein Leben im Schatten verbracht, Bell, und es immer dem Dienen anderer gewidmet, habe nie an mich gedacht. Aber jetzt habe ich eine zweite Chance. Du hast sie mir geschenkt! Ich mag ein Dämon und unsterblich sein, aber dennoch ist es eine zweite Gelegenheit, zu dem zu werden, der ich hätte werden können, wenn ich für, statt gegen meine Gefühle gekämpft hätte.«

      »Und wer bist du?«, fragte ihn Bellzazar mit gelangweilter Stimme. Er kannte die Antwort, sie kannten sie beide.

      Doch davon ließ Cohen sich nicht entmutigen. Er stieß den Atem schwer aus und ließ die angespannten Schultern sinken. »Das gilt es für mich, herauszufinden.«

      Einen Moment lang forschten die mystischen Wolfsaugen in Cohens blutroten Iriden, als hielte er sein Gefühlshoch für einen Trugschluss. Vielleicht war dem auch so, vielleicht würde auf die Euphorie, die sein knappes Überleben ausgelöst hatte, ein schwarzes, trostloses Tief folgen.

      Aber im Moment ging es Cohen gut und er wollte zuversichtlich bleiben.

      »Ich will nicht mehr gegen mich selbst ankämpfen«, erklärte Cohen ruhiger.

      Bellzazar verzog die Lefze wie zu seinem berühmten, schiefen Lächeln. »Ich wünschte, du könntest jetzt sehen, was ich sehe.«

      Cohen musste schmunzeln. Er spielte das Spiel mit. »Und was siehst du?«

      Die Züge des Wolfes wurden bedeutungsschwer, seine Stimme ernst. Wahrhaftig. »Ein Feuer, das heller und heißer als die Sonne lodert.«

      Cohen zuckte mit den Achseln und wandte verlegen den Blick an. »Vielleicht bin ich zu überschwänglich, in Anbetracht der Tatsache, was ich jetzt bin. Aber ich fühlte mich nie … stärker.«

      »Weil du es bist. Die dämonische Kraft wird sich immer weiter in dir ausbreiten«, warnte Bellzazar ihn und stand auf, um sich mit dem Kopf an seine Brust zu schmiegen. Auf einmal hatte Cohen das Gefühl, als wäre er in seinem Bewusstsein nicht mehr allein, als wäre Bellzazar mit ihm verschmolzen und sandte lebendige Wärme in sein Herz. »Du musst aufpassen, dass dich kein Hochmut befällt, Coco. Kämpfe gegen deine dämonische Seite an, dann wirst du nicht zu dem, was du einst abgrundtief gehasst hast.«

      Cohen geriet ins Grübeln. Er schlang den Arm um Bellzazars Hals und legte den Kopf auf seinen. Er horchte tief in sich hinein und spürte die Kräfte in seinem Inneren gegeneinander aufbegehren. Da war der Wille, alles gleichgültig werden zu lassen und nur noch an sich selbst zu denken, stärker und unbesiegbar zu werden, sich gar an jenen zu rächen, die ihm einst Leid zugefügt hatten – nicht, dass davon noch jemand lebte. Aber da war auch … Wärme und Liebe, die ihn ermahnte, sich vor dem Hass in Acht zu nehmen.

      Es fiel ihm nicht schwer, die Liebe festzuhalten, er musste nur an eine gewisse Person denken.

      »Du weißt, ich würde nie jemandem absichtlich Leid zufügen«, sagte er laut zu Bellzazar.

      »Das nicht«, stimmte der Wolf zu, »wenn jemand dazu gemacht ist, seiner dunklen Seite zu widerstehen, dann du. Aber so leicht ist es nicht, Coco. Du musst niemandem wehtun, um deine dämonische Seite zu füttern, es genügt

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