Die Fugger. Walter Brendel

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der Fugger, Hans, begründete nach 1367 in Augsburg das Familienvermögen damit, Leinen und Baumwolle zu einem haltbaren, trotzdem preiswerten Stoff namens Barchent zusammen zu weben. Die nötige Baumwolle kam aus Ägypten via Venedig, wo deutsche Händler am Rialto eine eigene Niederlassung unterhielten.

      Fuggers Einstieg in die Weltpolitik begann 1473 mit einem Besuch des hoch verschuldeten Kaisers Friedrich III. in Augsburg, wo Majestät empfohlen wurde, beim Gründerenkel Ulrich Fugger ein Seidengewand zu besorgen. Das geschah – auf Pump. Damit war ein langjähriges Darlehenskonto eröffnet, in dessen Verlauf die Fugger Bischöfe, Kurfürsten und Kaiser mit ihren Gulden schmierten, um immer mächtiger zu werden.

      Sie bauten und sie beuteten die Silberbergwerke in Tirol und Kupferbergwerke in Ungarn aus und errichteten für einige Jahre ein Kupferkartell – Kupfer wurde weltweit zum Kanonenguss gebraucht. 1494 schufen sie mit dem Unternehmen „Ulrich Fugger und Gebrüder von Augsburg“ die erste „offene Handelsgesellschaft“ (oHG) in Deutschland, eine Firma mit eigenem Kapital und eigener Rechtspersönlichkeit. Ihr Hauptgeschäft machten sie als Banker mit der Arbitrage, also der Überweisungsgebühr.

      Einer der wichtigsten Kunden war der Papst sowie die katholische Kirche, die große Summen zwischen den Bistümern und Rom transferieren ließ. Als die Fugger dem Hohenzollern Albrecht von Brandenburg 30000 Dukaten für den Kauf der Bischofwürde von Mainz borgten, ging ein Drittel der Summe via Fugger-Bank Rom direkt an den Papst für den Neubau des Petersdoms.

      Dafür wurden die Fugger am lukrativen Ablasshandel beteiligt, der allen Christensündern Nachlass ihrer Schuld versprach, wenn sie nur eifrig dem Papst, tatsächlich aber dem neuen Mainzer Bischof, spendeten. Damit finanzierten die Gläubigen die Rückzahlung des Fugger-Kredits. Immer wenn der Ablassprediger Tetzel von der Kanzel dröhnte, nun müsse „das Geld im Kasten klingen“, war ein Fugger-Angestellter in der Nähe und hatte den Schlüssel zum Kasten in der Hand.

      Kaiser Karl V. bei den Fuggern: Meister der Korruption. Anton Fugger verbrennt die Schuldverschreibungen des Kaisers, nach einem Gemälde von Carl Becker (1870).

      So trugen die Fugger zu einem einschneidenden Ereignis der europäischen Geschichte bei: Weil Martin Luther sich über den Ablass aufregte, kam es 1517 zur Kirchenspaltung und zur Reformation. Die Fugger mehrten davon unbekümmert ihren Reichtum. Erzbischof Albrecht hatte seine Schuld schon bis 1527 zurückgezahlt, die Fugger aber ihr Vermögen zwischen 1511 und 1527 auf fast zwei Millionen Gulden verzehnfacht und eine Jahresrendite von durchschnittlich 54,5 Prozent erzielt.

      Luther hingegen hielt alle Kaufleute für unchristlich, für potenzielle Wucherer. Er glaubte, Handel sei Teufelszeug: „Der auslendische Kauffshandel … sollt nicht zugelassen werden“, weil er nur „Land und Leutten das Geld ausseuget“.

      Zwei Jahre nach der Reformation machten die Fugger, wie sie wohl glaubten, ihr Meisterstück. Sie bestachen die wahlberechtigten Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit 543000 Gulden, um den Habsburger Karl V. und nicht den französischen König Franz I. zum deutschen Kaiser wählen zu lassen.

      Beim feierlichen Wahlakt erhielt jeder Fürst zusammen mit den Wahlunterlagen einen Wechsel über die Bestechungssumme, und das Haus Fugger archivierte zum internen Gebrauch eine Aufstellung, was genau die Kaiserwahl gekostet hatte. Als Gegenleistung erwarteten die Geschäftsleute vom Gewählten, dass der Kaiser ihnen beim Umgang mit dem Reichstag entgegenkam. Die Ständeversammlung, eigentlich kein sehr demokratisches Parlament, suchte immer mal wieder die Monopole der Handelshäuser gesetzlich einzuschränken. Sie reagierte damit auf eine weit verbreitete öffentliche Meinung, welche die exorbitanten Lohneinbußen beim „gemeinen Mann“ mit den Gewinnen und den Geschäftspraktiken der Handelsgesellschaften in Verbindung brachte.

      Die Diskrepanz lag, wie wir heute wissen, nicht nur an der Geldgier der Frühkapitalisten, sondern an großen konjunkturellen und bevölkerungspolitischen Zyklen: Im 14. Jahrhundert, als die Pest ein Drittel der Bevölkerung Europas dahinraffte, waren die Preise für Güter des täglichen Bedarfs mangels Nachfrage gefallen. Im folgenden Jahrhundert waren sie auf niedrigem Niveau geblieben. Danach, zwischen 1480 und 1590, explodierten sie dann aber um das Fünf- bis Sechsfache. Bei stark steigender Nachfrage mussten Marktpreise für neue („Kolonial“-)Waren und für bisherige Tauschprodukte erst noch gefunden und der allgemeine Umgang mit Geld und Edelmetall gelernt werden.

      Kaum hatte sich also ein vormodernes Marktwirtschaftssystem etabliert, kam es auch schon zu einer ersten Inflation – von den Wirtschaftshistorikern „Preisrevolution“ genannt.

      Der folgte eine weitere neue Erfahrung: Auch die mächtigen Handelshäuser, ja sogar Könige konnten Bankrott machen.

      Risiko, Gewinn und die sozialen Folgen wirtschaftlichen Handelns: Das alles war damals im Ansatz schon in der Welt der Fugger und Welser angelegt. Mit anderen Worten, denen von Karl Marx im „Kapital“: „Welthandel und Weltmarkt eröffnen im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals.“

      Es prägte sich eine Mentalität des Kaufmanns aus – er brauchte eine neuartige Einstellung zurzeit, zu Genauigkeit, Sicherheit, zu Transport und Kommunikation. Die damaligen Kritiker der Frühkapitalisten beklagten etwa auf dem Reichstag 1512 den „Eigennutz“ der Kaufleute und plädierten für das überkommene ständische Ideal des „gemeinen Nutzens“ – ein Gegensatz, der sich noch fast 500 Jahre später durch die staatliche Sozial- und Gesellschaftspolitik zieht.

      Eigennutz war den Fuggern nicht fern: In einem Brief erinnerte Jakob Fugger „der Reiche“ den Kaiser, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, an den Zweck seiner Wahl. Hätte er damals statt Karl den Franzosen unterstützt, „so hätte ich viel Geld und Gut erlangt“.

      Längst waren Kaiser und Banker voneinander abhängig. Der Kaiser brauchte Fugger zur Finanzierung seines Lebensstils, seiner Truppen, Höflinge und Kriege. Und Fugger musste immer wieder frisches Geld den faulen Krediten hinterherwerfen, um auf Rendite zu hoffen. Wohl trat ihm Karl Bergwerke oder ganze Schiffsladungen aus den neuen amerikanischen Kolonien als Sicherheit ab. Doch der Niedergang begann, als 1557 das spanische Königshaus zum ersten Mal Bankrott machte und alle Zahlungen einstellte.

      Historiker schätzen die offen stehende Schuld der Habsburger bei den Fuggern auf acht Millionen Gulden. Außer dem süddeutschen Grundbesitz, den die Fugger einst als Sicherheit für Darlehen erhalten hatten, blieb ihnen nur der Spott der kleinen Leute: Im Oberdeutschen bedeutete das Wort „Fuckerei“ die Ausplünderung der einfachen Bürger durch allzu hohe Forderungen. Im Flämischen heißen Monopolisten solchen Stils immer noch „Fokker“, im Wallonischen „fouckeur“; und sogar im Spanischen leben sie als „fúcar“ fort.

      Die Fugger verspürten in ihrer eigenen „Handlung“ – so nannten sie selbst ihre Firma – den Widerspruch zwischen kapitalistisch-gewinnorientiertem Streben und der christlich-mildtätigen Morallehre. Sie gründeten, allerdings nur für 106 Arme von Augsburg, 1514 ihre „Fuggerei“ mit 53 Häuschen zur Jahresmiete von umgerechnet 88 Cent – die Stiftung besteht noch heute.

      Anton Fugger, einer der letzten des Clans, überlegte 1552, den ganzen Krempel hinzuwerfen und die Handlung „zu Ende und ausgehen zu lassen“, weil: „Es sollte diesen großen Herren billig die Lust zum Kriegen vergehen.“

      Die Fugger waren mit ihrem bis dato unerhörten Gewinnstreben ihrer Zeit voraus – und liefen ihr doch hinterher, indem sie sich erst freiwillig und später notgedrungen in Abhängigkeit zum letztlich macht- und bedeutungslosen Kaiser begaben: Hätten sie sich auf ihr Kerngeschäft im Bergbau und im Bankwesen konzentriert, so hätten sie sicher auch die Wirren des 17. Jahrhunderts und die Folgen des Dreißigjährigen Krieges besser überstanden.

      So blieb ihr Zeitalter nur ein Übergang

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