Die Steppe. James Fenimore Cooper
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„Ihr sprecht eine so ganz verschiedene Sprache von der in Tenessee," sagte Ellen, und bemühte sich, ihr Lachen zu verbergen, „daß ich kaum weiß, ob ich Euch verstanden habe. Wenn ich nicht irre, so wollt Ihr sagen, Ihr hättet fast ein Herz wie eine Henne."
„Das ist ein Gleichniß, wie nur gänzliche Unbekanntschaft mit der Bildung dieses Vogels eins machen kann. Das Herz einer Henne steht im gehörigen Verhältniß mit ihren übrigen Organen, und das Hausgeflügel ist in seinem Naturzustand sehr muthig. Ellen," fügte er mit einem so ernsten Blick hinzu, daß er selbst auf das Mädchen einigen Eindruck machte; „ich ward verfolgt, gejagt, ja es war eine Gefahr, daß ich gar nicht — — doch was ist das!"
Ellen staunte hin, denn der Ernst und die einfache Aufrichtigkeit ihres Gefährten hatte selbst in ihrem leichtfertigen Sinn fast Glauben sich verschafft. Als sie nach der Richtung hinschaute, die der Doctor ihr bezeichnete, sah sie in der That ein Thier, das über die Steppe hinstreifte, und schnurstracks auf die Stelle zukam, die sie einnahmen. Der Tag war noch nicht weit genug vorgerückt, um es ihr möglich zu machen, dessen Gestalt und Art zu unterscheiden, obgleich es sichtbar genug war, ihr den Glauben beizubringen, es sei ein starkes, wildes Thier.
„Es kommt, es kommt!" rief der Doctor, und suchte, fast instinctartig, seine Mappe, während seine Kniee, trotz der Anstrengung, die er machte, sich aufrecht zu erhalten, gar schön zitterten und bebten. „Nun, Ellen, hat das Glück mir eine Gelegenheit gegeben, die bei'm Sternenlicht gemachten Fehler zu verbessern — halt, — aschgrau, — keine Ohren, — Hörner, außerordentlich." — Seine zitternde Stimme, seine bebende Hand, beides ward durch ein Brüllen oder vielmehr durch einen Schrei des Thieres reglos gemacht, der so furchtbar war, daß er selbst einen größern Muth als den des Naturforschers gebeugt hätte.
Die Töne des Thieres schallten über die Steppe in fremdartigen, wilden Cadenzen, und dann folgte ein tiefes, feierliches Schweigen, das nur durch ein herzliches, unbändiges Gelächter von Ellen Wade's wohltönenderer Stimme unterbrochen wurde. Indeß stand der Naturforscher wie eine Bildsäule vor Erstaunen, und ließ einen wohlgewachsenen Esel, gegen dessen Annäherung er nicht länger sein gepriesenes Lichtschild vorhielt, ohne weitere Bemerkung oder Weigerung um seine eigene Person herumriechen.
„Es ist Euer eigener Esel," rief Ellen, so bald sie wieder zu Worten kommen konnte, „Euer eigener geduldiger, hart-arbeitender, armer Schelm." Der Doctor wandte wild die Augen vom Thier zur Sprecherin, von der Sprecherin zum Thier, aber gab seiner Verwunderung keinen hörbaren Ausdruck. „Wollt Ihr denn ein Thier nicht anerkennen, das so lange in Eurem Dienst sich abgemüht hat," fuhr das Mädchen, immer noch lachend, fort. „Ein Thier, von dem ich Euch tausendmal sagen hörte, es habe Euch gut gedient, und das Ihr wie Euern Bruder liebtet."
„Asinus domesticus!" brachte der Doctor hervor, und holte Athem, als wenn er nah' am Ersticken gewesen. „Ja das Genus ist nicht mehr zweifelhaft, und ich werde immer behaupten, daß das Thier nicht von der Species equus ist. Es ist offenbar Asinus selbst, Ellen Wade, aber nicht Vespertilio horribilis der Steppen. Sehr verschiedene Thiere, versichere Euch, Kind, und in jedem wichtigeren Einzelnen von verschiedenem Charakter. Jenes fleischfressend," fuhr er fort, und sein Auge fiel auf seine offene Mappe, „dieses pflanzenfressend; Gemüthsart, stark, gefährlich; Gemüthsart, geduldig, enthaltsam; Ohren, unansehnlich; Ohren, lang; Hörner, abstehend u. s. w.; Hörner, keine!"
Er ward durch ein zweites Lachen von Ellen unterbrochen, und dies diente gewissermaßen dazu, ihn wieder zu sich zu bringen.
„Das Bild des Vespertilio war nur auf der retina," bemerkte fast entschuldigend der erstaunte Forscher in die Geheimnisse der Natur, „und ich war thöricht genug, mein eigenes treues Thier für das Ungeheuer zu halten? Doch bin ich auch jetzt noch sehr verwundert, das Thier so im Weiten herumirren zu finden."
Ellen erzählte ihm dann im Einzelnen die Geschichte des Angriffs und seine Folgen. Sie beschrieb mit einer Genauigkeit, die jedem Andern als ihrem verdachtlosen Zuhörer ihren eigenen Ausflug verrathen hätte, die Art, wie die Thiere aus dem Lager getrieben worden, und sich eiligst in der offenen Ebene zerstreut hätten. Ob sie es gleich nicht mit deutlichen Worten sagte, so wußte sie doch die große Wahrscheinlichkeit ihrem Gefährten einleuchtend zu machen, daß er den erschreckten Haufen für wilde Thiere gehalten, und schloß dann ihre Erzählung mit einem Bedauern des Verlustes, und einigen sehr natürlichen Bemerkungen über den hülflosen Zustand, in welchen er die Familie gebracht. Der Naturforscher hörte in stillem Staunen zu, unterbrach nicht die Erzählung, und unterdrückte selbst jeden Ausruf der Verwunderung. Doch bemerkte das scharfsichtige Mädchen, daß er, als sie fortfuhr, das wichtige Blatt aus der Mappe herausnahm, und auf eine Art, die zeigte, daß ihr Besitzer von seiner Täuschung zurückgekommen war. Seit der Zeit hat die Welt nichts mehr von dem Vespertilio horribilis Americanus gehört, und die Naturwissenschaft unwiederbringlich ein wichtiges Glied in der großen lebendigen Kette verloren, welche Himmel und Erde verbinden soll, und worin der Mensch so traulich mit dem Affen zusammengestellt wird.
Als Doctor Bat alle Umstände des Einfalls vernommen, nahm seine Besorgniß alsbald eine andere Richtung. Er hatte eine Menge Folianten und sehr viele Kisten, mit Pflanzenexemplaren und todten Thieren wohl versehen, unter Ismael's guter Obhut gelassen; nun fiel's ihm plötzlich ein, daß so listige Plünderer wie die Sioux nie die Gelegenheit versäumen würden, ihn dieser Schätze zu berauben.
Nichts, was auch Ellen vom Gegentheil versichern mochte, konnte seine Furcht beruhigen; so trennten sie sich, er seiner Zweifel und Besorgnisse ledig zu werden, sie so schnell und leise, wie sie es eben verlassen, in das stille, heimliche Zelt zurück zu schleichen.
Siebentes Kapitel.
„Wie, fünfzig vom Gefolg auf Einen Schlag!"
Lear.
Der Tag ergoß sich jetzt völlig über die scheinbar unbegrenzte Wüste der Steppe. Obed's Ankunft im Lager zu einer solchen Stunde, begleitet wie sie war mit klagendem Geschrei über den vermeintlichen Verlust, weckte die schlaftrunkene Familie des Grenzwohners. Ismael und seine Söhne, und der finstere Bruder seines Weibes waren bald auf, und wurden allmählig, wie die Sonne ihr Licht auf die Stelle warf, die ganze Größe ihres Verlusts gewahr.
Ismael sah auf die stillen, schwer beladenen Wagen, und knirschte mit den Zähnen; er warf einen Blick auf die wirre, hülflose Gruppe der Kinder, die sich um ihre stille, muthlose Mutter drängte, und ging hinaus aufs freie Feld, als fände er die Luft des Lagers zu beschränkt, um darin zu athmen. Ihm folgten einige der Männer, die ihn aufmerksam beobachteten, aufmerksam auf das dunkle Feuer seines Auges blickten, als wollten sie darin ihre Verhaltungsbefehle ablesen. Das Ganze schritt in tiefem, zürnendem Schweigen nach dem Gipfel der nächsten Anhöhe vor, wo sie eine fast schrankenlose Aussicht über die nackten Ebenen beherrschten. Hier ward nichts sichtbar, als ein einziger Büffel, in nicht großer Entfernung, der magere Nahrung im verbrannten Grase suchte, und der Esel des Naturforschers, welcher seine Freiheit zu einem reichern Mahl als das gewöhnliche benutzte.
„Da haben uns die Schelme, um unserer zu spotten, ein Stück übrig gelassen," sagte Ismael, und sah auf den letztern, „und zwar das schlechteste Stück aus der ganzen Heerde. Das ist harter Boden, um zu ernten, Jungen, und doch müssen wir Nahrung schaffen, so viele hungrige Mäuler zu füllen."
„Die Flinte ist an einem solchen Ort besser aIs die Hacke," erwiederte