Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich

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die ersten wilden, die ich sah - denn zahm hatte ich sie schon hier und da in den einzelnen Ansiedlungen gefunden - Strauße, die sich dort, in den weiten Pampas, jagten und mit den unbehülflichen Flügeln schlugen, die langen Beine rechts und links hinauswarfen, und endlich, als sie unser Nahen hörten, pfeilschnell über die Ebene dahinstoben - ein Pferd hätte ihnen mit der Schnelle kaum folgen können. Mich drängte es fast, meinem Thiere die Hacken einzusetzen und hinter der wilden, wunderlichen, in der Flucht mit einander spielenden und sich bald rechts bald links hinüberhetzenden Schaar herzusprengen. Aber sie flohen nach Süden hinunter, und mein Begleiter warf noch fortwährend viel zu mißtrauische /82/ Blicke nach jener Himmelsrichtung, um mir je zu gestatten, ihr entgegenzujagen. Ueberdies hatten wir an dem Morgen auch viel Zeit versäumt, und es galt jetzt vor allen Dingen, erst die wieder einzubringen.

      Das Wild ist hier in den Steppen entsetzlich scheu, und der europäische Jäger soll es sich nicht etwa leicht denken, trotz der sehr großen Anzahl, viel zu schießen. Der Gaucho hat kein Feuergewehr, überhaupt keine Schußwaffe, nur den Lasso und die Bolas, und mit diesen ist er genöthigt, will er einmal Wildpret essen, sein Wild zu fangen. Mit diesen Waffen verfolgen deshalb die Gauchos Hirsche und Strauße, und hetzen das Wild so lange, bis sie es überholen. Natürlich muß dieses, auf solche Art fortwährend abgetrieben, ungemein scheu werden, und wo es nur ein Pferd galoppiren hört, flieht es schon, die unvermeidlichen Verfolger fürchtend, in ängstlicher Hast über die Ebene, und ruht nicht eher, bis die Gestalten der vermutheten Feinde in nebliger Ferne verschwimmen.

      Nöthig ist es hier übrigens, daß ich Bolas und Lasso dem Leser zuerst etwas näher beschreibe, denn wenn wir auch in Deutschland wissen, daß der Lasso eine Schlinge ist und Bolas Kugeln bedeuten, die geworfen werden, machen wir uns doch im Ganzen einen falschen Begriff davon. Der Lasso besteht aus einem langen Seil, von ungegerbter Rindshaut fest geflochten. Das eine Ende desselben trägt einen kleinen eisernen oder Messing-, ja in manchen Ländern ebenfalls von Leder geflochtenen Ring, und durch diesen gezogen, bildet das Seil oder der Lasso eine Schlinge, die, wenn zum Gebrauch fertig, von dem Gaucho so gefaßt wird, daß sie acht bis zehn Fuß Leine in sich faßt. In diese Schlinge selber greift er beim Wurf hinein, während er vielleicht noch dreißig Fuß loses Tau in der linken Hand locker aufgerollt hält, schwingt den Lasso drei- bis viermal um den Kopf, um ihm beim Wurf den rechten Nachdruck zu geben, und schleudert ihn dann mit solcher Sicherheit, daß er ihn nicht allein um den Hals jedes nur in Wurfesnähe gebrachten Thieres, sondern sogar beim vollen Lauf um jedes Bein des Wildes legen kann, das er haben will. Ist der Gaucho zu Pferd, so hat er das andere /83/ Ende des Lasso an seinem breiten, ebenfalls aus Rohhaut gefertigten Sattelgurt befestigt, und das Thier, das er reitet, ist so vortrefflich auf diese Art Fang eingerichtet, oder weiß vielmehr so gut, was ihm selber droht, wenn es nicht feststeht, daß es sich gleich nach dem Wurf entgegenstemmt, dem ersten Ruck des getroffenen Thieres zu begegnen.

      Die Bolas sind in der Natur des Wurfs dem Lasso ähnlich, denn sie werden ebenfalls wie dieser um den Kopf des Werfenden geschwungen und wie dieser geschleudert. Sie sind aber für den Gegenstand, nach dem sie geworfen werden, gefährlicher, da sie nicht selten selbst die Knochen eines starken Pferdes brechen. Der Pampas-Indianer gebraucht sie deshalb auch zur Kriegswaffe. Sie bestehen aus drei, in Rindshaut fest eingenähten, etwa zwei bis dritthalb Zoll im Durchmesser haltenden Steinen - nicht selten auch, wo es sich die Gauchos verschaffen können, aus kleineren Stücken Blei, die jedes an einem etwa fünf Fuß langen Streifen ungegerbter Haut befestigt sind und zu einem Mittelpunkt zusammenlaufen. Der Werfende erfaßt die eine Kugel, schwingt sich die anderen beiden wie beim Lassowurf um den Kopf, und schleudert sie dann mit einer eben solchen Biegung der Hand, als es beim Lasso nöthig ist, nach vorn. Im Wurf streben aber die schweren Gewichte auseinander, und während sie sich, ein etwa acht Fuß im Durchmesser haltendes Dreieck bildend, rasch umkreisen, schlagen, sobald der eine Stein oder das Seil, an dem er befestigt ist, einen Gegenstand trifft und dadurch Widerstand findet, die andern beiden mit Gewalt umher, umschlingen und verwickeln, was sie fassen, und treffen mit tätlicher Gewalt, was also in den Bereich ihrer Schwingung gebracht wird. Pferde, mit solchen Bolas geworfen, habe ich zusammenbrechen sehen, als ob sie vom Blitz erschlagen gewesen wären.

      Ein hübsches Beispiel vom Lassowerfen hatte ich am 23. Morgens. Diese Stationen sind, wie schon gesagt, nur Meistens kleine, roh aufgerichtete Hütten, in denen die Gauchos leben, und nach eingegangenem Contract mit dem Staat dem postreitenden Correo so viel Pferde stellen, wie er gerade braucht. Sehen sie ihn von Weitem über Tag ankommen - /84/denn die Zeit, wo er etwa passiren muß, wissen sie ungefähr - so sprengen ein paar von ihnen mit den stets am Haus bereit gehaltenen Pferden hinaus, die nächste Heerde einzutreiben, und wenn sie eine Umzäunung haben, jagen sie die Thiere hinein. Ist das aber nicht der Fall, so gehen zwei von verschiedenen Seiten auf sie zu und werfen mit fast nie fehlender Sicherheit dem Thier, das sie haben wollen, den Lasso um den Hals. Die Pferde aber, wie alle Thiere der Steppe, kennen den Lasso, und den Ruck fürchtend, der sie gewöhnlich niederreißt, stehen sie nicht selten, sobald sie die Schlinge fühlen, stockstill, obgleich sie ihr vorher meist in voller Flucht zu entgehen suchen.

      An diesem Morgen waren ihrer vier mit Lassos hinausgegangen, die schon dicht zum Haus gejagten Pferde zu umzingeln. Die Thiere zeigten sich aber heute ganz außergewöhnlich scheu, und schienen den Wurf, da sie vielleicht erst kürzlich durch Bolas beschädigt worden, ungemein zu fürchten. Die drei ersten, mit Lassos gefangenen, rissen so furchtbar in die Schlinge, daß die Gauchos, die zu Fuß hinausgegangen waren, sie nicht halten konnten und loslassen mußten, und mit dem anhängenden Lasso stürmten sie, von der ganzen Heerde gefolgt, wieder hinaus in die Steppe. Zwei berittene junge Bursche trieben sie aber wieder zurück, fingen eins dabei, das sie zugleich zum Hause brachten - und die Hetze begann dann von Neuem. Dreimal brannten sie also durch, dreimal wurden sie wieder zurückgejagt und sechs Lassos schleiften schon in der Heerde, bis wir endlich unsere nöthigen vier Thiere, aber so abgehetzt und wild gemacht, zusammen hatten, daß sich weder mit Sporen noch Peitsche etwas mit ihnen ausrichten ließ. Wie die wilde Jagd stob es, endlich einmal im Sattel, mit uns davon - sie gingen richtig mit uns durch, und es war ein Glück, daß wir an diesem Morgen zuerst nur eine kleine Station hatten.

      Herrlich ist übrigens der Anblick der wilden Heerden, die, von ihren fast noch wilderen Herren verfolgt, mit fliegenden Mähnen und schnaubenden Nüstern durch die Steppen donnern. Dahinterher dann die tollen sonnverbrannten Gauchos mit ihren flatternden Ponchos und Kopftüchern, den Lasso /85/ fortwährend im wirbelnden Schwung, die eigenen Thiere un-unterbrochen zum Aeußersten anspornend; - dazu die erschreckten auseinander stiebenden Heerden der Rinder, durch und über die hin manchmal die tolle Hetze geht; die aufgescheuchten kreisenden oder scheu abstreichenden Falken; die grüne Steppe und der blaue Himmel; die in jedem Moment wechselnden malerischen Gruppen, - das Alles macht einen Eindruck auf den Beschauer, den es wohl ungemein schwer werden möchte, bei ruhigem Blut in todter Schriftsprache wiederzugeben. So etwas muß erlebt, gefühlt sein - die Nerven müssen dabei selbst erregt gewesen sein; das eigene, von Uebermuth sprudelnde Thier muß unter Einem getanzt und in die Zügel geschäumt haben und dann, weit ausgreifend, mitten in dies Leben hineingeflogen sein. Dann aber bleibt es auch mit unvertilgbaren Zügen in das Herz gegraben, das diesem wilden Treiben einst mit so frohem Klopfen entgegenschlug, und keine Zeit, kein anderes Leben kann es je daraus wieder verwischen.

      Am 23. machten wir in einer kleinen Stadt, Cruz alta, Station. - Stadt; ja was wir uns in Deutschland darunter denken, darf man hier freilich nicht erwarten. Es sind Lehmhütten, die dem Anschein nach schon eigentlich bei dem ersten ordentlichen Regen zusammenschmelzen müßten - und die Bewohner? - lieber Leser, ich weiß wahrlich nicht wie ich Dir, ohne die Leute selber zu kränken, ohne aber auch ihnen zu schmeicheln, einen recht treuen Begriff von ihnen geben könnte. Die jungen Leute sind meist lauter kräftige, selbst interessante Gestalten, die sich in der malerischen Landestracht (wenn sie nur nicht gar so oft die verwünschten europäischen schwarzen Seidenhüte zu ihren Ponchos und Cheripas tragen wollten) nur noch pittoresker und eigenthümlicher ausnehmen. Leider aber kann ich dem schönen Geschlecht nichts so Rühmliches nachsagen. Es sollte mir leid sein, den Frauen der Pampas Unrecht zu thun; was ich aber bis dahin von ihnen gesehen, diente wahrlich, mit nur sehr wenig Ausnahmen,

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