Aus dem Leben einer Wanderhure. Walter Brendel

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Aus dem Leben einer Wanderhure - Walter Brendel

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ganz Europa imitiert. In den Städten entwickelten sich auch Handwerker- und Händlerzünfte, die entscheidenden Einfluss auf das Wirtschaftsleben gewannen.

      Im frühen und hohen Mittelalter war elementare Bildung, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, nur einem kleinen Kreis von Menschen zugänglich. Die breite Masse des Volkes, selbst der Adel, besaß kaum oder nur sehr geringe Bildung. Lediglich in den Klosterschulen war es möglich, sich Bildung anzueignen, doch nur für jene, die bereit waren, sich dem Dienst im Orden zu verpflichten. Ab etwa dem Jahr 1000 entstanden, parallel zum Aufblühen der Städte, sogenannte Kathedralschulen. Sie bildeten auch Adels- und Bürgersöhne, ja sogar Leibeigene aus, ohne sie dem Ordensleben zu unterwerfen. Die Kathedralschulen, die sich besonders stark in Frankreich entwickelten, beschränkten den Unterrichtsstoff auf die sieben „freien Künste“, deren Erlernen schon im alten Rom für freie Bürger charakteristisch war, das Trivium (Grammatik, Logik, Rhetorik) und das Quadrivium (Arithmetik, Astronomie, Geometrie, Musik). Gelesen wurden nur wenige anerkannte Schriftsteller der Spätantike und des frühen Mittelalters wie Boëthius, Cassiodor oder Isidor von Sevilla.

      Mit den Kreuzzügen bekam das christliche Abendland Kontakt zur Geisteswelt des Islams. Viele bildungshungrige Europäer lernten arabische Mathematik, Astronomie, Medizin und Philosophie kennen, in den Bibliotheken des Orients lasen sie erstmals die griechischen Klassiker wie Aristoteles (im Mittelalter sehr häufig „der Philosoph“ genannt) im Originaltext. Auch über den islamisch besetzten Teil Spaniens kamen viele Impulse besonders nach Frankreich. Das damals vorbildliche Ausbildungssystem der islamischen Welt wurde bereitwillig aufgenommen. Die Regelungen und Lehrpläne der europäischen Kloster- und Kathedralschulen taten sich mit der Integration der neuen Inhalte schwer.

      Obwohl Anfang des 12. Jahrhunderts Petrus Abaelardus als einer der Vorreiter dieser Entwicklung noch kirchlicher Verfolgung besonders durch Bernhard von Clairvaux ausgesetzt war, ließ sich die Entstehung von freien Universitäten nicht mehr verhindern. Mit dem Wachstum der erfolgreichen Handelsmetropolen entstanden ab der Mitte des 13. Jahrhunderts auch die Universitäten: Bologna, Padua, Paris, Orléans, Montpellier, Cambridge und Oxford, um nur einige Gründungen dieser Zeit zu nennen. Schon bald gehörte es für eine reiche Stadt zum guten Ton, bekannte Gelehrte und viele Studenten in ihren Mauern zu beherbergen.

      Die frühen Universitäten des Spätmittelalters besaßen keine festen Gebäude oder Vorlesungsräume. Je nach Situation nutzte man öffentliche Räume für Vorlesungen: In Italien waren es oft die Stadtplätze, in Frankreich Kreuzgänge in Kirchen und in England fanden die Vorlesungen nicht selten an Straßenecken statt.

      Erst später mieteten erfolgreiche Lehrer, die von ihren Studenten direkt je Vorlesung bezahlt wurden, Räumlichkeiten für ihre Vorlesungen.

      Und bald gab es schon die ersten Studentenunruhen: Auch wenn eine Universität der Stolz einer Stadt war, gab es doch häufig Streitigkeiten mit den in Bünden organisierten Studenten wegen zu hoher Preise für Kost und Logis und Kritik wegen zu viel Schmutz auf den Straßen oder betrügerischer Gastwirte. In Paris gingen die Auseinandersetzungen im Jahr 1229 so weit, dass die Universität nach dem gewaltsamen Tod mehrerer Studenten mit Umsiedlung in eine andere Stadt drohte. Papst Gregor IX. erließ daraufhin eine Bulle, die die Eigenständigkeit der Universität von Paris garantierte. Fortan konnten zunehmend selbst die mächtigen Bürgerschaften den Universitäten keine Vorschriften mehr machen.

      Der Philosoph Wilhelm von Ockham, bekannt durch das Prinzip von Ockhams Rasiermesser, und der Nominalismus leiteten das Ende stark theoretischer scholastischer Debatten ein und machten den Weg für empirische und experimentelle Wissenschaft frei. Ockham zufolge sollte sich die Philosophie nur mit Dingen beschäftigen, über die echtes Wissen erreicht werden kann (Prinzip der Sparsamkeit, engl. parsimony). Mittelalterliche Vorläufer der experimentellen Forschung kann man bereits in der Wiederentdeckung des Aristoteles und im Werk Roger Bacons sehen. Besonders kritisch äußert sich über die Scholastiker Nikolaus von Kues. Aus prinzipiellen Gründen wendet er sich auch gegen eine Zentralstellung der Erde und nimmt in diesem Punkt das heliozentrische Weltbild des Nikolaus Kopernikus vorweg.

      Kurz vor und nach dem Fall Konstantinopels strömten auch verstärkt byzantinische Gelehrte nach Europa (z.B. Basilius Bessarion), wie auch bereits vorher byzantinische Kodizes nach Europa gelangt waren (etwa durch Giovanni Aurispa).

      Die meisten technischen Errungenschaften des 14. und 15. Jahrhunderts waren nicht europäischen Ursprungs, sondern stammten aus China oder Arabien. Die umwälzende Wirkung folgte nicht aus den Erfindungen selbst, sondern aus ihrer Verwendung. Schießpulver war den Chinesen schon lange bekannt gewesen, doch erst die Europäer erkannten sein militärisches Potenzial und konnten es zur neuzeitlichen Kolonialisierung und Weltbeherrschung nutzen. In diesem Zusammenhang sind auch die Fortschritte der Navigation wesentlich. Kompass, Astrolabium und Sextant erlaubten gemeinsam mit weiterentwickeltem Schiffbau das Bereisen der Weltmeere. Gutenbergs Druckerpresse machte nicht nur die protestantische Reformation möglich, sondern trug auch zur Verbreitung des Wissens bei und damit zu einer Gesellschaft mit mehr Lesekundigen.

      Um 1300–1350 ging die Mittelalterliche Warmzeit in die folgende Kleine Eiszeit über. Das kältere Klima reduzierte die Ernten; Hungersnot, Seuchen und Bürgerkriege folgten. Die wichtigsten Ereignisse waren die Große Hungersnot 1315–1317, der Schwarze Tod, und der Hundertjährige Krieg. Als die Bevölkerung Europas auf die Hälfte abnahm, wurde reichlich Land für die Überlebenden verfügbar, und in der Konsequenz wurde die Arbeit teurer. Versuche der Landbesitzer, die Löhne gesetzlich zu begrenzen – wie mit dem englischen Statute of Labourers 1351, waren zum Scheitern verdammt. Es war praktisch das Ende der Leibeigenschaft im größten Teil Europas. In Osteuropa andererseits gab es nur wenige große Städte mit einem lebendigen Bürgertum, um den Großgrundbesitzern Paroli zu bieten. Daher gelang es diesen dort, die Landbevölkerung in noch stärkere Unterdrückung zu zwingen.

      Die in Teilen, aber keineswegs insgesamt herrschende apokalyptische Stimmung führte vielfach zum Wunsch der direkten Gotteserfahrung. Das Bibelstudium vermittelte den Menschen das Bild der einfachen Lebensweise Jesu Christi und der Apostel, ein Vorbild, dem die existierende Kirche nicht gerecht wurde, gerade weil das Papsttum seit 1309 in Avignon (Avignonesisches Papsttum) residierte und sich immer mehr von den Menschen entfernte. Hinzu kam das abendländische Schisma von 1378, welches erst durch den Konziliarismus beendet werden konnte (Konzil von Konstanz). Infolge der Glaubenskrise entstanden vermehrt Bettelorden und apostolische Gemeinden, die sich dem einfachen Leben widmen wollten. Viele davon wurden von der Kirche wegen Ketzerei verfolgt, so beispielsweise die Waldenser, Katharer oder die Brüder und Schwestern des freien Geistes. Im Spätmittelalter traten in ganz Europa aus ähnlichen Gründen Judenverfolgungen auf, viele Juden wanderten nach Ostmitteleuropa aus.

      Seit dem frühen 14. Jahrhundert gelangte das Papsttum zunehmend unter den Einfluss der französischen Krone, bis hin zur Verlagerung seines Sitzes nach Avignon 1309. Als der Papst 1377 beschloss, nach Rom zurückzukehren, wurden in Avignon und Rom unterschiedliche Päpste gewählt, mit dem Resultat des sog. Abendländischen Schismas (1378–1417). Die Kirchenspaltung war eine ebenso politische wie religiöse Angelegenheit; während England den römischen Papst unterstützte, stellten sich seine Kriegsgegner Frankreich und Schottland hinter den Papst in Avignon.

      Auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) wurde das Papsttum wieder in Rom vereinigt.

      Obgleich die Einheit der Westkirche danach noch hundert Jahre andauerte und obgleich der Heilige Stuhl einen größeren Reichtum aufhäufte als jemals zuvor, hatte das Große Schisma doch irreparablen Schaden verursacht. Die inneren Konflikte der Kirche förderten den Antiklerikalismus bei Herrschern und Beherrschten und die Teilung ermöglichte Reformbewegungen mit schließlich einschneidenden Veränderungen.

      Obwohl die Westkirche lange gegen häretische Bewegungen gekämpft hatte, entstanden im Spätmittelalter innerkirchliche Reformbestrebungen. Deren erste entwarf der Oxforder Professor John Wyclif in England. Wyclif sprach sich dafür aus, die Bibel als einzige

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