Vom Winde verweht. Margaret Mitchell

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Vom Winde verweht - Margaret Mitchell

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nirgends auf der Welt. Was mich betrifft ich bin zwar in Charleston geboren, habe aber die letzten Jahre im Norden verbracht.« Ein Lächeln entblößte seine weißen Zähne, als wäre es ihm wohlbekannt, d aß alle Anwesenden seine Geschichte wüßten, und als machte er sich nicht das geringste daraus. »Ich habe vieles gesehen, was Sie alle nicht gesehen haben. Die Tausende von Einwanderern, die gern gegen freie Beköstigung und ein paar Dollar Sold für die Yankees fechten würden, die Fabriken, die Gießereien, die Werften, die Bergwerke ... all das, was wir nicht haben. Wir haben ja nur unsere Baumwolle, unsere Sklaven und unseren Hochmut. Die werden in einem Monat mit uns fertig.«

      Einen gespannten Augenblick lang herrschte Schweigen. Rhett Butler zog ein feines Leinentaschentuch hervor und stäubte sich nachlässig den Ärmel. Dann erhob sich ein unheilverkündendes Geraune und Gemurmel ringsum. Das Summen von der Gruppe unter den Bäumen her glich dem eines aufgeschreckten Bienenschwarms. Auch Scarlett spürte, wie ihr der Zorn in die Wangen stieg, aber zugleich schoß durch ihren nüchternen Kopf der Gedanke, daß alles, was dieser Mann da sagte, höchst verständig klinge und richtig sein könne. Sie hatte zwar noch nie eine Fabrik gesehen und kannte auch niemanden, der eine gesehen hatte. Aber selbst wenn er die Wahrheit redete, so war er doch kein Gentleman, denn man sprach solche Dinge nicht auf einer Gesellschaft aus, auf der man zum Vergnügen weilte.

      Stuart Tarleton kam mit gesenkten Brauen heran, und Brent folgte ihm auf dem Fuße. Die Zwillinge wußten sich selbstverständlich zu benehmen und würden schwerlich auf einem Gartenfest eine ernstliche Szene machen, aber trotzdem gerieten die Damen in eine wohlige Erregung - es kam so selten vor, daß sie einen Streit selber miterlebten; meistens lernten sie ihn nur vomHörensagen kennen.

      »Herr«, sagte Stuart dumpf, »was wollen Sie damit sagen?«

      Rhett sah ihn höflich, aber etwas belustigt an. »Ich will damit«, antwortete er, »dasselbe sagen wie Napoleon - Sie haben vielleicht von ihm gehört? - Er sagte einmal: >Gott ist immer auf der Seite der stärksten Bataillone!<«

      Dann wandte er sich zu John Wilkes und sagte verbindlich: »Sie haben mir versprochen, mir Ihre Bibliothek zu zeigen; wäre es unbescheiden, wenn ich darum bäte, sie jetzt sehen zu dürfen? Denn ich muß leider heute nachmittag schon zeitig nach Jonesboro zurück.«

      Er schlug leicht die Hacken zusammen und verbeugte sich nach allen Seiten wie ein Tanzlehrer. Die Verbeugung war für einen Mann von solchem Körperbau voller Anmut und dabei so frech wie ein Schlag ins Gesicht. Dann schritt er erhobenen Hauptes mit John Wilkes quer über den Rasen, und sein aufreizendes Lachen hallte bis zu der Gruppe bei den Tischen zurück. Für einen Augenblick herrschte verblüfftes Schweigen, dann begann das Stimmengewirr von neuem. India stand müde von ihrem Platz unter den Bäumen auf und ging auf den erbosten Stuart Tarleton zu. Scarlett hörte nicht, was sie sagte, aber bei dem Blick, mit dem sie ihn ansah, empfand sie so etwas wie einen Gewissensbiß. Es war derselbe Blick der Zusammengehörigkeit, mit dem auch Melanie Ashley anschaute - nur daß Stuart ihn nicht erwiderte. Einen Augenblick lang dachte Scarlett, er hätte India vielleicht längst geheiratet, wenn sie, Scarlett, im vorigen Jahre nicht so mit ihm geflirtet hätte. Dann aber beruhigte sie sich bei dem Gedanken, es sei doch nicht ihre Schuld, wenn andere Mädchen ihre Männer nicht festzuhalten verstünden.

      Endlich lächelte Stuart zu India hinunter, ein gezwungenes Lächeln, und nickte mit dem Kopf. India hatte ihn wahrscheinlich gebeten, keinen Streit mit Mr. Butler anzufangen. Unter den Bäumen entstand ein Durcheinander, während die Gäste sich erhoben. Die Mütter riefen nach den Kinderfrauen und den kleinen Kindern und versammelten ihre Brut, um Abschied zu nehmen. Die jungen Mädchen brachen gruppenweise auf und gingen lachend und schwatzend ins Haus, um oben in den Schlafräumen ihre Siesta zu halten. Alle Damen überließen jetzt die Laube und den Schatten der Eichen den Männern; nur Mrs. Tarleton wurde von Gerald, Mr. Calvert und anderen zurückgehalten, die wegen der Pferde für die Truppe endlich eine Zusage zu erlangen hofften.

      Ashley schlenderte zu Scarlett und Charles hinüber, er hatte ein halb nachdenkliches, halb belustigtes Lächeln um den Mund. »Ein hochnäsiger Teufel, nicht wahr?« bemerkte er und sah Butler nach. »Er sieht aus wie ein Borgia.«

      Geschwind dachte Scarlett nach, ob ihr eine Familie dieses Namens in der Provinz, in Atlanta oder in Savannah bekannt wäre. »Die kenne ich nicht. Ist er mit ihnen verwandt? Was sind das für Leute?«

      Über Charles' Gesicht huschte ein verlegener Ausdruck: Ungläubigkeit, Scham und Liebe rangen miteinander. Die Liebe siegte, als ihm aufging daß ein Mädchen nichts weiter brauchte, als anmutig, sanft und schön zu sein, aber keine Bildung obendrein, die ihrem Zauber nur allzu leicht schaden könnte. Er antwortete also rasch: »Die Borgias waren Italiener.«

      »Ach«, Scarlett hatte das Interesse verloren, »Fremde!« Sie zeigte Ashley ihr reizendstes Lächeln, aber er sah sie gerade nicht an. Sein Blick lag auf Charles, voller Verständnis und ein wenig mitleidig.

      Scarlett stand auf dem Treppenabsatz und lugte vorsichtig über das Geländer nach unten in die Halle. Sie war leer. Aus den Schlafzimmern im oberen Flur kam das endlose Summen leiser Stimmen. Es schwoll an und schwoll wieder ab, und zwischenhinein erscholl Gelächter. Auf den Betten und Diwans der sechs großen Schlafzimmer ruhten die Mädchen sich aus. Das Kleid hatten sie abgelegt, das Korsen gelockert, die Haare flossen geöffnet über den Rücken herab. Ein Nachmittagsschlummer war auf dem Lande Sitte, und selten war er so nötig wie auf solchen Gesellschaften, die den ganzen Tag dauerten, frühmorgens begannen und in einem Ball ihren Höhepunkt fanden. Eine halbe Stunde schwatzten und lachten noch die Mädchen miteinander, dann schlossen die Kammerjunfern die Fensterläden, und in dem warmen Halbdunkel verlor sich das Gespräch im Flüstern und schließlich ganz im Schweigen, das nur durch sanfte, regelmäßige Atemzüge belebt ward.

      Scarlett hatte sich davon überzeugt, daß Melanie mit Honey und Hetty Tarleton auf dem Bett lag, dann schlich sie auf den Flur und ging die Treppe hinunter. Aus dem Treppenfenster konnte sie die Gruppe der Männer unter den Bäumen sitzen sehen, wie sie aus hohen Gläsern tranken. Dort blieben sie nun bis zum späten Nachmittag. Sie suchte die Schar mit den Augen ab, aber Ashley war nicht darunter. Dann horchte sie und vernahm seine Stimme, er nahm noch vorn in der Einfahrt Abschied von davonfahrenden Frauen und Kindern.

      Das Herz schlug ihr bis zum Halse, geschwind lief sie die Treppe hinunter. Wenn sie nun Mr. Wilkes traf? Wie sollte sie sich dafür entschuldigen, im Hause herumzustöbern, während alle anderen Mädchen schliefen? Nun, sie mußte es darauf ankommen lassen. Als sie die untersten Stufen erreichte hatte, hörte sie die Dienstboten im Speisezimmer hin und her gehen und nach den Anweisungen des ersten Dieners Tisch und Stühle hinaustragen und das Zimmer für den Tanz vorbereiten. Auf der andern Seite der Halle stand die Tür der Bibliothek offen, lautlos lief sie hinüber. Dort konnte sie warten, bis Ashley mit Abschiednehmen fertig war, und ihn dann anrufen, wenn er hereinkam. Die Bibliothek lag im Halbdunkel da, die Vorhänge waren zum Schutz gegen die Sonne geschlossen. Der dämmerige Raum mit seinen hohen Wänden, bis obenhin voller Bücher, bedrückte sie.

      Für eine Zusammenkunft, wie sie sie erhoffte, hätte sie sich diesen 0rt sicher nicht ausgesucht. Große Büchermengen bedrückten sie immer, ebenso wie die Leute, die viele Bücher lasen ... Alle solche Leute mit einer einzigen Ausnahme: Ashley. Schwere Möbel standen vor ihr im Halbdunkel, hochlehnige Stühle mit tiefen Sitzen und breiten Armlehnen für die großen Wilkesschen Männer, niedrige weiche Samtsessel und Schemel für die Mädchen. Ganz am anderen Ende des langen Raumes ragte vor dem Kamin das mächtige Sofa, Ashleys Lieblingsplatz, wie ein schlafendes Riesentier.

      Sie schloß die Tür bis auf einen schmalen Spalt und versuchte, den raschen Schlag ihres Herzens zu beruhigen. Sie suchte sich genau auf das zu besinnen, was sie sich gestern abend vorgenommen hatte, Ashley zu sagen, aber es war ihr völlig entschwunden. Hatte sie sich überhaupt

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