Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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»Wollen Sie mich schon bald heiraten, Miß Scarlett?«
Sie fingerte an den Falten ihres Kleides.
»Wollen wir eine Doppelhochzeit mit Mel ...?«
»Nein!« sagte sie rasch, ihre Augen blitzten unheilverkündend zu ihm auf. Wieder merkte Charles, daß er etwas falsch gemacht hatte. Natürlich wollte ein Mädchen ihre eigene Hochzeit haben, ihren Ehrentag nicht teilen. Wie gut von ihr, seine Tölpeleien zu übersehen! Wäre es doch dunkel, fände er doch den Mut, den die Dunkelheit gibt, könnte er ihr doch die Hand küssen und ihr sagen, wovon sein Herz voll war!
»Wann kann ich mit Ihrem Vater sprechen?«
»Je eher, desto besser.« Sie hoffte, er würde vielleicht ihre Hand von dem lästigen Druck der Ringe erlösen, ehe sie ihn darum bitten müßte. Er sprang auf, und einen Augeblick meinte sie, er wollte einen Purzelbaum schlagen, ehe der Anstand es ihm verbot. Strahlend blickte er auf sie nieder, sein ganzes Herz in all seiner reinen Einfalt lag in den Augen. So hatte noch niemand sie angeschaut, und so sollte auch nie wieder jemand sie anschauen. Aber traumhaft losgelöst von allem, wie sie war, fand sie nur, er sähe aus wie ein Kalb.
»Ich will nun Ihren Vater suchen«, sagte er und lächelte über das ganze Gesicht. »Ich kann nicht länger warten. Willst du mich entschuldigen ... du Liebe?« Das Du wurde ihm schwer. Als er es aber einmal gesagt hatte, wiederholte er es voller Wonne immer von neuem. »Ja«, sagte sie, »ich warte hier. Hier ist es so schön kühl.« Er ging quer über den Rasen und verschwand hinter dem Hause. Sie saß allein unter der rauschenden Eiche. Von den Ställen kamen Scharen von Reitern, schwarze Diener dicht hinter ihren Herren. Die Munroes preschten vorbei und schwenkten die Hüte. Die Fontaines und Calverts ritten jauchzend die Straße hinunter. Die vier Tarletons jagten miteinander über den Rasen, und Brent rief: »Mutter, gib uns die Pferde! Yee - aay - ee!« Rasenstücke flogen, weg waren sie. Sie war wieder allein.
Vor ihr ragten die Säulen des weißen Hauses empor, als zöge es sich, würdig und unnahbar, von ihr zurück. Ihr Haus würde es nun nie werden. Nie würde Ashley sie als Braut über die Schwelle tragen. Ach, Ashley, Ashley! Was hab' ich getan? Tief unter Schichten von verletztem Stolz und kalter Berechnung regte es sich in ihr und schmerzte. Ein reifes Gefühl wurde in ihr geboren, stärker als ihre Eitelkeit und Selbstsucht. Sie liebte Ashley und wußte, wie sehr sie ihn liebte, und hatte ihn nie so heiß geliebt wie in diesem Augenblick, da sie Charles auf dem gewundenen Kiesweg verschwinden sah.
7
Innerhalb von zwei Wochen war Scarlett verheiratet, zwei Monate später war sie Witwe. Die Bande, die sie so hastig und gedankenlos geknüpft hatte, waren schnell zerrissen, aber die sorglose Freiheit ihrer Mädchentage sollte sie nie wieder kennenlernen. Witwentum war der Heirat auf dem Fuße gefolgt, und nach ihr kam zu Scarletts Schrecken bald auch die Mutterschaft.
Wenn Scarlett in späteren Jahren an diese letzten Apriltage des Jahres 1861 dachte, konnte sie sich der Einzelheiten nie mehr deutlich entsinnen. Zeit und Ereignisse schoben sich ineinander, wirr wie bei einem Alpdrücken, bar jeder Wirklichkeit und jeden Sinnes. Bis zu ihrer Todesstunde behielten die Erinnerungen an jene Tage blinde Flecken. Nebelhaft verschwand ihr besonders die Zeit zwischen ihrem Jawort an Charles und der Hochzeit. Vierzehn Tage! In Friedenszeiten wäre eine so kurze Verlobung undenkbar gewesen; der Schicklichkeit halber hätte man ein ganzes Jahr oder mindestens sechs Monate gewartet. Aber der Süden stand in Kriegsflammen, die Ereignisse brausten wie vor einem gewaltigen Winde dahin, das langsame Zeitmaß vergangener Tage war vorüber.
Ellen hatte die Hände gerungen und zum Aufschub geraten, damit Scarlett sich ihre Entscheidung gründlicher überlegte. Aber für ihre Bitten hatte Scarlett nur taube 0hren und ein abweisendes Gesicht. Heiraten wollte sie, und das schleunigst - binnen vierzehn Tagen.
Als sie erfuhr, daß Ashleys Hochzeit vom Herbst auf den 1. Mai vorverlegt worden sei, damit er ins Feld gehen könne, setzte sie das Datum für die eigene Hochzeit auf den Tag vor der seinigen fest. Ellen war nicht damit einverstanden, aber Charles trat mit neugeborener Beredsamkeit dafür ein. Er war ungeduldig, zu Wade Hamptons Legion in Südcarolina zu stoßen, und Gerald nahm für die jungen Leute Partei. Ihn hatte d as Kriegsfieber gepackt, auch freute er sich, daß Scarlett eine so gute Partie machte - und sollte etwa er junger Liebe sich in den Weg stellen, wenn der Krieg im Anzug war? Ellen gab schließlich verzweifelt nach, wie es andere Mütter im Süden auch taten. Ihre geruhsame Welt war auf den Kopf gestellt, ihr Rat, ihr Bitten und Beten war machtlos gegen die Gewalten, die sie mit sich fortrissen.
Der Süden war trunken vor Begeisterung und Erregung. Jeder glaubte, daß eine einzige Schlacht den ganzen Krieg beenden würde. Jeder junge Mann stelle sich, so rasch er konnte, um noch mit dabeisein zu können - heiratete seine Liebste, so schnell es ging, und ritt dann auf und davon nach Virginia, um die Yankees zu schlagen. Dutzende von Kriegsheiraten fanden in der Provinz statt. Für Abschiedsschmerz war kaum Zeit, jeder war zu geschäftig und aufgeregt für ernste Gedanken und Tränen. Die Damen nähten Uniformen, strickten Socken und wickelten Binden, die Männer exerzierten und schossen. Durch Jonesboro fuhren täglich Militärzüge auf ihrem Weg nordwärts nach Atlanta und Virginia. Einige Truppenabteilungen hatten bunte, scharlachrote, hellblaue und grüne Uniformen, es war die Miliz, die von der besten Gesellschaft gebildet wurde. Andere Abteilungen trugen grobe handgewebte Jacken und Bärenmützen, noch andere überhaupt keine Uniform, sondern Tuchanzüge und Batistwäsche. Alle waren halb ausgebildet, halb bewaffnet, außer sich vor Erregung und schrien durcheinander, als wären sie zu einem Picknick unterwegs. Der Anblick dieser Leute versetzte die jungen Leute der Provinz in eine wahre Panik. Sie fürchteten, der Krieg könnte aussein, bevor sie nach Virginia gelangten, und die Vorbereitungen für den Abmarsch der »Truppe«wurden beschleunigt.
Mitten in all diesem Durcheinander rüstete man zu Scarletts Hochzeit, und ehe sie es sich versah, hatte sie Ellens Hochzeitskleid und Schleier an und schritt an ihres Vaters Arm die breite Treppe in Tara hinunter, um ein ganzes Haus voller Gäste zu begrüßen. Später kam ihr alles wie ein Tra um vor, die vielen hundert Kerzen, die an den Wänden flammten, das liebevolle, ein wenig beunruhigte Gesicht der Mutter, in dem die Lippen sich in stummem Gebet für das Glück der Tochter bewegten, Gerald, hochrot von Branntwein und von Stolz, daß seine Tochter sowohl Geld wie einen vornehmen und alten Namen in die Familie brachte - und Ashley, der unten an der Treppe stand, mit Melanie am Arm.
Als sie sein Gesicht sah, dachte sie: »Dies alles kann nicht wahr sein. Es kann nicht sein. Es ist ein böser Traum. Nachher wache ich auf und sehe, daß alles nur ein Traum war. Jetzt darf ich nicht daran denken, sonst fange ich vor all den Leuten an zu schreien. Ich kann jetzt überhaupt nicht denken. Das tue ich später, wenn ich es aushallen kann - wenn ich seine Augen nicht mehr sehe.«
Alles war wie ein Traum, der Weg durch die Reihen lächelnder Menschen, Charles' rotes Gesicht, sein Stottern und ihre eigenen Antworten, die so erschreckend klar und kalt herauskamen. Und dann die Glückwünsche, die vielen Verwandtenküsse, die Tischreden, der Tanz - alles, alles wie ein Traum. Sogar Ashleys Kuß auf ihre Wange, sogar Melanies sanftes Flüstern: »Nun sind wir wirklich und wahrhaftig Schwestern«, kamen ihr unwirklich vor. Selbst die Aufregung, die der 0hnmachtsanfall von Charles' rundlicher, gefühlvoller Tante Miß Pittypat Hamilton hervorrief, wirkte wie ein Alpdruck.
Als aber Ball und Gläserklingen endlich zu Ende waren, als der Morgen dämmerte und all die Gäste aus Atlanta, die in das Herrenhaus und das Haus des Aufsehers gepfercht werden konnten, sich auf Betten, Sofas und am Boden ausgebreiteten Strohsäcken zur Ruhe gelegt hatten und die Nachbarn nach Hause gefahren waren, um sich für den nächsten Tag und die Hochzeit