Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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Natürlich wußte sie, daß verheiratete Leute in demselben Bett schlafen, aber sie hatte noch nie näher darüber nachgedacht. Bei Vater und Mutter war das etwas ganz Natürliches, auf sich selbst hatte sie die Tatsache nie bezogen. Nun wurde ihr zum erstenmal seit jenem Gartenfest wirklich klar, was sie auf sich genommen hatte. Der Gedanke, dieser fremde Junge, den sie eigentlich gar nicht hatte heiraten wollen, sollte zu ihr ins Bett steigen,während ihr das Herz brach vor Reue über ihre Übereilung und vor Schmerz, Ashley auf immer verloren zu haben, war mehr, als sie ertragen konnte. Ab er zögernd näher kam, flüsterte sie heiser: »Wenn du mir nahe kommst, schreie ich. Das tue ich! So laut ich kann! Mach, daß du wegkommst!Untersteh dich nicht, mich anzurühren!«
Charles Hamilton verbrachte also die Hochzeitsnacht auf einem Sessel in der Ecke, nicht einmal so unglücklich, denn er verstand die zarte Verschämtheit seiner Braut oder glaubte doch, sie zu verstehen. Er wollte gern warten, bis ihre Angst sich verlöre, nur ... nur - er seufzte, während er sich verrenkte, um eine bequeme Lage zu finden - er mußte ja so sehr bald schon in den Krieg!
War ihre eigene Hochzeit für sie schon gespenstisch gewesen, Ashleys Hochzeit war es noch mehr. Scarlett stand in dem apfelgrünen Kleid für den »zweiten Tag« im Salon zu Twelve 0aks mitten im Glanz von vielen hundert Kerzen, umdrängt von der gleichen Menschenmenge wie am Abend vorher, und sah Melanie Hamiltons schlichtes Gesichtchen zu Schönheit erglühen, als sie Melanie Wilkes wurde. Nun war Ashley auf immer dahin. Ihr Ashley. Nein, jetzt nicht mehr der ihre. War er es jemals gewesen? Alles ging so durcheinander in ihrem Sinn, ihr Kopf war so müde, so verworren. Er hatte gesagt, daß er sie liebte. Was hatte sie denn eigentlich getrennt? Wenn sie sich nur darauf besinnen könnte! Sie hatte die Klatschmäuler der Provinz durch ihre Hochzeit mit Charles zum Schweigen gebracht, aber was lag daran? Es war ihr damals so wichtig vorgekommen, jetzt war es so völlig gleichgültig. Das einzige, worauf es ankam, war Ashley. Nun war er fort und sie an einen Mann verheiratet, den sie nicht liebte, den sie sogar verachtete.
Amschlimmsten ward die Erkenntnis, daß sie allein an allem schuld war. Ellen hatte versucht, sie zurückzuhalten, aber sie hatte nicht hören wollen.
So vertanzte sie die Nacht von Ashleys Hochzeit wie betäubt, sprach mechanisch allerlei, lächelte und verwunderte sich über die Dummheit der Menschen, die sie für eine glückliche Braut hielten und nicht sahen, daß ihr das Herz gebrochen war. Nun, Gott sei Dank, daß sie es nicht sehen konnten.
Als Mammy ihr dann beim Ausziehen geholfen hatte und hinausgegangen war, als Charles schüchtern in der Tür des Ankleidezimmers auftauchte, unsicher, ob er auch die zweite Nacht in dem Roßhaarstuhl zubringen mußte, brach sie in Tränen aus. Sie weinte, bis Charles zu ihr ins Bett stieg und sie zu trösten suchte, weinte wortlos, bis ihr keine Tränen mehr kamen, weinte sich schließlich an seiner Schulter in den Schlaf.
Wäre nicht Krieg gewesen, so wäre jetzt eine Woche gefolgt mit Besuchen in der ganzen Provinz, mit Bällen und Gartenfesten zu Ehren der beiden Jungverheirateten Paare, ehe diese nach Saratoga oder nach White Sulphur auf die Hochzeitsreise gingen. Wäre nicht Krieg gewesen, so hätte Scarlett die verschiedenen Kleider für den »dritten«, »vierten« und »fünften Tag« bei Fontaines, Calverts und Tarletons auf den Gesellschaften, die ihr zu Ehren dort gegeben wurden, anziehen können. Jetzt aber gab es weder Gesellschaften noch Flitterwochen. Acht Tage nach der Hochzeit reiste Charles ab, um sich dem 0berst Wade Hampton zu stellen, und vierzehn Tage später marschierte Ashley mit der »Truppe« ab, und die ganze Provinz war vereinsamt.
In diesen vierzehn Tagen sah Scarlett Ashley niemals allein und wechselte kein Wort unter vier Augen mit ihm, nicht einmal in dem schrecklichen Augenblick des Abschieds, als er auf dem Wege zur Bahn in Tara vorsprach. Melanie mit Haube und Schal hing, erfüllt von ihrer neuerworbenen Frauenwürde, an seinem Arm, und die ganze Einwohnerschaft von Tara, Schwarze wie Weiße, kamen heraus, um Abschied zu nehmen von Ashley, der jetzt in den Krieg zog.
Melanie sagte: »Du mußt Scarlett einen Kuß geben, sie ist jetzt meine Schwester.« Und Ashley beugte sein von Qual gespanntes Gesicht herab und berührte mit kalten Lippen ihre Wangen. Scarlett hatte kaum Freude an dem Kuß, so verdroß es sie, daß Melly ihn dazu auffordern durfte. Melanie selbst erstickte sie fast in ihrer Abschiedsumarmung.
»Du besuchst mich doch in Atlanta bei Tante Pittypat, nicht wahr? Ach, Liebes, wir hätten dich so gern bei uns, wir möchten doch Charles' Frau besser kennenlernen!«
Fünf Wochen verstrichen, in denen Briefe von Charles aus Südcarolina ankamen, scheue, überschwengliche, zärtliche Briefe, in denen er von seine r Liebe, von seinen Zukunftsplänen für die Zeit nach dem Kriege schrieb, von seiner Sehnsucht, um Scarletts willen ein Held zu werden, und von seiner Verehrung für seinen 0berst Wade Hampton. In der siebenten Woche kam ein Telegramm von 0berst Hampton persönlich, und dann ein gütiger, würdiger Kondolenzbrief. Charles war tot. Der 0berst hätte eher telegraphieren wollen, aber Charles hatte seine Krankheit leichter genommen und wollte seine Familie nicht beunruhigen. Der unselige Junge war nicht nur um die Liebe betrogen worden, die er sich erobert zu haben meinte, sondern auch um seine hochfliegenden Hoffnungen auf Ruhm und Ehre in der Schlacht. Er starb einen schmählichen, raschen Tod an einer Lungenentzündung infolge von Masern, ohne näher an die Yankees herangekommen zu sein als bis in das Feldlager in Südcarolina.
Nach der gehörigen Zeit wurde Charles' Sohn geboren und Wade Hampton Hamilton genannt, weil es gerade Mode war, einen Jungen nach dem Vorgesetzten seines Vaters zu nennen. Scarlett hatte vor Ver zweiflung geweint, als sie merkte, daß sie schwanger war, und zu sterben gewünscht Aber sie trug das Kind ohne alle Beschwerden aus, brachte es leicht zur Welt und erholte sich so rasch, daß Mammy ihr insgeheim sagte, es sei einfach unvornehm - Damen müßten dabei mehr leiden. Sie empfand wenig Zärtlichkeit für das Kind, wenn sie auch diese Tatsache verbarg. Sie hatte es nicht haben wollen und sein Erscheinen übelgenommen. Und nun, da es da war, kam es ihr unmöglich vor, daß es von ihr geboren, daß es ein Teil ihrer selbst sein sollte.
0bwohl sie sich körperlich von Wades Geburt in wiederum unvornehm kurzer Zeit erholte, war ihr Gemüt trotz der Bemühungen der ganzen Plantage, sie aufzumuntern, wie betäubt. Ellen ging mit faltiger, sorgenvoller Stirn umher, Gerald fluchte noch häufiger als sonst und brachte ihr aus Jonesboro Geschenke mit, die nichts fruchteten, so daß der alte Dr. Fontaine zugab, daß er nicht mehr recht ein noch aus wisse, nachdem sein Stärkungsmittel aus Schwefel, Zuckersirup und Kräutern versagt hatte. Er teilte Ellen unter vier Augen mit, die Ursache für Scarletts abwechselnd reizbare und schwermütige Stimmung sei in gebrochenem Herzen zu suchen. Hätte Scarlett sich äußern wollen, sie hätte ihnen sagen können, daß ihr Leiden ganz anderer und viel komplizierterer Natur sei. Sie verschwieg ihnen, daß eine maßlose Langeweile, Fassungslosigkeit gegenüber der Tatsache, daß sie wirklich Mutter war, und vor allem Ashleys Abwesenheit ihr dies schmerzliche Aussehen gaben.
Ihre Langeweile war schmerzhaft und verfolgte sie auf Schritt und Tritt. Seitdem die »Truppe« im Feld stand, hatten alle Vergnügungen, alles gesellige Leben der Provinz aufgehen. Alle unterhaltenden jungen Männer waren fort - die vier Tarletons, die beiden Calverts, die Fontaines, die Munroes und alles aus Jonesboro, Fayetteville und Lovejoy, was jung und nett war. Nur die älteren Männer, die Krüppel und die Frauen waren zurückgeblieben und brachten die Zeit mit Stricken und Nähen zu, mit dem Anbau von immer mehr Baumwolle und Getreide, mit der Aufzucht von immer mehr Schweinen, Schafen und Kühen für das Heer. Einen richtigen Mann bekam man nie zu Gesicht, außer Suellens etwas angejahrten Verehrer Kennedy, den Leiter der Intendantur, der allmonatlich kam, u m die erforderlichen Bestände zu requirieren. Die Herren dieser Behörde waren wenig aufregend, und der Anblick von Franks schüchternem Liebeswerben ging Scarlett so auf die Nerven, daß sie Mühe hatte, höflich zu bleiben. Wenn er und Suellen es doch