Gösta Berling. Selma Lagerlöf

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Gösta Berling - Selma Lagerlöf

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aber eine solche Kugel ist nicht leicht zu beschaffen.

      Auf Ekeby wohnt ein Mann, der sich mehr als sonst jemand über dies alles grämen muß. Das ist, wie man sich wohl denken kann, Anders Fuchs, der Bärenjäger. Er verliert die Lust am Essen, er verliert seinen Schlaf aus Groll darüber, daß er den großen Bären auf dem Gurlita-Berge nicht erlegen kann. Schließlich sieht auch er ein, daß der Bär nur mit einer silbernen Kugel erlegt werden kann.

      Der barsche Major Fuchs war kein schöner Mann. Er hatte einen schwerfälligen, ungeschickten Körper und ein breites, rotes Gesicht mit schlaffen Wangen und einem vielfachen Doppelkinn. Steif wie Borsten saß der kleine schwarze Schnurrbart über seinen dicken Lippen, und das schwarze Haar stand starr und dicht vom Kopf ab. Dazu war er ein Mann von wenig Worten, aber von mächtigem Appetit. Er gehörte nicht zu denen, die die Frauen mit sonnigem Lächeln grüßen, auch sandte er ihnen keine sanften Blicke zu. Er glaubte, daß er niemals eine Frau finden könne, an der er Gefallen fand, und alles, was mit Liebe und Schwärmerei zu tun hatte, lag ihm fern. Wenn er also im Mondschein umherging und wartete, so muß man nicht glauben, daß er die gute Frau Luna zur Vertrauten in seinen Herzensangelegenheiten machen wollte. Nein, er dachte nur an die silberne Kugel, die bei Neumond gegossen werden mußte.

      Und dann kommt ein Donnerstag-Abend, an dem der Mond gerade zwei Finger breit ist und ein paar Stunden, nachdem die Sonne untergegangen ist, über dem Horizont verweilt; da begibt sich Major Fuchs von Ekeby fort, ohne etwas davon zu sagen, was er vorhat. Er hat Feuerstahl und Kugelform in der Jagdtasche und die Büchse auf dem Rücken und geht auf die Broer Kirche zu, um zu sehen, was das Glück für einen ehrlichen Mann tun wird.

      Die Kirche liegt an dem östlichen Ufer des schmalen Sunds zwischen dem oberen und dem unteren Löfsee, und Major Fuchs muß über die Brücke gehen, um dahin zu gelangen. Also geht er auf die Brücke zu, in tiefen Gedanken und ohne nach den Brobyer Hügeln hinüberzusehen, wo sich die Häuser scharf von dem klaren Abendhimmel abheben, oder nach dem Gurlita-Felsen, dessen runder Scheitel im Abendschein aufragt. Er sieht nur zu Boden und grübelt darüber nach, wie er des Kirchenschlüssels habhaft werden soll, ohne daß es jemand bemerkt.

      Als er an die Brücke hinabkommt, hört er jemand so verzweifelt schreien, daß er gezwungen ist, die Augen vom Erdboden zu erheben.

       Zu jener Zeit war Faber, der kleine Deutsche, Organist in Broby. Er war ein kleiner, schmächtiger Bursche, gering auf die eine wie auf die andere Weise. Küster war Jan Larsen, ein tüchtiger Bauer, aber arm, denn der Brobyer Pfarrer hatte ihn um sein väterliches Erbe, um ganze fünfhundert Reichstaler betrogen.

      Der Küster wollte sich gern mit der Schwester des Organisten, der kleinen feinen Jungfer Faber, verheiraten, aber der Organist wollte sie ihm nicht geben; daher waren die beiden keine guten Freunde. An diesem Abend begegnete der Küster dem Organisten unten auf der Brücke und fuhr auf ihn los. Er packt ihn bei der Brust und hält ihn mit steifem Arm über das Geländer der Brücke, während er hoch und heilig schwört, daß er ihn ins Wasser werfen will, wenn er die kleine feine Jungfer nicht bekommen soll. Aber der kleine Deutsche will sich nicht ergeben, er zappelt und schreit, sagt aber in einem fort nein, obwohl er tief unter sich die schwarze Furche des offenen Wassers zwischen weißen Eiskanten hervorbrausen sieht.

      »Nein, nein,« schreit er, »nein, nein!«

      Es ist nicht zu wissen, ob der Küster in seiner Wut ihn nicht zuletzt doch noch in das kalte schwarze Wasser hätte hineinplumpsen lassen, wenn nicht Major Fuchs gerade über die Brücke gekommen wäre. Nun wird dem Küster bange, er setzt Faber wieder auf die Brücke nieder und läuft davon, so schnell er kann.

      Der kleine Faber fällt nun dem Major um den Hals und dankt ihm für sein Leben; aber der Major schüttelt ihn ab und sagt, da sei gar kein Grund zu danken. Der Major hatte nichts für Deutsche übrig, seit der Zeit, als er in Putbus auf Rügen während des pommerschen Kriegs in Quartier gelegen hatte. Er war nie in seinem Leben so nahe daran gewesen zu verhungern wie dazumal.

      Nun will der kleine Faber zum Amtmann Scharling hinauflaufen und den Küster wegen Mordversuchs verklagen; aber der Major teilt ihm mit, daß sich das nicht der Mühe verlohnt, denn hierzulande kostet es nichts, einen Deutschen totzuschlagen, keinen roten Heller. Und um die Wahrheit seiner Worte zu beweisen, erbietet er sich selbst, ihn in den Strom hinabzuwerfen.

      Da beruhigt sich denn der kleine Faber und ladet den Major ein, mit nach Hause zu kommen und Schmorwurst zu essen und altes Bier zu trinken.

      Der Major begleitet ihn, denn ihm ist eingefallen, daß der Organist sicher daheim einen Kirchenschlüssel haben muß, und so gehen sie denn den Hügel hinan, auf dem die Broer Kirche mitsamt dem Propsthause, dem Küsterhause und der Organistenwohnung liegt.

      »Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie,« sagt der kleine Faber, als er und der Major in sein Haus eintreten. »Es ist hier heute gar nicht recht fein. Wir haben heute so viel zu tun gehabt, meine Schwester und ich; wir haben einen Hahn geschlachtet.«

      »Ei der Tausend!« rief der Major aus.

      Und dann kam die kleine feine Jungfer Faber mit altem Bier in großen Tonkrügen herein. Nun weiß ja ein jeder, daß der Major Frauen nicht mit milden Augen ansah, aber die kleine Jungfrau Faber mußte er doch mit einem gewissen Wohlwollen ansehen, so allerliebst wie sie dastand in Leibchen und Mütze. Das blonde Haar war glatt in die Stirn gestrichen, das selbstgewebte Kleid war so zierlich und so blendend rein; ihre kleinen Hände waren so geschäftig und geschwind, und ihr kleines Gesicht war so rosenrot und rund, daß er es nicht lassen konnte, zu denken, daß, wenn er so ein niedliches Frauenzimmerchen vor fünfundzwanzig Jahren gesehen hätte, er sicher Anstalten gemacht hätte, um sie zu freien. Aber so nett und rotwangig und behende sie auch war, ihre Augen sind doch ganz verweint. Und gerade das flößt ihm so milde Gedanken über sie ein.

      Während die Männer essen und trinken, geht sie in der Stube ein und aus. Einmal tritt sie an ihren Bruder heran, macht einen Knix und sagt: »Wie befiehlt mein Bruder, daß wir die Kühe im Schuppen aufstellen sollen?«

      »Stelle zwölf zur Rechten und elf zur Linken, dann können sie sich nicht stoßen«, sagte der kleine Faber.

      »Das ist doch des Teufels! Hat Faber so viele Kühe?« sagt der Major.

      Die Sache hing aber so zusammen, daß der Organist nur zwei Kühe hatte, aber er nannte die eine Elf und die andere Zwölf, damit es großartig klingen sollte, wenn er von ihnen sprach. Und dann erfährt der Major, daß Faber im Begriff ist, seine Scheune umzubauen, so daß die Kühe des Tags draußen gehen und des Nachts im Wetterschuppen stehen.

      Die kleine Jungfer Faber geht in der Stube ein und aus. Sie tritt wieder an ihren Bruder heran und macht ihm einen Knix und sagt, daß der Zimmermann fragt, wie hoch die Scheune sein soll.

      »Miß die Kuh,« sagt der Organist, »miß die Kuh!«

      Major Fuchs findet, daß das eine gute Antwort ist.

       Wie sie so dasitzen, fängt der Major an, den Organisten zu fragen, warum die Augen seiner Schwester so rot sind; und da erfährt er denn, daß sie weint, weil er ihr nicht erlauben will, sich mit dem armen Küster zu verheiraten, verschuldet und erblos, wie der ist.

      Bei alledem verfällt Major Fuchs mehr und mehr in Sinnen. Er leert die eine Kanne Bier nach der andern und ißt eine Wurst nach der andern, ohne darüber nachzudenken. Der kleine Faber ist ganz entsetzt über einen solchen Appetit und einen solchen Durst; aber je mehr der Major ißt und trinkt, um so klarer wird sein Gehirn, um so entschlossener wird sein Herz. Um so fester wird auch sein Vorsatz, etwas für die kleine Jungfer Faber zu tun.

      Es war derselbe Major

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