Quitt. Theodor Fontane
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Quitt - Theodor Fontane страница 12
»Es fehlte bloß noch, daß er geschrieben hätte, nicht Wind, nicht Sonne haben zu wollen. Aber ich werde mir's überlegen, und wenn ich was finde, so schick ich einen Boten oder komm auch wohl selbst und sehe mir mal wieder die Konfirmandenstube an.«
»Das soll ein Wort sein, liebe Frau Exner. Und dann zeig ich Ihnen auch gleich meine Kanarienvogelhecke, zwei Schläger, wie sie die Harzer nicht besser haben.«
Er blieb noch eine kleine Weile, dann stand er auf und ging in einem langsamen Schritt, denn es war heiß geworden, bis zum Gerichtskretscham und dem gleich dahinter gelegenen katholischen Kapellchen, um von hier aus nach Wolfshau abzubiegen. Der Weg schlängelte sich durch Kusseln und Heidekraut und mündete zuletzt auf die breite Hauptstraße, die neben der Lomnitz hinlief und weiter aufwärts die Grenze zwischen dem Opitzschen und dem Menzschen Gewese zog. Als er diesen Teil der Straße fast schon erreicht und jedenfalls die beiden Häuser schon in Sicht hatte, hielt er noch einmal an, weil er etwas außer Atem war, und schritt dann erst auf den Brückensteg zu, der nach dem Inselchen hinüberführte.
Von dem Kapellchen her klang gerade das Mittagsläuten, Lehnert aber, der, wenigstens bei der Arbeit, nicht für strenges Stundenhalten war, blieb in seinem Schuppen und schnitzelte weiter, ohne des Läutens und der Mahnung zur Mittagsmahlzeit zu achten. Erst als der Hahn in ein ungewöhnliches Krähen kam und mit seinem ganzen Hühnergefolge nach dem Arbeitsschuppen hin retirierte, sah er auf und bemerkte nun Siebenhaar, der eben vom Brückensteg her auf den Vorgarten und die kleine Steintreppe zuschritt. Er legte nun das Schnitzeisen aus der Hand und ging auf den Alten zu, den er, seine Kappe ziehend, respektvoll begrüßte. Dabei wollte Lehnert etwas von Dank und Freude sprechen, aber Siebenhaar, der nicht bloß eine Kanarienvogelhecke hatte, sondern vor allem auch ein Rosenzüchter war, war von dem das ganze Haus umfassenden und überall hin mit Knospen und gelben Blüten überdeckten Rosenbusche viel zu sehr entzückt, um Lehnert ausreden zu lassen, und sagte nur ein Mal über das andere: »Lehnert, Junge, wo hast du diesen Busch her? Der ist ja schöner als der Hildesheimsche. Rote, die hat jeder; aber gelbe, gelbe. Wie nennt ihr sie denn? Ei, das ist ja eine wahre Gottesgabe.«
Während er noch so sprach, war er auf den Flur und gleich danach in die Stube getreten, drin Frau Menz eben am Ofenherd stand und die Kartoffeln, frische, die von ihr wie Gold behandelt wurden, in den Topf zählte. Kaum aber, daß sie des Besuchs ansichtig wurde, so fuhr sie zunächst mit der nassen Hand über die Schürze, band diese dann rasch ab und kam auf Siebenhaar zu, den sie jetzt umknickste und mit einer Flut von kriecherischen Worten überströmte.
Lehnert schüttelte den Kopf, aber die Alte sah es nicht oder wollt es nicht sehen und fuhr in ihrem Wortschwall unverändert fort: »Aber nun bitt ich, Herr Pastor; hier dieser, der hat die beste Lehne... setzen müssen Sie sich... Sie werden uns doch die Ruhe nicht mit fortnehmen wollen... Ich denke, hier an den Ofen. Oder soll ich das Fenster aufmachen? Ja, das will ich, das wird das beste sein, ich werde das Fenster aufmachen. Der Herr Pastor, soviel habe ich wohl gesehn, haben immer das eine Fenster auf, und auch noch ein Fliegenfenster dazu, da zieht es noch mehr. Ja, was die Reichen sind und die Studierten, die sind immer so sehr für frische Luft, auch wenn es kalt ist; aber unsereins will gern warm sitzen, weil man sonst nichts Warmes hat, und das bißchen Kleinholz gibt es ja auch, das heißt, wenn man den Zettel hat, sonst ist Opitz gleich bei der Hand und schreibt einen auf, und man hat seine vierzehn Tage weg, man weiß nicht wie... Gott, wenn ich nur noch von dem Hochzeitskuchen hätte... Nun hab ich so gut wie nichts für den Herrn Pastor... Aber wenn arme Leute so was im Hause haben, dann sind sie wie die Kinder, und Lehnert ist eigentlich schuld... Ja, Lehnert, du bist schuld, du sagst doch sonst immer: ›Mutter, verdirb dich nicht, Mutter, sei nicht so naschig.‹ Aber du hast kein Wort gesagt, und da hab ich alles verputzt und verurscht, und is kein Krümel mehr da.«
Lehnert war aufgestanden und trommelte vor Ungeduld an die Fensterscheibe, Siebenhaar aber, der sich noch der Zeiten erinnerte, wo so mancher aus dem armen Volk hier diese Sprache der Unfreien und Hörigen gesprochen hatte, lächelte nur und sagte: »Liebe Frau Menz, ich habe ja selber von dem Hochzeitskuchen gehabt und hab es geradeso gemacht wie Sie und hab ihn auch aufgegessen oder ›verputzt‹, wie Sie sagen, jedenfalls viel zuviel, was man eigentlich nicht soll. Und Lehnert hat ganz recht, wenn er gegen das Naschen ist. Aber das ist nun mal nicht anders, auch die Alten bleiben Kinder. Und wissen Sie, wer der dritte war, der auch zuviel gegessen hat, und noch dazu gleich oben, als der Kaffee kam? Der dritte war unser Freund Opitz...«
Die Alte nickte und kicherte vor sich hin. Siebenhaar aber wiederholte:
»Ja, unser Freund Opitz. Und sehn Sie, liebe Frau Menz, wenn ich hörte, daß er diese Nacht ein großes Alpdrücken gehabt und seine Frau mit seinem Tode geängstigt habe, so würd ich mich nicht wundern. Aber, wie gesagt, es haut eben jeder mal über die Schnur, Sie und ich und natürlich auch ein Förster. Und ist auch nicht so schlimm, wenn einer nur sonst brav und tüchtig ist. Und das ist Opitz und auch gar nicht so hart, wie die Leute glauben, und wenn man ihn nur zu nehmen weiß und ihm seine Ehre gibt, darauf hält er, und darauf muß er halten, so läßt sich ganz gut mit ihm leben, und ist auch nicht so gehässig und unversöhnlich, wie mancher meint, wovon ich mich erst gestern wieder überzeugen konnte...«
»Hörst du, Lehnert, hörst du? Das ist es ja, was ich auch immer sage. Der Förster ist doch eine Obrigkeit, und die Obrigkeit ist von Gott. Ja, das haben Sie gepredigt, Herr Prediger, und das vergeß ich nicht wieder. Opitz ist Obrigkeit und ein guter Mann und steht eigentlich in Gottes Namen da...«
»Ach, Mutter, rede doch nicht solchen Unsinn. Er ist bei dem Grafen in Dienst, und für den steht er da. So was darfst du nicht sagen, und am wenigsten, wenn der Herr Pastor da ist, das ist ja die reine Gotteslästerung. Und du sagst es auch alles bloß so hin und weißt recht gut, daß er nicht anders ist als du und ich und vielleicht noch ein bißchen schlechter.«
Siebenhaar nahm Lehnerts Hand und lächelte:
»Mußt dich nicht so ereifern, Lehnert. Die Mutter sagt es bloß, weil sie den ewigen Streit nicht will und sich ängstigt und Ruh und Frieden und gute Nachbarschaft haben möchte. Treff ich's? Sage selbst...«
»Und weil ihr alles gleich ist, Herr Pastor, wenn sie nur ihren Vorteil hat. Das ist es. Und wenn sie drüben ein ranzig Stück Speck haben oder mit einem Rehviertel nicht mehr wissen, wo sie mit hin sollen, dann ist sie gleich bei der Hand und will sich's schenken lassen. Ich will aber nichts Geschenktes haben aus dem Haus da, und wenn es denn durchaus ein Reh oder ein Rehviertel sein soll...«
»Dann weißt du, wo du's hernimmst... Ja, Lehnert, das ist es eben, und darüber klagt Opitz und über deinen Trotz, der das Verbotene nicht bloß tut, sondern sich's auch noch berühmt. Wie viele Male hab ich dir das schon vorhalten müssen. Erst neulich wieder. Ist es nicht so? Du schweigst... Sieh, ich bin gestern mit ihm eine halbe Stunde lang um die Brückenberger Waldwiese herumgegangen und hab ihn beschworen, nicht alles sehen und nicht alles hören zu wollen, und hab ihm Vorstellungen gemacht und ihm ins Gewissen geredet. Und ich kann dir sagen, wörtlich sagen, oder doch so gut wie wörtlich, was ich ihm bei der Gelegenheit alles gesagt habe. ›Sehen Sie, Opitz‹, so hab ich ihm gesagt, ›Sie reden immer von Recht und Ordnung, aber was heißt Recht und Ordnung? Das sind alles sehr schöne Sachen, und doch ist es mit Recht und Ordnung geradeso wie mit Zucht und Sitte.‹«
Lehnert nickte.
»›Wie mit Zucht und Sitte. Die sollen sein. Gewiß, Zucht und Sitte sollen sein; wer will das bestreiten? Und wenn ich dann im Unterricht und zuletzt noch mal am Einsegnungstage den jungen Dingern zurede, daß sie sie gut halten sollen, dann tu ich das nicht bloß, um was zu sagen, dann tu ich es auch, weil mir's mein Herz so vorschreibt und weil ich weiß, was ein guter Wandel nicht bloß vor Gott, sondern auch vor den Menschen bedeutet und daß Glück und Unglück daran hängt. Ja, Opitz‹,