Die Eissphinx. Jules Verne

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Die Eissphinx - Jules Verne

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Fenimore Atkins den Satz. Deshalb hab' ich mich vor nun fünfzehn Jahren in Christmas-Harbour niedergelassen und hier geheiratet... mein Weib Betsey hat mich mit zehn Kindern beschenkt, diese werden mir wieder Enkel bescheeren, die mir wie Kätzchen an den Beinen hinaufklettern...

      – Und Sie werden nie nach Ihrem Vaterlande zurückkehren?

      – Was sollte ich dort beginnen, Herr Jeorling, und was hätte ich da gehabt? Das reine Elend! Hier auf den Desolations-Inseln (Inseln der Verlassenheit), wo ich nie dazu kam, mich verlassen zu fühlen, hier blühte mir und den Meinen das Glück!

      – Gewiß, Meister Atkins, und ich gratuliere Ihnen dazu, daß Sie sich glücklich fühlen! Immerhin ist es nicht ausgeschlossen, daß Sie eines Tages den Wunsch empfänden...

      – Mich in anderen Boden zu verpflanzen, Herr Jeorling? O, was denken Sie! Ich bin eine Eiche, sagte ich Ihnen, nun verpflanzen Sie einmal eine Eiche, wenn diese bis zum halben Stamm im Kieselgestein der Kerguelen festgewurzelt ist!«

      Es war ein Vergnügen, dem würdigen Amerikaner zuzuhören, dem Manne, der sich so vollständig auf diesem Archipel eingewohnt und gegen die rauhe Unbill des Klimas hier abgehärtet hatte. Er lebte mit seiner Familie, wie die Pinguine in ihren Rockerys... Die Mutter, eine kräftige Matrone, die von Gesundheit strotzenden Söhne, die nichts von Rachenkatarrhen und Magenerweiterung wußten, Alles hatte gedeihlichen Fortgang. Der gut besuchte »Grüne Cormoran« erfreute sich der Kundschaft von allen Schiffen, von Walfängern und anderen, die die Kerguelen aufsuchten. Das Haus lieferte ihnen Seife, Fette, Pech, Theer, Gewürze, Zucker, Thee, Conserven, Wisky, Gin und Branntwein Ein zweites Gasthaus hätte man in Christmas-Harbour übrigens vergeblich gesucht. Die Söhne Fenimore Atkins' waren Zimmerleute, Segelmacher und Fischer und singen in der warmen Jahreszeit Amphibien vom Grunde aller engen Wasserzüge. Kurz, es waren tüchtige junge Leute, die ohne zu mäkeln ihrer Bestimmung nachkamen.

      »Mit einem Wort, Meister Atkins, erklärte ich, ich bin geradezu entzückt nach den Kerguelen gekommen zu sein, und werde mich ihrer mit Freuden erinnern. Immerhin wäre ich jetzt nicht böse darüber, wieder abfahren zu können....

      – Oho, nur etwas Geduld, Herr Jeorling! ermahnte mich dieser Philosoph. Man soll eine Trennungsstunde nie herbeiwünschen oder gar beschleunigen! Vergessen Sie auch nicht, daß die schönen Tage nun bald wiederkommen. In fünf bis sechs Wochen...

      – Ja wohl, rief ich, inzwischen bleiben Berg und Ebene, Felsen und Strand von dicker Schneelage bedeckt und die Sonne hat nicht einmal Macht genug, die Nebel des Horizonts aufzulösen...

      – Aber ich bitte, Herr Jeorling! Schon sieht man die Grashalme durch die weiße Hülle sprießen! Sehen Sie nur gut hin....

      – Ja wohl, mit der Loupe!... Doch, unter uns, Atkins, würden Sie zu behaupten wagen, daß das Eis jetzt im August, dem Februar unserer nördlichen Halbkugel, nicht die Buchten und Baien hier bedeckt?

      – Zugegeben, Herr Jeorling. Doch noch einmal: nur etwas Geduld! Der Winter ist dieses Jahr recht mild gewesen. Bald werden im Osten oder Westen Schiffe auftauchen, denn die Fangzeit ist nahe.

      – Möge der Himmel Sie hören, Meister Atkins, und möge er das Schiff, das ja nicht mehr lange ausbleiben kann – die Goëlette »Halbrane« – glücklich in den Hafen führen....

      – »Halbrane«, Kapitän Len Guy, vervollständigte der Gastwirth. Das ist ein echter Seemann, obwohl ein Engländer – es gibt ja überall tüchtige Männer – der seine Bedürfnisse aus dem »Grünen Cormoran« bezieht.

      – Sie meinen, daß die »Halbrane«...

      – Vor Verlauf von acht Tagen von jenseits des Cap François gemeldet wird, Herr Jeorling, es müßte denn keinen Kapitän Len Guy mehr geben, doch dann... dann ist auch die »Halbrane« zwischen dem Cap der Guten Hoffnung und den Kerguelen untergegangen!«

      Mit einer bezeichnenden Handbewegung, die mir sagte, daß ein solcher Fall außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liege, verließ mich Fenimore Atkins.

      Im übrigen hoffte ich, daß die Vorhersage meines Wirthes bald eintreffen würde, denn die Zeit wurde mir wirklich lang. Konnte man ihm glauben, so zeigten sich schon die Symptome der schönen Jahreszeit – was man hier eben schöne Jahreszeit nennt. Wohl liegt die Hauptinsel etwa in gleicher Breite mit Paris in Europa und mit Quebec in Canada. Hier handelt es sich aber um die südliche Halbkugel der Erde und man weiß, daß, infolge der elliptischen Bahn, die die Erde beschreibt und in deren einem Brennpunkte die Sonne steht, diese Halbkugel im Winter kälter ist als die nördliche und im Sommer wiederum wärmer als diese. Jedenfalls ist die Winterperiode auf den Kerguelen wegen heftiger Stürme geradezu schrecklich und das Meer liegt mehrere Monate erstarrt, obwohl die Kälte hier nicht besonders streng ist, denn sie hält sich im Mittel bei – 2° Celsius im Winter (bei einer Sommertemperatur von +7° Celsius), wie an den Falklandsinseln oder am Cap Horn.

      Es versteht sich von selbst, daß Christmas-Harbour diese Zeit über kein einziges Schiff beherbergt. Zur Zeit, von der ich spreche, gab es noch nicht viele Dampfer. Segelschiffe aber suchten, aus Besorgniß, hier vom Eis eingeschlossen zu werden, die Häfen Südamerikas an der Küste von Chile, oder die Afrikas – meist Capstadt am Cap der Guten Hoffnung – als Zuflucht auf. Einige Schaluppen, die einen im Eise festsitzend, die anderen auf dem Strande liegend und bis zur Mastspitze hinauf von Rauhfrost überzogen, das war Alles, was der Christmas-Hafen meinen Blicken darbot.

      Sind die Temperaturunterschiede auf den Kerguelen auch nicht beträchtlich, so ist das Klima im allgemeinen doch feucht und kalt. Sehr häufig, und vorzüglich im nördlichen Theile, wird die Inselgruppe von wilden, mit Graupeln und Regen vermischten Nord- oder Weststürmen gepeitscht. Nach Osten zu hält sich der Himmel klarer, obwohl auch hier ein halbverschleiertes Licht herrscht, und von dieser Seite reicht die Schneegrenze auf den Bergen bis auf nur fünfzig Toisen (117 Meter) ü. d. M. hinab.

      Nach meinem zweimonatigen Verweilen auf dem Archipel der Kerguelen, erwartete ich also mit einiger Ungeduld die Gelegenheit, an Bord der Goëlette »Halbrane« davon wieder abzureisen, eines Schiffes, dessen Seetüchtigkeit und sonstige Eigenschaften mein enthusiastischer Wirth zu rühmen nicht aufhörte.

      »Sie könnten es gar nicht besser treffen! wiederholte er mir früh und spät. Von allen Kapitänen langer Fahrt in der englischen Handelsflotte kann sich, was Kühnheit und Erfahrung im Berufe betrifft, mit meinem Freunde Len Guy kein einziger messen. Nur noch etwas redseliger und mittheilsamer, und er wäre vollkommen.«

      Ich hatte mir denn auch vorgenommen, die Empfehlungen des Meister Atkins zu befolgen und wollte hier so lange bleiben, bis die Goëlette bei Christmas-Harbour eintreffen würde. Nach einem Aufenthalt von sechs bis sieben Tagen sollte sie dann wieder auslaufen und nach Tristan d'Acunha gehen, wohin sie eine Ladung Zinn- und Kupfererz zu bringen hatte.

      Auf letztgenannter Insel wollte ich in der schönen Jahreszeit einige Wochen verweilen und hoffte, von da aus nach Connecticut heimzukehren. Dabei übersah ich jedoch keineswegs den Antheil, der bei menschlichen Entschließungen dem Zufall zukommt, denn es ist, wie Edgar Poe gesagt hat, allemal weise, immer »mit dem Unerwarteten, Unvorhergesehenen und Unbegreiflichen zu rechnen, nicht zu vergessen, daß Nebensachen, unvermuthete, rein zufällige Zwischenfälle oft ein gewichtiges Wort reden, das man bei streng vorsichtiger Rechnung nicht außer Acht lassen darf.«

      Wenn ich hier unseren großen amerikanischen Schriftsteller anführe, obwohl ich sehr nüchternen Geistes, ernsten Charakters und wenig phantastischer Natur bin, so geschieht es, weil ich den geistvollen Dichter menschlicher Sonderlichkeiten dennoch warm bewundere.

      Um jedoch auf die »Halbrane« oder vielmehr auf die Gelegenheiten zurückzukommen,

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