David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens

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auch keiner ein Wort sprach.

      »Ich bin erstaunt, Steerforth, obgleich Ihre Aufrichtigkeit Ihnen Ehre macht,« sagte Mr. Creakle. »Ja, gewiß, Ihnen Ehre macht, – ich bin erstaunt, Steerforth, muß ich schon sagen, daß Sie solch eine Bezeichnung für eine Person brauchten, die in Salemhaus angestellt ist und bezahlt wird, Sir.«

      Steerforth lachte kurz auf.

      »Das ist keine Antwort, Sir,« sagte Mr. Creakle, »auf meine Bemerkung. Ich erwarte mehr von Ihnen, Steerforth.«

      Wenn Mr. Mell in meinen Augen gegenüber dem hübschen Knaben schon abstach, wäre es ganz un möglich gewesen, zu sagen, was Mr. Creakle für einen Eindruck machte.

      »Er soll es ableugnen,« sagte Steerforth.

      »Ableugnen, daß er ein Bettler ist, Steerforth? Aber wo bettelt er denn?«

      »Wenn er nicht selbst ein Bettler ist, so ist es seine nächste Verwandte,« sagte Steerforth. »Das kommt doch auf dasselbe heraus.«

      Er sah mich an, und Mr. Mells Hand klopfte mir sanft auf die Schulter. Ich blickte auf, Schamröte im Gesicht und Reue im Herzen. Aber Mr. Mells Augen ruhten auf Steerforth. Er fuhr fort, mich freundlich auf die Schulter zu klopfen, aber er blickte Steerforth an.

      »Da Sie eine Rechtfertigung von mir verlangen, Mr. Creakle,« sagte Steerforth »und ich sagen soll, was ich meine, so sage ich, daß seine Mutter von Almosen in einem Armenhaus lebt.«

      Immer noch sah ihn Mr. Mell an und klopfte mir immer noch freundlich auf die Schulter. Leise sagte er dann vor sich hin: »Ja, das habe ich mir gedacht.«

      Mr. Creakle wandte sich an den Unterlehrer mit strengem Stirnrunzeln und erkünstelter Höflichkeit.

      »Nun, Sie hören, was dieser Herr sagt, Mr. Mell. Haben Sie die Güte, seine Aussage vor der ganzen Schule gefälligst zu berichtigen.«

      »Er hat vollständig Recht, Sir,« antwortete Mr. Mell inmitten der tiefsten Stille. »Was er gesagt hat, ist wahr.«

      »Wollen Sie dann so gut sein und öffentlich erklären,« sagte Mr. Creakle, legte den Kopf auf die Seite und rollte mit den Augen, »ob ich bis zu diesem Augenblick etwas davon in Erfahrung gebracht habe.«

      »Ich glaube nicht direkt,« erwiderte Mr. Mell.

      »Sie wissen, daß es nicht der Fall war,« sagte Mr. Creakle. »Oder wissen Sie es nicht, Mensch?«

      »Ich nehme an, daß Sie wohl niemals meine Verhältnisse für sehr gut gehalten haben,« antwortete der Unterlehrer. »Sie wissen doch, wie meine Lage hier ist und immer war.«

      »Ich nehme an,« sagte Mr. Creakle und seine Adern wurden noch dicker, »daß Sie wohl überhaupt in einer falschen Stellung hier gewesen sind und diese Anstalt vermutlich für eine Armenschule gehalten haben. Mr. Mell, wir werden uns trennen und je eher, desto besser.«

      »Es ist keine Zeit besser als die gegenwärtige,« erwiderte Mr. Mell und stand auf.

      »Für Sie, ja,« sagte Mr. Creakle.

      »Ich nehme Abschied von Ihnen, Mr. Creakle und von euch allen,« sagte Mr. Mell, sah sich im Zimmer um und klopfte mir wieder sanft auf die Schulter.

      »James Steerforth, der beste Wunsch, den ich Ihnen hinterlassen kann, ist, daß Sie sich eines Tags schämen mögen über das, was Sie heute getan haben. Heute möchte ich in Ihnen lieber alles andere sehen als einen Freund oder sonst jemand, für den ich ein Interesse fühle.«

      Noch einmal legte er die Hand auf meine Schulter, dann nahm er seine Flöte und ein paar Bücher aus dem Pult, ließ den Schlüssel stecken für seinen Nachfolger und verließ die Klasse, seinen ganzen Besitz unter dem Arm.

      Mr. Creakle hielt dann noch unter Tongays Assistenz eine Rede, in der er Steerforth dankte, daß er, wenn auch vielleicht ein wenig zu warm, das Ansehen von Salemhaus und seine Unabhängigkeit verteidigt hatte.. Er wand sich durch bis zu dem Punkte, wo er Steerforth die Hand schüttelte, während wir dreimal Hoch riefen, ich weiß nicht mehr für wen, aber ich glaube für Steerforth. Wenigstens rief ich mit, obwohl ich sehr niederschlagen war. Dann wichste Mr. Creakle den kleinen Tommy Traddles durch, weil er über Mr. Mells Fortgehen geweint hatte, statt in das Hoch einzustimmen, und kehrte wieder zu seinem Sofa oder seinem Bett, oder wo er sonst hergekommen, zurück.

      Wir waren uns jetzt selbst überlassen und sahen einander ratlos an. Ich empfand so viel Gewissensbisse und Reue über das Geschehene, daß nur die Furcht, Steerforth, der mich oft ansah, möchte es für unfreundschaftlich oder, besser gesagt, für pflichtwidrig halten, wenn ich weinte, meine Tränen zurückhielt. Er war sehr böse auf Traddles und sagte, es freue ihn, daß er es gekriegt habe.

      Der arme Traddles, der schon wieder über das Stadium hinaus war, wo er den Kopf auf das Pult zu legen pflegte und seinem Verdruß wieder mit einem Haufen Gerippen Luft machte, sagte, es sei ihm ganz wurst, aber Mr. Mell sei Unrecht geschehen.

      »Wer hat ihm Unrecht getan, du Mädchen?« fragte Steerforth.

      »Wer denn sonst als du.«

      »Was hab ich denn getan?« fragte Steerforth.

      »Was du getan hast,« gab Traddles zur Antwort. »Du hast seine Gefühle verletzt und ihn um seine Stelle gebracht.«

      »Seine Gefühle,« wiederholte Steerforth verächtlich. »Seine Gefühle werden sich schon wieder erholen, drauf will ich wetten. Seine Gefühle sind nicht wie deine, Fräulein Traddles. Und was seine Stelle betrifft, – die so glänzend war, was? – so werde ich doch natürlich nach Hause schreiben und dafür sorgen, daß er Geld bekommt, Polly.«

      Uns kam dieser Vorsatz Steerforths, dessen Mutter, eine reiche Witwe, – ihm in allem nachgab, sehr hochherzig vor. Wir freuten uns alle, daß Traddles beschämt war, und hoben Steerforth in den Himmel, besonders, als er uns gnädigst erklärte, daß er alles nur unsertwegen getan und uns durch sein selbstloses Benehmen einen Riesendienst erwiesen hätte.

      Aber ich muß gestehen, als ich abends im Dunkeln eine Geschichte erzählte, schien mir Mr. Mells Flöte mehr als einmal traurig in den Ohren zu klingen und als endlich Steerforth schlief und ich in meinem Bette lag, machte mich der Gedanke, die Flöte werde jetzt wo anders gespielt, ganz elend.

      Ich vergaß Mr. Mell bald über der Bewunderung Steerforths, der in leichter Dilettantenart und ohne Buch, denn er schien alles auswendig zu wissen, einige der Lehrstunden übernahm, bis der neue Lehrer erschien. Dieser kam aus einer Lateinschule und speiste, bevor er sein Amt antrat, bei dem Direktor um Steerforth vorgestellt zu werden.

      Steerforth fand großen Gefallen an ihm und nannte ihn eine Leuchte. Wenn ich auch nicht begriff, was für ein Gelehrtentitel das wäre, brachte ich ihm doch große Ehrfurcht entgegen und zweifelte nicht im geringsten an seinen großartigen Kenntnissen, obwohl er sich nie solche Mühe mit mir gab, wie Mr. Mell; aber ich war ja auch gar nicht zu rechnen.

      Noch ein ungewöhnliches Ereignis in diesem Semester machte einen tiefen Eindruck auf mich, der noch immer fortlebt, – aus verschiedenen Gründen fortlebt.

      Eines Nachmittags, als wir alle in einem Zustand ärgster Verwirrung und Angst waren, weil Mr. Creakle so fürchterlich um sich schlug, kam Tongay herein und rief laut:

      »Besuch für Copperfield.«

      Mr.

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